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Die im Frühjahr 2019 neu formierte Strategiegruppe Wohnen hat es sich zum Ziel gesetzt, die wichtigsten Herausforderungen im Wohnungsbau konzeptionell herauszuarbeiten und berufspolitisch nutzbare Positionen zu formulieren. Mit dieser Zielsetzung befasste sich die Strategiegruppe jüngst mit dem Thema barrierefreier Wohnungsbau.
Barrierefreiheit betrifft natürlich nicht nur den Wohnungsbau, aber gerade barrierefreie, bzw. in irgendeiner Form barrierereduzierte Wohnungen gewinnen aktuell erheblich an Bedeutung: Durch die zunehmende Alterung der Bevölkerung entsteht ein stark wachsender Bedarf an barrierefreien bzw. altersgerechten Wohnungen. In Baden-Württemberg ist derzeit schon jede fünfte Person 65 Jahre oder älter und die Prognosen gehen davon aus, dass im Jahr 2060 sogar fast jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein wird. In den nächsten 30 Jahren wird sich die Zahl der Hochbetagten in Baden-Württemberg auf über 730.000 mehr als verdoppeln. Gleichzeitig wird auch der Anteil derer wachsen, die zu Hause gepflegt werden.In der Landesbauordnung BW wurden die verpflichtenden Anforderungen an Barrierefreiheit für Wohnungsbauten in den letzten Jahren zwar Schritt für Schritt auf eine sich ändernde Nachfrage angepasst, insgesamt aber nur relativ gering erhöht. Forderte die LBO 2004 barrierefrei zugängliche Wohneinheiten in Wohngebäuden mit mehr als sechs Wohneinheiten, so wurde mit der LBO 2009 die Schwelle auf Wohngebäuden mit mehr als vier Wohneinheiten und mit LBO 2014 auf Wohngebäuden mit mehr als zwei Wohneinheiten gesenkt. Die LBO Novelle 2019 erweiterte die Anforderung nicht unerheblich, indem sie in § 35 Abs. 1 LBO den Begriff "Wohngebäude" durch "Gebäude" ersetzt. Damit fallen nun nicht mehr nur reine Wohngebäude, sondern auch Gebäude mit Mischnutzung mit mehr als zwei Wohneinheiten unter die Anwendungspflicht. Das Schlupfloch, durch das die Pflicht zum Bau barrierefreier Wohnungen umgangen werden konnte, indem im Erdgeschoss beispielsweise kleinerer Einzelhandel geplant wurde, ist damit geschlossen worden. Konkret hat die Strategiegruppe folgende Punkte hervorgehoben: Unklar bleibt der gegenwärtige Bestand an barrierefreiem Wohnraum. Die Prognos-Studie "Wohnraumbedarf in Baden-Württemberg 2017" und auch der Mikrozensus 2018 des Statistischen Bundesamts lassen zwar Rückschlüsse zu, es fehlt aber eine verlässliche Statistik zum tatsächlichen jährlichen Neu- und Umbau von barrierefrei zugänglichen Wohnungen entsprechend der LBO. Eine genaue Erfassung wäre für die Bedarfsabschätzung sehr sinnvoll und scheint über Erhebungsbögen leicht zu realisieren. Regelmäßig kritisieren Architektinnen und Architekten, Planende und Baubeteiligte die schwere Verständlichkeit der Vorgaben der LBO, die fragwürdige Vermischung der Barrierefrei-Standards und die widersprüchlichen Anforderungen an die Türschwellen bei Terrassen- oder Balkonzugängen. Daneben führt auch die sehr unterschiedliche Auslegung der LBO durch die verschiedenen Baubehörden immer wieder zu Problemen bei der Planung. Hier müssen einheitliche Vorgaben geschaffen werden - eine Koordination der Baudezernenten untereinander könnte hier helfen. Was kann der Berufsstand tun?Planende und Bauherren wünschen insgesamt eine Vereinfachung der Vorgaben. Rollstuhlgerechtigkeit ist aus der praktischen Erfahrung in den allermeisten Fällen gar nicht notwendig. Die meisten Bewohner kommen mit dem niedrigeren Standard der DIN 18040-2 zurecht und brauchen eher noch individuelle Anpassungen wie zusätzliche Haltegriffe. Bei barrierereduzierendem Umbau sollte so viel wie möglich getan werden, allerdings mit Augenmaß und Blick auf die Verhältnismäßigkeit. Aus der Erfahrung verschiedener Wohnbaugesellschaften sind hier die Barrierefreiheit des Gebäudezugangs (Rampen, Bewegungsflächen, Orientierungshilfen, beidseitige Treppenhandläufe) und des Bads (bodengleiche Dusche) besonders wichtig. Daneben wird auch in Umbauten ein möglichst barrierefreier Zugang zum Freisitz (max. Schwelle 1,5-2 cm) dringend empfohlen. Aus der Praxiserfahrung hat die Strategiegruppe Wohnen Empfehlungen unabhängig von den verpflichtenden Mindestanforderungen der LBO gesammelt. Zukunftsweisend ist beispielsweise das Konzept, in neuen Geschosswohnungsbauten, die unter die Aufzugspflicht fallen, nicht nur die Wohnungen eines Geschosses, sondern grundsätzlich alle Wohneinheiten barrierereduziert zu planen. Mit einem ohnehin vorhandenen Aufzug ist die barrierefreie Zugänglichkeit aller Wohnungen gewährleistet. Bei Bestandsgebäuden hat sich bewährt, im EG bodengleiche Duschen einzubauen, da dies technisch leichter umsetzbar ist als in den Obergeschossen.
Das Kompetenzteam „Wohnen, Quartier, Daseinsvorsorge“ beschäftigt sich mit Fragen der Regulatorik, Förderung und der Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von Wohnraum.