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Ralf Mika und Jürgen Strolz sind Vizepräsidenten des Architekturhauses Oberrhein, das dieses Jahr zum 20. Mal die trinationalen Architekturtage durchführt. Über ihr Engagement in dem länderübergreifenden Projekt haben sie mit Carmen Mundorff gesprochen.
20 Jahre Architekturtage – Jubiläum in einer sehr speziellen Zeit, doch mit sehr passendem Motto: „Hausgemacht. Fait maison.“ Was erwartet an Architektur Interessierte vom 25. September bis 31. Oktober entlang des Oberrheins?
Ralf Mika: Der Pandemie geschuldet sind in diesem Jahr „nur“ 130 Veranstaltungen geplant. Sonst haben wir immer rund 200 angeboten. Ein Höhepunkt wird am 24. Oktober der Vortrag der mexikanischen Architektin Tatiana Bilbao im Straßburger Theater Le Maillon (Architektur: LAN Architectes), das in Nachbarschaft zum Europäischen Parlament entstanden ist. Bilbaos Architektur spiegelt ins Zeitgenössische übersetzt die Bautraditionen und Baukultur Mexikos wider. Und sie arbeitet an der Schaffung von kostengünstigem Wohnraum, um das Problem des sozialen Wohnungsbaus in ihrem Land zu lösen. Zwei Themen, die auch uns beschäftigen.
Den Abschlussvortrag hält Werner Sobek am 31. Oktober in der Oberrheinhalle in Offenburg. Wer ihn als Referent noch nicht kennt, sollte sich seinen Vortrag über das von ihm entwickelte Nachhaltigkeitskonzept Triple-Zero® nicht entgehen lassen. Üblicherweise kommen zu diesen Veranstaltungen über 1000 Leute – dieses Jahr aber wohl nicht.
Jürgen Strolz: Insgesamt bieten die Architekturtage aber auch 2020 ein breites Spektrum an Vorträgen, Ausstellungen, Führungen, Filmabenden, Architekturspaziergängen und Radtouren, bis hin zu Kanufahrten auf der Île in Straßburg.
Zu einem Jubiläum gehört der Blick zurück: Wie begann alles? Wie und wann kam es zu der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit?
JS: Es begann alles recht seltsam. Die Ingenieurkammer hat um 2003 versucht, mit ihrem elsässischen Pendant etwas auf die Beine zu stellen. Das ist dem damaligen Karlsruher Bezirksvorsitzenden Rudolf Kleine zu Ohren gekommen. Spontan brachte er die Architekten ins Spiel. 2003/2004 gab es dann mehrere Treffen. Da Herr Kleine kein Französisch sprach, hat er mich gebeten, die Architekten dabei zu vertreten. Er hat auch die elsässischen Architektenkollegen ins Boot geholt. Letztlich war es also eine Kammerinitiative und eine glückliche Fügung, dass in Straßburg Jean-Mathieu Collard, der damalige Vorsitzende der elsässischen Architektenkammer, die Idee mitgetragen hat. Später haben sich vor allem Urban Knapp aus Baden-Baden und Pascale Richter aus Straßburg engagiert, die dann 2006 die Leitung der ersten deutschfranzösischen Architekturtage übernommen haben.
RM: Die Elsässer haben wohl schon ab 2000 kleinere Architekturfestivals organisiert, basierend auf den von Jacques Lang als Kulturminister bereits in den 1980er Jahren angestoßenen Initiativen.
Wann kamen die Schweizer dazu?
RM: Das war später und wohl eine Initiative der Südelsässer. Das Schweizer Generalkonsulat in Straßburg hat aber auch immer wieder motiviert und unterstützt.
Wie funktioniert der Verein „Europäisches Architekturhaus – Oberrhein“?
JS: Gegründet wurde der Verein – und das ist auch heute noch seine Struktur – 2005 von der Architektenkammer Baden-Württemberg und vom BDA als einzige deutsche Gründungsmitglieder, und auf elsässischer Seite von der damaligen dortigen Kammer, die es so, der Regionalreform geschuldet, nicht mehr gibt. Dazu gehört auch der Architektenverband UAA (Union des architectes Alsace) sowie die beiden in Straßburg ansässigen Architekturhochschulen I.N.S.A. und ENSAS. Und zu guter Letzt das „Lycée Le Corbusier“ mit Schwerpunkt Bauen. Private Vereinsmitglieder haben wir leider nur wenige.
Das Vereinsziel ist die Baukulturvermittlung?
JS: Auch. Die Franzosen legen großen Wert darauf, dass „le grand public“ erreicht wird.
RM: Auch Städte werden angesprochen, sich mit Projekten zu beteiligen. Jeder, der eine Idee hat, etwas zu zeigen, kann mitmachen. Wichtig und besonders ist aber die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. In Frankreich gibt es viele Architekturhäuser, aber eben nur eins, in dem sich Franzosen mit Deutschen und Schweizern über das Thema Baukultur austauschen – mit all ihren unterschiedlichen Mentalitäten. Das merken wir auch immer wieder in der Vereinsarbeit.
Wie drücken sich die unterschiedlichen Mentalitäten aus?
JS: Typisch deutsch gehen wir alles organisierter an. In Frankreich reden oft alle auf einmal, während wir es gewohnt sind, dass immer nur einer spricht. Ein anderes Beispiel: Sämtliche Sitzungen, egal ob wir in Offenburg tagen oder in Straßburg, finden immer auf Französisch statt. Das wird schon für selbstverständlich gehalten. Und noch ein Beispiel: Wir interessieren uns offensichtlich mehr für das französische Baugeschehen als umgekehrt. Wenn wir Volker Staab als Redner vorschlagen, ernten wir fragende Blicke, denn den kennt man in Frankreich gar nicht. Die deutsche Baukultur hat es von der Bekanntheit noch nicht über den Rhein geschafft. Uns fehlt eine international renommierte Architekturzeitschrift. In französischen Architekturbüros findet man maximal die DETAIL.
