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Man ist verleitet erst einmal ein Lobliedauf die Architektur Theodor Fischers zu singen. Im Kontext der vermeintlich konservativen Architektur des frühen 20. Jahrhunderts und als Inspirator für die "Stuttgarter Schule" unter Bonatz und Schmitthenner wurde er nach 1945 lange Zeit missachtet. In Baden-Württemberg ein Hohelied auf die damalige Avantgarde der Ulmer Garnisonskirche, des Stuttgarter Kunstgebäudes oder den Schönbergturm ("Pfullinger Onderhos") zu singen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Wobei man bei Architekten ja manchmal eher Säulen nach Athen tragen müsste ... Aber wir wollen ja ein Buch bewerten, also die Texte, Fotos und Druckqualität.
Rose Hajdu, Dietrich HeißenbüttelErnst Wasmuth Verlag, Tübingen245 x 275 mm, Hardcover208 Seiten mit zahlreichen, durchweg farbigen AufnahmenISBN: 978-3-8030-0795-745 Euro
Auch wenn es ganz offenbar als reines "Publikumsbuch" konzipiert ist, so vermisst man doch hin und wieder einen Grundriss, um darin in Gedanken spazieren gehen zu können, oder einen aussagefähigen Schnitt. Wie ist die innere Wegeführung? Wie beleuchten die Fenster welche Raumbereiche? Wie dick sind überhaupt die Wände?
Die Fotografin Rose Hajdu ist auf Architektur spezialisiert. Allerdings wird bei ihren Bildern deutlich, dass sie, wie viele Fotografen, eine besondere Abneigung gegen fallende Linien hat. So wurden die Bilder nachträglich entzerrt. Das ist schade, denn es verfälscht die Proportionen. Dafür hat Hajdu einen besonderen Blick für Details. So nimmt sie Treppengeländer, Handläufe, Lampen oder Türgriffe in den Fokus. Was sie durch das Heranzoomen geradezu für uns entdeckt: die originellen ovalen Kugeln oder eierförmigen Aufsätze auf den Dachspitzen.
Ist denn jemals einem Architekturkenner aufgefallen, dass Goethes "Stein des guten Glücks" (eine abstrakte Skulptur, die neben seinem Weimarer Gartenhaus steht) von Fischer im Garten des Pfullinger Eulenhofs und im Pausenhof der Stuttgarter Heusteigschule zitiert wurde? Auf den Dachkanten der Schule sind kleine stilisierte Schwäne mit Metallnieten und unnatürlich verdrehten Hälsen platziert. Sie sitzen auf zu großen Eiern – versuchen sie also vergeblich diese auszubrüten? Die Eier wiederum stehen auf ihrem spitzeren Ende in einer Art Eierbecher aus vier von der Form her unbeschreiblichen Zapfen. Unsinnig brütende Schwäne – das ist schon ein recht ironischer Schmuck für eine Schule, die Kinder ausbilden soll ...!
Fischer kopiert Zitate nicht eins zu eins – er variiert sie originell: So flacht er die Kugel auf dem Brunnen der Heusteigschule leicht ab und stellt sie auf einen Sockel, dessen Standfläche dahingegen leicht gewölbt ist. Die scheinbare Instabilität ist also noch prekärer als beim Weimarer Vorbild.
Fischers Werk steht für Rückbesinnung auf traditionelle Form-Einfachheit. Doch bei dieser Einordnung stoßen wir auf ein Manko der bis heute gepflegten Betrachtungsweise. Dass die an den Seiten des Gustav-Siegle-Hauses platzierten zweijochigen (also dreisäuligen) Vorhallen eine unkonventionelle Formerfindung sind, war schon immer klar. Doch Hajdu wirft ein Licht auf Fischers weit umfangreichere und subtile Forminnovationen. Denn auch der nach ihm benannte "Fischerbogen" zeigt, dass Theodor ein ebenso innovativer Erneuerer war. Es ist eine kaum mit Worten beschreibbare steigende und wieder abfallende Wellenform: Ein konvexer Viertelbogen, gefolgt vom aufschwingenden konkaven Bogen, findet in einem konvexen Halbkreis oder eher abgeflachtem Bogensegment seinen Höhepunkt, um dann wieder in umgekehrter Reihenfolge hinabzuführen. Könnte der Architekt oder die Architektin von heute verleitet sein, dieses originelle Motiv wieder aufzugreifen?
Der Blick des Buchs auf Fischers Werk ist bereichernd, regt an, auch auf innovative Impulse seiner vermeintlich konservativen Schüler zu achten. Schließlich galt Fischer als Lehrer einer ganzen Architektengeneration.