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Mit Prof. Tobias Wulf war am 6. Juli in Ravensburg einer der renommiertesten Architekten Deutschlands zu Gast. Seinen Werkbericht nannte er "Baukultur im Nahkampf". Anhand der gewählten Beispiele gelang es ihm, diesen Nahkampf plastisch zu machen. Denn, so Wulf: "Ein Architekt muss kämpferisch veranlagt sein, und seine Waffe ist die Kreativität." Gut 100 Interessierte konnte Frieder Wurm als Vorsitzender der Kammergruppe Ravensburg in der Architektenkammer Baden-Württemberg begrüßen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Hans-Jürgen Eichhorn hatte er den Abend im Ravensburger Schwörsaal organisiert. Eichhorn schätzt das Wirken des Stuttgarter Büros von Tobias Wulf seit Jahren. Er wies in seinen einführenden Worten auf eines seiner bekanntesten Projekte hin, die Messe Stuttgart von 2007: "Das Parkhaus über die Autobahn zu bauen, das ist wirklich eine geniale Lösung." Den Ball nahm Wulf gerne auf und verwies in Sachen Genialität und Kreativität auf das Motto des Abends "Baukultur im Nahkampf": Ein Architekt müsse kämpferisch veranlagt sein, um seine Ideen durchzusetzen. "Man kommt in scheinbar ausweglose Situationen, und mein Ratschlag lautet dann: Die Situation kann immer mit Kreativität gelöst werden." Tobias Wulf (geb. 1956) hat dieser Ansatz seit Gründung seines Büros wulf architekten 1987 in Stuttgart offensichtlich geholfen: So wurde sein 120 Mitarbeiter starkes Büro 2015 mit dem renommierten Hugo-Häring-Landespreis ausgezeichnet, einem Architekturpreis für vorbildliche Bauwerke in Baden-Württemberg. Seit 1991 ist Wulf Professor für Entwerfen und Baukonstruktion an der Hochschule für Technik Stuttgart, und nach wie vor nimmt sein Büro an gut 30 Wettbewerben im Jahr teil. "Wir haben eine eigene Abteilung, die sich um die Wettbewerbe kümmert." Erfolgreich, wie er in seinem Vortrag zeigen konnte. Denn aus den Wettbewerbsgewinnen gingen zahlreiche hochrangige Bauten hervor - in ganz Deutschland und darüber hinaus. Zu den Schlüsselwerken zählen die mehrfach ausgezeichneten Projekte adidas Factory Outlet in Herzogenaurach (2003), die Messe Stuttgart (2007) sowie das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen auf dem Campus des Universitätsklinikums in Bonn (2017). Zur Zeit baut wulf architekten so unterschiedliche Projekte wie die Deutsche Botschaft in Tiflis (bis 2019), die Christuskirche in Sandhausen (bis 2019) und das Gefängnis Altstätten bei St. Gallen in der Schweiz (bis 2021). "Wir machen große und kleine Projekte und haben es dabei immer vermieden, uns zu spezialisieren. Es tut gut, immer neue Schwerpunkte zu setzen. Dabei ist jeder Bau zwar ein Zweckbau, aber er kann auch mehr." Das Erreichen des "Mehr" führt Wulf darauf zurück, dass man sich als Architekt keinen vermeintlichen Sachzwängen unterwerfen sollte. "Ich habe im ersten Semester in Entwurfstheorie gelernt, dass es keine Sachzwänge gebe. Das stimmt so natürlich nicht, aber es hilft einem, so zu denken." Denn wenn es im Projekt nicht weitergehe, sollte man diese Zwänge ignorieren, "und plötzlich kommt Sinn hinein." Dieser alltägliche "Nahkampf" ist für Wulf ein Indikator für missverstandene Planungskultur, die zuweilen im Widerspruch zu den offiziell verbreiteten Zielen der Baukultur steht. "Und wir alle wissen, wie schwer es ist, Bauherren vom richtigen Weg zu überzeugen." Doch man dürfe als Architekt den eingeschlagenen Weg nicht verlassen und müsse den Nahkampf wagen. Auch, wenn es wehtue: "Ich habe im Rahmen des Ausbaus der ehemaligen Ordensburg in Sonthofen einen Brief an die Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geschrieben." Die Bundeswehr baut in der ehemaligen Adolf-Hitler-Schule zur Ausbildung von nationalsozialistischen Parteikadern ein Ausbildungszentrum für 400 Leute auf. "Wir müssen hier bei jedem Gebäude nachweisen, dass es nicht günstiger geht - bei einem Betrachtungszeitraum von 50 Jahren. Dabei ist es an uns, den Bauherren, immerhin die Bundesrepublik Deutschland, zu überzeugen, dass der Bau etwas besonderes ist. Mit dem Brief habe ich alle Hierarchien übergangen und musste mich schließlich vor dem Staatssekretär rechtfertigen. Aber davor darf man eben keine Angst haben."
Dipl.-Ing. Frieder WurmFreier Architekt