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Foto: Peter Jammernegg
Nürtinger Straße72074 Tübingen-Lustnau
Das Quartier "Alte Weberei" umfasst im Wesentlichen das seit Ende der 1990er Jahre brachliegende Areal der Frottierweberei Egeria, die in ihren Glanzzeiten als eine der größten Betriebe Tübingens ihre Erzeugnisse in alle Welt exportierte. Das ca. 6 ha große Gelände liegt am südlichen Ortsrand von Lustnau und bildete jahrzehntelang eine Barriere zwischen Stadtteil und Neckar. 2008/2009 beschloss der Gemeinderat, den von städtebaulichen Mängeln geprägten Bereich unter Anwendung des "Tübinger Modells der Quartiersentwicklung" umfassend aufzuwerten. Hauptbestandteile dieses Modells sind der Zwischenerwerb durch die Stadt sowie die Vermarktung zu Festpreisen und die Prinzipien Vielfalt, Mischung und Kleinteiligkeit. Für den Zwischenerwerb wurde im Jahr 2003 bei der städtischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WIT) eigens der Geschäftsbereich "Projektentwicklung" eingerichtet.Um die Flächen überhaupt neu bebauen zu können, mussten zwei Probleme gelöst werden: Hochwasser und Altlasten. Wegen der Lage im Überschwemmungsgebiet von gleich drei Flüssen wurde ein komplexes Hochwasserschutzkonzept erarbeitet, das u.a. Erhöhungen der Eingangsniveaus vieler Gebäude gegenüber der Straße und mobile Hochwasserschutzsysteme vorsieht. Gebäudesubstanz und großflächige Bodenverunreinigungen durch die Fabrik wurden aufwändig beseitigt. Die Verfüllungen im alten Neckarbett, das quer durch das Quartier führt, wurden versiegelt, da eine Entsorgung wirtschaftlich nicht darstellbar war. Ohne die Fördermittel des Landes für das Sanierungsgebiet Lustnau-Süd wäre die Revitalisierung der Brache nicht finanzierbar gewesen.
Konzept Für die Neuordnung wurde 2009 ein zweiphasiger städtebaulicher Realisierungswettbewerb durchgeführt. Der Entwurf des Tübinger Architekturbüros Hähnig | Gemmeke in Zusammenarbeit mit Fromm Landschaftsarchitekten, Dettenhausen ging als Sieger hervor und bildete die Grundlage für den Bebauungsplan "Alte Weberei". Die Planung für die Alte Weberei zeichnet sich durch ihre gute räumliche Aufteilung und klare städtebauliche Struktur aus. Zentrum des neuen Stadtquartiers ist der Egeriaplatz mit dem erhaltenswerten Firmenhauptgebäude, der als Schnittstelle bzw. Gelenk die bestehende und die neue Bebauung miteinander verknüpft. Um diesen Platz gruppieren sich sieben Höfe, in denen vor allem private Bauherren einzeln oder in Gruppen unterschiedliche Gebäude von der Stadtvilla über das Reihenhaus bis zum fünfgeschossigen Stadthaus mit Läden und Büroflächen errichteten. Die städtebauliche Grundstruktur ließ kleinteilige und vielfältige, architektonische und funktionale Lösungen entstehen.Aus der historischen Situation heraus wurden die Identität des Ortes in die städtebauliche Neuordnung transferiert und die denkmalgeschützten Architekturbausteine in einen neuen räumlichen Kontext eingebunden. Indem Blick- und Wegebezüge im neuen Quartier aufgenommen wurden, gelang es, Lustnau stadträumlich an den Neckar heranzuführen und diesen in ein städtebauliches Gesamtkonzept zu integrieren. Während um den zentralen Egeriaplatz die geschlossenen Blöcke viergeschossig ausgebildet sind, wird die Struktur zur Bestandsbebauung durch dreigeschossige Einzelgebäude aufgebrochen. Im Süden öffnen sich die Höfe zum Neckar.
