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Zum Gewerbeflächendialog lud die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart zusammen mit der Architektenkammer im Juli 2018 ein. „Beim Wohnungsbau wird auf Flächen-Sparen geachtet, während es beim Gewerbe bisher nur ein Randthema ist“, gab Thomas S. Bopp, Vorsitzender des Verbands Region Stuttgart bei seiner Begrüßung zu bedenken. Besonders auch in Hinblick auf die IBA 2027 schenkte er dem flächensparenden Bauen große Beachtung.
Professor Dr. Christian Stoy, Institut für Bauökonomie der Universität Stuttgart, führte in das Thema Gewerbebau mit interessanten Aspekten und visionärer Sicht ein. Zunächst aber benannte er ein großes Defizit: Gewerbe- und Industriebauten machen in Deutschland ein Drittel der Gebäude aus. In den Architekturfakultäten gäbe es derzeit keinen Lehrstuhl für diesen Bereich, obwohl auch im Gewerbegebiet die Architektur und Gestaltung nicht vergessen werden dürfe. Im Jahr 2016 hat deshalb IREM Industrial Real Estate Management den Industriebaupreis ins Leben gerufen und heuer zum zweiten Mal an herausragende Projekte vergeben. Damit soll ein breites Publikum für gute Industrie- und Gewerbebauarchitektur begeistert werden.
Die Region Stuttgart sei bisher in Bezug auf Gewerbe erfolgreich. Prof. Stoy sieht aber enorme Herausforderungen in der Zukunft: beispielsweise gesamtgesellschaftliche Veränderungen, wie der demographische Wandel, und neue Aspekte bei der Mitarbeitergewinnung, technische Veränderungen, wie künstliche Intelligenz und Digitalisierung, und wirtschaftliche Veränderungen, wie Globalisierung, neue Mobilitätskonzepte, Logistikumgestaltung sowie Flächenknappheit.
Firmen werden sich darauf einstellen müssen, dass sich interne Prozesse verändern werden, gab er zu bedenken. Da Unternehmen nicht beständig neu bauen, machen Planungs- und Baukosten nur zwei bis drei Prozent der Gesamtkosten aus. Die Architektur der Gebäude hingegen beeinflussen 98 Prozent der Gesamtkosten, wie Betriebskosten, Personalkosten usw., die durch eine falsche bzw. fehlgeleitete Planung entstehen können. Aus diesem Grund ist es wichtig im Vorfeld bei der Planung gut zu überlegen, ob eine zwei- oder mehrgeschossige Bauweise für das Unternehmen in Frage kommt, da nicht jeder Produktionsprozess sich dafür eignet. Ein Grund, weshalb bisher so wenig in die Höhe gebaut wurde. Hinzu kommt, dass die Grundstücke in Gewerbegebieten deutlich günstiger sind als andere kommunale Flächen. Wird Fläche als Ressource betrachtet, erhalten die Aspekte Flexibilität, Erweiterbarkeit und Zukunftsfähigkeit einen anderen Stellenwert.
In der ersten Werkstattrunde wurden Praxisbeispiele beleuchtet. Peter Zimmermann, Leiter der August Mink KG, dem Weltmarktführer für technische Bürsten in Göppingen, berichtete vom Erwerb eines kleinen Grundstücks, das immerhin eine zusammenhängende Erweiterung mit dem Firmenbestand zuließ. Zum ersten Mal war Zweigeschossigkeit ein Thema, allerdings war für seine geplante Nutzung eine Mindestgeschosshöhe von sieben Metern erforderlich. Der B-Plan ließ aber nur eine maximale Gebäudehöhe von zwölf Metern zu. Zum Glück gab das Baurechtsamt zusammen mit den Nachbarn grünes Licht für die erforderliche Höhe von 14 Metern. Nachteilig bei diesem Projekt war die Investition eines gewichtigen Lastenaufzugs, einer zusätzlichen Toröffnung im 1. OG für das Einbringen größerer Maschinen und eine aufwendigere Logistik vom 1. OG auf die untere Ebene. Nicht jede Produktion eigne sich für Doppelgeschossigkeit, gab Peter Zimmermann zu bedenken. Dennoch, nach einem Jahr Erfahrung im Gebäude ist er immer noch davon überzeugt.
Der Architekt Michael Mann berichtete vom Gebäude AIZ/RZ für die Daimler AG in Sindelfingen, das beim Industriebaupreis 2018 eine Anerkennung bekommen hat. Die Planung des Gebäudes stellte einen Spagat dar, da zwei unterschiedliche Nutzungen, ein Antriebsintegrationszentrum AIZ mit einem Rechenzentrum, in einem Gebäude vereint werden sollten. Die Motivation den Flächenverbrauch zu begrenzen und der Wunsch beide Nutzungen in Stadtnähe unterzubringen waren die Antreiber für das Projekt. Die unterschiedlichen Anforderungen an das AIZ, insbesondere an die Prüfstände, ein Hochregallager für 80 bis 90 Fahrzeuge, Sonderbereiche mit Tiefsttemperaturen von minus 30° C und auf der anderen Seite das Rechenzentrum mit eigenen Rahmenbedingungen brachten die Architekten und Ingenieure von ATP unter einen Hut, indem sie die Nutzungen stapelten und eine einheitliche Fassadenhülle als homogenes Erscheinungsbild wählten. Abstimmungen zum Brandschutz und zu den Schallemissionen waren dadurch erschwert, dass zwei unterschiedliche Planungsteams auf der Bauherrenseite das Projekt begleiteten. Aber die Herausforderung, diese unterschiedlichen Bereiche erfolgreich zu vereinen, sei mit Spaß gelungen.
