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Professor Dr. Dirk Löhr von der Hochschule Trier/Umwelt-Campus Birkenfeld, Referent bei der Online-Veranstaltung „Der Boden als Schlüssel“, im Interview mit AKBW-Pressesprecherin Gabriele Renz
Warum kam die Bodenpolitik als Treiber für Ungerechtigkeiten und Fehlentwicklungen in der Stadtraumplanung so spät in den Fokus der politischen Debatte?
Meine Theorie dazu ist: Wir in Deutschland lebten lange auf einer Insel der Seligen. Im Vergleich zu anderen Ländern hatten wir keine besonders starken Bodenpreissteigerungen. Erst seit der Finanzkrise 2008/09 haben wir erheblichen Druck reinbekommen. Da ist auch ein gewisses Bewusstsein erwacht.
Sind die Instrumente in Deutschland ausreichend scharf?
Nein, das sind sie nicht. Was jetzt durch das Baulandmobilisierungsgesetz angestrebt wird, kann nicht mehr als ein erster Schritt sein. Da müssen weitere folgen. In der Baulandkommission kann man von Einigkeit nicht sprechen. Neben Wissenschaft und Politik trafen hier eigentlich zwei grundverschiedene Positionen aufeinander: Einmal die der Immobilienwirtschaft, zum anderen die der Städte und Gemeinden sowie des Mieterbundes. Letztere haben auf ein schärferes Instrumentarium gedrungen und herausgekommen ist ein Kompromiss.
Der Boden in Städten ist eine Kapitalanlage mit hohen Wertzuwächsen – eine Einladung an Investoren. So sehen die Städte auch oft aus. Wie kam es dazu?
Seit der Finanzkrise und der damit einhergehenden Niedrigzinspolitik gibt es einen Anlagennotstand für Investoren. Sie wissen nicht mehr, wo sie anlegen sollen. Bei Städten wie München, wo sich eine Blase andeutet, darf man getrost bezweifeln, dass es so rosig bleibt. Wenn Investoren in Gewerbeimmobilien gegangen sind, kann auch das böse Erwachen folgen. Anderswo hat man keine zufriedenstellenden Renditen bekommen. Bei Immobilien war das noch der Fall. Der Boom ist in aller Regel aber auf Bodenwertzuwächse zurückzuführen.
Sind Städte manchmal zu blauäugig im Umgang mit Investoren oder woran liegt es?
Die Problematik sehe ich weniger auf der Seite der Städte. Die Kommunalpolitiker wissen sehr gut, wo der Schuh drückt. Auf Bundesebene wird das konkrete Thema in ideologische Grundsatzdebatten überführt, etwa Marktwirtschaft versus gelenkte Wirtschaft. Das ist beim Boden aber die genau falsche Betrachtung, weil der Boden eben eine Sonderrolle in der Marktwirtschaft einnimmt. Es gibt Staaten, die eine ganz andere Bodenpolitik betreiben, ich denke an Singapur, wo 90 Prozent des Bodens dem Staat gehört, oder Hongkong oder Israel.
Nach Deutschland: Wird die derzeitige Konjunktur des Themas anhalten?
Der Anlagenotstand wird bleiben. Es ist anzunehmen, dass sich die Wertzuwächse abflachen. Der Investitionsdruck wird von den A- und B-Städten überschwappen auf die C-Städte. Dafür gibt es erste Anzeichen: Immobilienfonds gehen schon in Städte wie Saarbrücken. Das wird also anhalten, sich aber verlagern. Ob der Druck auf die Bodenpreise nachlässt, hängt auch davon ab, was wir aus den Folgen der Corona-Krise machen. Wenn wir zum Beispiel sehr starke Leerstände in den Städten haben und sie in Wohnraum umnutzen, kann man die Situation durchaus entspannen. Ich gehe aber längerfristig nicht von einer richtigen Trendumkehr aus.
Ob auf EU- oder nationaler Ebene: Neuerdings wird verstärkt über den Gemeinwohlcharakter von Stadträumen gesprochen (Leipzig-Charta, Neues Bauhaus etc.). Deutet das ein Umdenken an?
Das Thema „Gemeinwohlcharakter“ kommt immer stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Dennoch ist es bei den politischen Entscheidungsträgern noch zu wenig verankert. Hier ist noch ein langer Weg zu gehen, zumal von Teilen der Immobilienwirtschaft Widerstand zu erwarten ist.
Sie sprachen auf dem Kongress „Boden als Schlüssel“ der Architektenkammer Baden-Württemberg. Wie können sich Planerinnen und Planer in diesem Spannungsfeld positionieren?
Die bodenpolitische Problematik wurde gerade durch Architektinnen und Architekten aufgenommen. Sie haben außerhalb der Fachcommunity eine gewisse Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeugt, die Ökonomen haben das Thema verschlafen. Nach Corona kommen ganz neue Herausforderungen für die Gestaltung der Innenstädte auf die Kommunen zu. Wird das gut gelöst, könnte es die Situation entspannen. Ich denke, da kann die Architektur viel leisten.
Sie setzten auf den Berufsstand?
Ja, auf jeden Fall. Wer sonst als Architekten und Planer könnten dazu beitragen, dass die Funktionalität der Innenstadt möglicherweise ganz neu definiert wird. Die Entwicklung trifft uns unvorbereitet, die Krise ist aber auch eine Riesenchance. Das bedeutet aber auch „Versuch und Irrtum“; den Stein der Weisen hat hier niemand. Vielleicht ist Diversität – neben dem Boden – der Schlüssel.
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