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Blaupause
Roman von Theresia Enzensberger, Carl Hanser Verlag, 134 x 208 mm, 256 Seiten, gebundene Ausgabe, ISBN 978-3-446-25763-4, 22 Euro
Luise ist Tochter eines reichen Berliner Unternehmers. Doch anders als es die Gesellschaft der 1920er Jahren für solche Damen vorsieht, strebt sie nach Selbstständigkeit und einem eigenen Beruf: Architektin will sie werden. Am Bauhaus in Weimar besucht sie zunächst einen Vorkurs, geleitet vom Meister Johannes Itten. Zur Gefolgschaft des Naturmystikers gehört ein engelsgleicher Jüngling, in den sich die Studienanfängerin prompt verliebt. Jakobs Freunde werden auch ihre. In ein Mönchsgewand gekleidet, schließt sich Luise, die Bewegung an der frischen Luft nicht leiden kann, den obligatorischen Wanderungen an, steht im Morgengrauen auf und trinkt bitteren Tee.
Entlang dreier Beziehungen lässt Theresia Enzensberger ihre Protagonistin bildhafte Ausschnitte der Bauhaus-Welt durchleben, in der auch Walter Gropius und Hannes Meyer, Paul Klee und László Moholy-Nagy zum festen Personal gehören. Ob als Liebhaber oder als Freund: bei aller erstrebten Emanzipation sind es drei Männer, die Luises Leben entscheidend prägen - neben Jakob der überzeugte Kommunist Friedrich sowie die schillernde Gestalt Hermann. Letzterer wird zu ihrem Begleiter in Dessau, wo die zweite Romanhälfte spielt. Untergebracht im Prellerhaus, dem Bauhaus-Ateliergebäude, richtet Hermann alkoholselige Partys aus, sieht seine Zukunft in der Reklame und hat keine Probleme mit nationalsozialistischem Gedankengut.
Auch bei der Zuteilung in eine Werkstatt kann Luise nicht verhindern, in der vermeintlich frauengemäßeren Weberei zu landen, für sie "der Inbegriff der Rationalisierung und Technisierung". Wie das Treiben dort konkret aussah, wird dem Leser lebendig vor Augen geführt. Weil sie sich mit ihrer kreativen Ader in der Tischlerei viel besser aufgehoben fühlt, beginnt Luise dort eifrig, jedoch inoffiziell zu arbeiten. Ähnlich steht es mit ihrer Leidenschaft fürs Entwerfen. Das macht sie in der Freizeit, entsprechendes Know-how verschafft sie sich durchs Selbststudium. Die Inhalte des in Dessau neugeschaffenen Studiengangs Baulehre bleiben in der "Blaupause" vage.
Nichts weniger als eine Wohnsiedlung mitten in Berlin ist Fräulein Schillings großes Projekt, über das sie auch mit Gropius Fachgespräche führt. Eindrücklich schildert die Autorin die Begegnung im geruchsbelasteten Dessauer Direktorenzimmer - wer schon einmal dort war, weiß, welche Ausdünstungen der Raum selbst noch nach bald hundert Jahren hat. Bis wohin es die Entwürfe der Protagonistin schließlich schaffen, soll an dieser Stelle nicht verraten sein. Nur so viel: Die ansonsten durchaus glaubhafte Durchdringung von Fiktion und Realität, mit der die Tochter von Hans Magnus Enzensberger in ihrem Debütroman ein buntes zeitgeschichtliches Bild entstehen lässt, treibt zum Ende hin wuchernde Blüten.