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René Pier ist Vertreter der Fachrichtung Innenarchitektur im AKBW-Landesvorstand. Mit Gabriele Renz sprach er über Konsequenzen aus der Pandemie und Chancen durch neue Akzeptanz der Digitalisierung.
Herr Pier, Sie und Ihr Innenarchitektur-Büro erleben Corona als Chance?Zur Grundphilosophie unseres Büros gehörteimmer schon zu fragen: Was ist wirklich nötig? Und jetzt gibt es diesen gesamtgesellschaftlichen, wenn nicht globalen Reset, wo alles auf dem Prüfstand steht. Es wird neu nachgedacht über Festgefahrenes. Das ist positiv. Das zweite ist der Kaltstart in die digitalisierte Welt. Wenn ich überlege, wie viele Reisen ich in fast 30 Jahren gemacht habe und wieviel man hätte erledigen können durch eine Video-Konferenz. Aber diese digitale Erfahrung war nicht etabliert. Auch das hat sich geändert. Ich habe vor kurzem vor der Global Wellness Conference vor rund 500 Teilnehmern referiert und habe mich danach wie selbstverständlich mit einzelnen zu Zweiergesprächen face-to-face verabredet – ohne fliegen zu müssen. Die durch Corona uns aufgenötigte Fähigkeit zur Hybridisierung, sie entpuppt sich gerade als große Chance. Netzwerken, das persönliche Gespräch, physische Kontakte bleiben wichtig, aber dieses soziale Miteinander bekommt eine neue, intensivere Qualität, genauso, wie die Konferenzformate intensiver werden dürften.
Die Innenarchitektur ist, wie die BAK-Umfrage ergab, besonders von Projektstornierung oder -verschiebung betroffen. Wie wappnet man sich besser: Netzwerke oder Nischen oder beides?Diejenigen in der Innenarchitektenschaft, die nah an privaten Bauherren waren, konnten diese Beziehung auch im Homeoffice halten. Bei den Büros, die auf Shop oder Event spezialisiert sind, machte es einen Unterschied, ob sie im Portfolio auch beispielweise mediale Komponenten hatten. Damit konnten sie ihre Kompetenzen besser shiften und insgesamt leichter reagieren auf die Krise. Nicht Spezialisierung ist ein Mittel zur Resilienz, sondern Flexibilisierung. Das ist keine Frage der Bürogröße, sondern der eigenen Flexibilität.
Was bedeutet das? Verschiedene Dienstleistungen? Oder ein anderes Verständnisvon Gestalten insgesamt?Wir als Büro erleben doch, dass es einen Unterschied macht, ob wir in Polynesien, in Mecklenburg-Vorpommern oder Baden-Württemberg arbeiten, selbst wenn es dieselben Themen sind. Spezialisieren ist gut, aber es geht um das ganzheitliche Denken. Wir müssen auch Praxen oder Schulen planen können. Es geht immer um Räume, die bestimmte Atmosphären, bestimmte Wirkungen schaffen: Beim Zahnarzt muss der Raum Angst abbauenund beruhigen – das ist von der Grundintention ähnlich wie Wellness oder Spa. Oder in der Schule eine Lernatmosphäre in der digitalisierten Welt herstellen. Alibaba-Chef Jack Ma sagt: "In sehr kurzer Zeit werden die Maschinen besser sein als Menschen, wenn wir nicht aufpassen." Das heißt übersetzt, wir müssen die menschlichen Qualitäten herausstellen: Mitgefühl, Empathie, Teamarbeit, das ist das, was Maschinen nicht können. Kreativität entsteht durch Miteinander. Also muss unsere (Über-)Planung von Schulgebäuden darauf Antworten geben.
Gilt das auch für die Planungsbranche?Das gilt für alle Bereiche aus meiner Sicht: Wir müssen gemeinsam agieren – die Hochbau-, Innen-, Landschaftsarchitekten und die Stadtplaner, alle zusammen. Deshalb bin ich im Vorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg aktiv. Auch in den Kammer-Strategiegruppen agieren wir gemeinsam. Dort geht es um Sachthemen wie Klima und Nachhaltigkeit oder um neue Arbeitswelten. Alle speisen ihre Perspektive ein. Und mehr noch: Wir müssen uns über die reine Fachkompetenz und die reine Planung hinaus viel mehr mit gesellschaftlichen Themen, mit Medizin und den Naturwissenschaften auseinandersetzen, um ein transdisziplinäres Fundament für unsere Arbeit zu schaffen. Dann bekommen wir gesellschaftliche Relevanz. Unsere Botschaft und unser Selbstverständnis müssen lauten: Wir sind diejenigen, die Dinge zusammenbringen, die (bisher) nicht zusammen gedacht werden.
René Pier aus Stuttgart vertritt seit 2019 die Fachrichtung Innenarchitektur im Landesvorstand.innenarchitektur spamgeschützt @ spamgeschützt akbw.de