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Architekturgespräche 2021 Teil 1 mit den Planern Pfeiffer und Rottmann
"Wer baut die Stadt?" Wie kann das Potenzial guter Architektur ausgeschöpft werden? Die "Herbstrunde" der Architekturgespräche, wie Moderator Christian Holl einführte, widmete sich der Stadtplanung oder besser: den Rahmenbedingungen, unter denen eine Stadt sich entwickelt. Denn nicht immer ist die Kommune selbst treibende Kraft oder Katalysator. Die beiden Gesprächspartner des ersten von zwei Abenden zu diesem Thema stellten Projekte vor, in denen private Stiftungen diese Rolle übernahmen. In Krefeld, von Achim Pfeiffer, Böll Architekten, Essen, vorgestellt, ist es die gemeinnützige Montag Stiftung, die eine alte, in städtischer Hand befindliche Textilproduktionsstätte zum Identifikationsort "Alte Samtweberei" entwickelte. Und in Bremen, vom Stadtplaner und Architekten Matthias Rottmann (Büro De Zwarte Hond) erläutert, das Quartier "Ellener Hof".
Pfeiffers Büro hat Erfahrung mit Bestandsumbau. Es plante Ende der 1980er Jahre die Konversion der Zeche Zollverein in Bochum und brachte - auch dank einer IBA - das Kunststück fertig, ein Areal, das für den Niedergang eines Industriezweiges stand, neu zu erfinden und zu neuer Identität zu verhelfen. "Es hat sich im Vergleich zu den 90er Jahren eine ganz andere Wahrnehmung entwickelt", sagt Pfeiffer. Stolze Hochzeitsfotos statt Schambesetztheit, das ist die Zeche Zollverein heute.
Wer baut also die Stadt? Um neue Quartiere zu entwickeln oder etwa verödende Innenstädte zu entwickeln als lebendigen Raum, sei Identitätsbildung unerlässlich, sagt auch Rottmann. Im "Ellener Hof" am Rande Bremens soll das Narrativ eines Dorfes sowie Holz als Baustoff Gemeinsinn schaffen: "Erzählungen bauen Städte. Neue Erzählungen bauen sie um." Dabei sei es fast egal, um welches Narrativ es sich handle. Die Kommunen müssten die guten Rahmenbedingungen garantieren, die Quartiere könne man anderen Akteuren überlassen wie Baugruppen, Investoren, Stiftungen etc.. Moderator Holl blieb skeptisch: Stoße das Narrativ nicht auch an seine Grenzen?
Die kritische Kommentierung galt der Entwicklung der Innenstädte. Pfeiffer hinterfragte die Erwartung der Immobilienbesitzer, immer noch Mieten zu verlangen wie zu Zeiten, da die Gleichung Innenstadt = Konsum gute Gewinne brachte. Auch werde das kommunale Werkzeug von Wohnungsbaugesellschaften zu wenig genutzt, schon gar für mutige, innovative Projekte, wo es auch auf soziale Mischung ankomme. Bei den öffentlichen Bauherren sei insgesamt "Luft nach oben", was den Vorbildcharakter der Bauvorhaben angeht, sagte Rottmann: "Die bauen lieber neu statt um", und dann eben eher an den Rand als mitten hinein in gewachsene Stadtstrukturen wie etwa Maastricht es mit seiner Universität getan hat. Gleichwohl das Fazit voller Optimismus: "Der Wohnungsbau schiebt sich wieder in den gesellschaftlichen Diskurs zurück als quantitatives statt qualitatives Thema", sagt Pfeiffer. Die sinkenden Haushaltsgrößen, also weniger Menschen in gleich viel Bausubstanz, wirkten als große Treiber des Wohnraummangels.
Wer baut die Stadt? Die Stadt offensichtlich nicht, so Moderator Holl. Rottmann antwortet mit der Zahl drei: Bauherrschaften, die Kommune und Architekt:innen.
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