Die Bereiche, die wegen Altlasten oder aus Gründen des Hochwasserschutzes nicht überbaut werden konnten, ließen großzügige Grün- und Freizeitflächen im direkten Wohnumfeld und am Neckar entstehen. Die Hofstrukturen mit ihren vielerorts aus Hochwassergründen erhöhten Vorzonen definieren klar den öffentlichen Raum und gewährleisten gleichzeitig ein hohes Maß an Privatheit im städtischen Raum. Die Innenhöfe wurden gemeinsam von den Bewohnern eines Blockes gestaltet und entwickelten sich schnell zu lebendigen Kommunikations- und Aufenthaltsorten. Über den öffentlichen Raum in Form von Plätzen, verkehrsberuhigten Wohnstraßen und Grünflächen vernetzen sich die einzelnen Bebauungsbereiche zu einem Gesamtgefüge.
Grundstücksvergabe Die WIT vergab die Grundstücke in einem sog. "Wettbewerb der Ideen" zum großen Teil an Baugruppen und private Einzelbauherren. Da die Grundstücke zu Fixpreisen veräußert wurden und die Nachfrage in Tübingen das Angebot übersteigt, war die Qualität des einzelnen Projekts entscheidend für eine Grundstücksoption. Eine Vergabekommission wählte 2011 die Projekte danach aus, welchen Mehrwert das einzelne Projekt für das Quartier mit sich bringt (z.B. soziale Einrichtung, Gewerbenutzung). Im Sommer 2012 startete das erste Bauvorhaben, seit Juli 2013 füllt sich das Quartier mit Leben.
Infrastruktur2011 begannen die umfangreichen Erschließungsarbeiten, die Ende 2015 abgeschlossen wurden. Frühzeitig wurde ein innovatives Energiekonzept erarbeitet, das die Wärme der nahe gelegenen Kläranlage für die Fernwärme nutzt. An zentraler Stelle entstand in Kooperation mit der KBF ein Kinderhaus, in dem Kinder mit und ohne Behinderung voneinander lernen. In vielen Erdgeschossen sind unterschiedliche Nutzungen entstanden, die das Quartier beleben: z.B. das Projekt "viertel vor" als Raum für Verwirklichung vielfältiger Ideen (Café, Laden, etc.), Praxen, kleine Läden etc. Nachdem die Ansiedlung eines Nahversorgers trotz großer Anstrengungen nicht gelang, hat die private Initiative "Lustnauer Nahversorger (LuNa)" den Genossenschaftsladen "Carré Markt" aufgebaut, der in einem Testlauf versucht, die noch erforderlichen Genossenschaftsanteile zu organisieren.
BeteiligungUm sowohl den Bewohnern in der Umgebung als auch den Zuziehenden Möglichkeiten zur Mitwirkung zu geben, wurden verschiedene Formen der Bürgerbeteiligung eingerichtet. Bereits im Jahr 2008 gründete die Stadtverwaltung den "Runden Tisch Lustnau", der in den städtebaulichen Wettbewerb und in die Entwicklung des Quartiers eingebunden wurde. Um die neuen Bewohner untereinander zu vernetzen, wurde das "Forum Alte Weberei" aufgebaut. Dabei handelt es sich um einen losen Zusammenschluss von Bewohnern, der z.B. als Interessensvertretung mit der Stadtverwaltung über verschiedene Themen diskutiert.
Die große Vielfalt an Projekten unterschiedlicher Bauherren ließ ein lebendiges, sozial wie funktional gemischtes Quartier für Wohnen, Arbeiten und Freizeit entstehen, das einen wichtigen Beitrag zur Innenentwicklung leistet. Baukultur in der Alten Weberei geht damit über einzelne Gebäude hinaus; vielmehr ist es ein Zusammenspiel von Beteiligungs- und Städtebaukultur in Verbindung mit einer aktiven Bodenpolitik.
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.
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