Philipp Späth von der Drees & Sommer AG brachte einen anderen Blickwinkel ein: Beratung, Entwicklung der TGA-Planung sowie der Prozess- und Anlageplanung hält er für besonders wichtig. Insbesondere bei Neubauten sei in den frühen Phasen der Planung ein integrativer Prozess sehr wertvoll, um die notwendigen Anforderungen von Anfang an abzustimmen. Darin sieht er eine wichtige Stellschraube, um steigende Baukosten durch spätere Umplanung zu vermeiden. Ebenso könne bei Erweiterungen zu Beginn der Planung eine strukturierte Herangehensweise mit Überlegungen zur Optimierung, Simulation der Prozesse von Herstellung bis Logistik, Grundrisse verbessern und bis zu 20 Prozent der Flächen einsparen.
Die zweite Werkstattrunde widmete sich der baurechtlichen und planerischen Sicht auf das Thema. Aus der Schweiz brachte Dr. Thomas Gfeller interessante Aspekte mit. In den 1930er Jahren war die Stadt Biel krisengeschüttelt. Ein Drittel der Arbeitsplätze, die vorwiegend in der Uhrenindustrie angesiedelt waren, ging verloren. Mit dem Bewusstsein, dass sich Wohlstand nicht von selber einstellt, begann die Stadt Landpolitik zu betreiben. Dafür kaufte sie Grundstücke auf, setze Entwicklungsschwerpunkte, arrondierte Gebiete und machte die Flächen baureif. In Zeiten knapper Finanzen verkauft die Stadt Grundstücke und kann ihren Haushalt sanieren, behält sich aber die planungsrechtliche Hoheit, um die Stadt sinnvoll weiterzuentwickeln. Häufig wird der Verkauf von Flächen daher an bestimmte Bedingungen/Konzepte, Rückkaufsrecht der Stadt sowie Bauverpflichtung innerhalb eines Zeitraums gekoppelt. Somit wird einem spekulativen Druck der Wind aus den Segeln genommen. Die Stadt Biel hält an diesem Konzept immer noch fest und steuert damit erfolgreich Entwicklungen.
Baubürgermeisterin Beatrice Soltys aus Fellbach knüpfte an ihren Vorredner an: „Wir sind „leider“ zu satt. In der Region müsste etwas passieren – aber ohne erkennbare Krise wird sich nichts ändern.“ Anders als in Biel betreibe Fellbach keine aktive Grundstückspolitik und momentan sei es schwierig an Grundstücke heranzukommen. Durch die Realteilung in Baden-Württemberg gäbe es meist viele Eigentümer oder Erbengemeinschaften, die alle ein Wort mitreden möchten. Dennoch sollten sich Kommunen zusammen mit dem Gemeinderat Konzepte zulegen, in welche Richtung sie sich entwickeln möchten. Ein Bewusstsein zum Flächensparen fehle oft bei Firmen. Kommunen könnten Weichen stellen und die Themen Gewerbegebiet mit Infrastruktur, Begrünung, Mobilität, Sport, Gastronomie, Stellplatzverzicht (bei guter Anbindung an den ÖPNV) zusammendenken und entwickeln, um Arbeitsstandorte attraktiver zu machen. Auch bei Bestandsgebieten empfiehlt die Baubürgermeisterin Strategien zu entwickeln, um Nachnutzungen von Immobilien aktiv zu steuern.
Manfred Mezger aus Bad Boll bekräftigte auch noch einmal, dass eine gezielte Bodenpolitik ein Schlüssel zum Erfolg ist. Eine wesentliche Aufgabe der kommunalen Planung sei es, nicht nur in den Ballungsgebieten den ständig wachsenden Flächenbedarf von Gewerbebetrieben zu decken und gleichzeitig mit dem wertvollen Gut Boden möglichst effizient und schonend umzugehen. Flächeneinsparpotentiale sah Mezger bei der Straßen-, Gehweg- und Stellplatzplanung im Gewerbegebiet durch einseitiges Weglassen von wenig frequentierten Gehwegen oder Festlegung im B-Plan die Parkierung zum Beispiel nur in Tiefgeschossen zuzulassen. Durch eine andere Preispolitik für Gewerbeflächen könnte zudem ein Bewusstsein zum Flächensparen geschaffen werden. Bisher sei Gewerbebauland im Verhältnis zu Wohnbauland deutlich günstiger. Der Preis führe allzu oft dazu, dass Flächen nicht effektiv genutzt werden.
In den von Carmen Mundorff moderierten Diskussionsrunden hat sich herauskristallisiert, dass das Thema nicht isoliert, sondern gesamtgesellschaftlich zu sehen ist und noch mehr ins Bewusstsein gerückt werden muss. Es braucht Strategien, gute Analysen und Planung mit kreativen Lösungen, gekoppelt mit politischem Rückgrat, um Entscheidungen durchzusetzen.