Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Traditionell trifft sich der Landesvorstand am Anfang des Jahres zu einer zweitägigen Klausur. Gemäß dem Auftrag der Landesvertreterversammlung (LVV) 2011 hat er diesmal die Weichen für die Weiterentwicklung zweier berufspolitischer Schlüsselthemen gestellt:
Im November hatte die Präsidentin der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen, Barbara Ettinger-Brinckmann, die baden-württembergischen Landesvertreter über eine Qualitätsoffensive in ihrem Bundesland informiert (s. DAB 01|2012). Dort prüft die Architektenkammer die Weiterbildungsintensität ihrer Mitglieder. Denn nur wer planerisch, technisch und wirtschaftlich auf der Höhe der Zeit bleibe, könne seiner Verantwortung gegenüber dem Bauherrn und der Gesellschaft gerecht werden.
Zwar sehen die Berufsordnungen aller Architektenkammern eine Weiterbildungspflicht vor. Aber nur in fünf Bundesländern wird nach dem Willen der jeweiligen Vertreterversammlung deren Erfüllung untersucht.
Unsere LVV hat den Vorstand ebenfalls aufgefordert, das Thema Weiterbildungsordnung weiter zu verfolgen. Nach intensiver Diskussion setzt dieser zunächst auf freiwillige Anreize für eine Qualitätssicherung durch Weiterbildung: Den Mitgliedern soll die Möglichkeit eröffnet werden, auf einem online-Konto ihre Weiterbildung zu dokumentieren. Die so erworbenen „Weiterbildungspunkte“ könnten dann durch ein Kammerzertifikat oder durch entsprechende Hinweise in der Architektenliste als Qualitätsnachweis eines Architekturbüros ausgewiesen werden.
Wie positionieren sich Architektinnen und Architekten am Markt? Ist die starre Eintragung als "frei" oder "baugewerblich" eine Voraussetzung oder vielmehr ein Hindernis für die Rückgewinnung verloren gegangener Marktanteile? (s. DAB 01|2012 und 02|2012).
Die berufsrechtlichen Regelungen sind in den Architektengesetzen nicht einheitlich. So kennt Bayern zwar die Tätigkeitsart "frei" als Eintrag in der Architektenliste, nicht aber die Berufsbezeichnung "freier Architekt". D.h. in Bayern gibt es in der Außendarstellung nur "Architekten". Nordrhein-Westfalen, das Bundesland mit den meisten Architekten in Deutschland, trägt seine Mitglieder nur als "freischaffend" oder "angestellt/beamtet" ein. Eine Unterscheidung in "frei" oder "baugewerblich" ist dort unbekannt. Auch im Ausland sind die Regularien sehr unterschiedlich: In Österreich darf der Architekt nur treuhänderisch, d.h. nicht baugewerblich tätig sein. In der Schweiz hingegen ist eine Unterscheidung zwischen "frei" und "baugewerblich" unbekannt, für den Architekten bestehen somit keine Einschränkungen.
Freie Architektinnen und Architekten in Baden- Württemberg dürfen sich nicht baugewerblich betätigen. Sie dürfen nicht einmal den Eindruck erwecken, als ob sie sich baugewerblich betätigen würden. Letzteres war zum Beispiel beim Bauen mit Baugruppen schon der Grund für berufsgerichtliche Verurteilungen von freien Architekten.
Baugewerblich tätige Architekten dürfen hingegen zum einen alles, was freie Architekten dürfen (also auch an Wettbewerben teilnehmen). In einem "treuhänderischen" Auftragsverhältnis gelten für sie die gleichen Berufsordnungspflichten wie für freie Architekten. Zum anderen können baugewerbliche Architekten sich aber auch gewerblich betätigen – als Bauträger, Projektentwickler, Baubetreuer, Bauunternehmer etc. - sie müssen dies nur gegenüber ihrem Bauherrn deutlich erkennbar machen und kommunizieren.
Beide, "freie" und "baugewerbliche" Architekten, sind Angehörige eines freien Berufes. Solange sie treuhänderisch für ihre Bauherren tätig sind, unterliegen beide der HOAI. Und auch die Frage der Gewerbesteuer entscheidet sich nicht aufgrund des Eintrags in der Architektenliste: Denn auch der "Freie" ist gewerbesteuerpflichtig, wenn er für sein Büro die Rechtsform der GmbH wählt. Und den "Baugewerblichen" trifft die Gewerbesteuerpflicht nur im Rahmen seiner gewerblichen Betätigung. Seine treuhänderischen Tätigkeiten werden wie beim freien Architekten besteuert.
Immer mehr freie Architekten sind aufgrund der Wettbewerbs- und Marktsituation gezwungen, Aufträge selbst zu generieren, in Vorleistung zu gehen, Projektskizzen zu erarbeiten, Bauherren aktiv anzusprechen. Die Grenze zur baugewerblichen Betätigung ist dabei schnell überschritten. Diese Freiheit haben freie Architekten aber nicht. Es droht eine Verurteilung durch das Berufsgericht. Die Umtragung zum "Baugewerblichen" wäre eine Lösung. Aber im deutschen Südwesten hängen viele Mitglieder an der Tradition des Titels "freier Architekt". Im Zweifel wird lieber der Konflikt mit dem Berufsgericht in Kauf genommen.
Vor diesem Hintergrund erörterte der Vorstand: Soll bzw. kann der "Freie" von diesen Restriktionen befreit werden? Wäre es denkbar, gleichzeitig "frei" und "baugewerblich" zu sein je nach individuellem Auftragsverhältnis? Oder soll das Schubladendenken in die Tätigkeitsarten "angestellt", "beamtet", "frei", "baugewerblich" gänzlich aufgegeben werden? Es gäbe dann nur noch die Marke "Architekt".
Die Diskussion ist eröffnet – im Vorstand, in der Landesvertreterversammlung und in den Kammergruppen. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse. Aber keine Sorge, gut Ding will Weile haben. Es gibt keinen Anlass für vorschnelle Entscheidungen.
Kurzbericht zur Tagung des Architektenparlaments am 25. und 26. November 2011 im CongressCentrum Pforzheim.Zum Download: Reden sowie der ausführliche LVV-Bericht als Auszug aus dem Deutschen Architektenblatt 01.2012, Regionalteil Baden-Württemberg
Tel: 0711 / 2196-110
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