Da gibt es also noch Potential. Immerhin war unsere Ausstellung „zeitgemäß. Wohnen in Baden-Württemberg“ im vergangenen Jahr in Straßburg zu sehen.
RM: Die kam auch gut an. Bei der Vernissage waren viele Leute. Ein neues Projekt, was wir gerade im Schwarzwald und in den Vogesen starten, heißt Architekturpfade. Es sollen Karten für Wanderungen und Fahrradtouren zu guten Architekturen entstehen.
Gibt es neben den verschiedenen Mentalitäten auch Unterschiede bei der Berufsausübung?
JS: Das ist ein hochkomplexes Thema. Schon die Ausbildung der Studierenden ist anders, eher verschult. Wenn man französische Architekturzeitschriften aufschlägt, hat dennoch alles einen frischeren Touch. Unsere Nachbarn greifen schneller Strömungen auf, sind etwas mutiger. Aber das hat auch mit den ganzen Haftungsfragen zu tun, denn dort gibt es die Zehn-Jahre-Garantie. Das hört sich einerseits schlimm an, weil die Haftung doppelt so lang ist wie bei uns. Aber andererseits wird, vereinfacht dargestellt, für jedes Projekt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, an der sich alle ausführenden Firmen beteiligen. Aber die Systeme lassen sich nicht so richtig vergleichen.
RM: Wenn ich mit französischen Kollegen rede, höre ich immer: „Ihr in Deutschland bekommt ja viel mehr Honorar als wir.“ Jedes Mal weise ich darauf hin, dass wir in der Regel einen größeren Leistungsumfang beauftragt haben. Die Franzosen geben die Projekte nach der Werkplanung im Maßstab 1:50 ab, dann übernehmen Ingenieure. Bei dem großen Projekt, das wir in Straßburg realisiert haben, hatten wir weder die Terminplanung noch die Baustellenkoordination im Auftrag. Auch die Bauökonomie und die Ausschreibungen wurden vom Ingenieurbüro übernommen. Und es gibt keine HOAI, nur Richtwerte und Anpassungsfaktoren zwischen 0,7 und 1,3. Bei den Bauherren ist aber kaum mehr als der Faktor 0,7 verhandelbar.
Kommen wir zu den Architekturtagen zurück. Wann wurde das Motto „Hausgemacht“ geboren?
RM: Die Idee hatte Michel Zint aus Wissembourg schon vor Corona. „Hausgemacht“ bezieht sich auf das, was das Architekturhaus in den letzten 20 Jahren gemacht hat. „Haus“ steht für seine Bedeutung für Architekten, aber auch für Nicht-Architekten. Ein Motto also, aus dem sich sehr viel „machen“ lässt. Und Corona hat weitere Interpretationsmöglichkeiten geschaffen.
Geht es bei den Architekturtagen neben der Baukulturvermittlung auch um die Vermittlung des Planens und Bauens mit Architekten?
RM: Ja, wir stellen auch die Prozesse vor, zum Beispiel in Mittagsführungen über Baustellen, die wir der Bevölkerung anbieten.
Wisst Ihr, wie hoch der Anteil der interessierten Bürgerschaft bei Veranstaltungen ist?
JS: Bei Vorträgen im Zénith (Architektur: Fuksas) kommen 1.500 bis 2.000 Menschen: Architekten und viele Studierende, aber auch an Kultur interessierte Menschen.
RM: Auch Firmen und Handwerker kommen. Wenn die Presse die Starreferenten ankündigt, notieren sich viele den Termin. Das unterstützt uns sehr bei der Baukulturvermittlung.
Was waren für Euch persönlich Highlights und besondere Momente in den zurückliegenden Architekturtagen?
JS: Für mich war die trinationale Ausstellung ein richtig starkes Projekt. Zu sehen war sie im öffentlichen Raum, in Karlsruhe zum Beispiel vor dem ZKM oder in Kehl auf dem Marktplatz an Bauzäunen. Der Aufwand dazu lässt sich aber nicht jedes Jahr stemmen, denn Auf- und Abbau nebst Transport muss ehrenamtlich geleistet werden. Schön war aber, dass an manchen Orten Büros ihr Objekt der interessierten Öffentlichkeit erläutert haben; manchmal nur vor fünf Leuten, manchmal vor 20. Gut war in jedem Fall, dass an der Ausstellung zwangsläufig viele Menschen vorbeikamen.
RM: Schön finde ich die Fahrradtouren, die sich etabliert haben. Das hat klein angefangen, aber jedes Jahr treffen sich die Leute wieder, verabreden sich schon fürs nächste. In Colmar waren bis zu 150 Radfahrerinnen und Radfahrer unterwegs. Auch kleine, feine Veranstaltungen mit nur zehn Teilnehmernkönnen anregend sein. Vor zwei Jahren haben zum Beispiel in Straßburg Mathematiker eine Vortragsreihe zur Architektur gestaltet. In Colmar hat sich letztes Jahr eine Tanztruppe mit Architektur auseinandergesetzt. Man kommt in Grenzbereiche und das zu entdecken motiviert. Ich bekomme immer wieder Gänsehaut, wenn zu den großen Vorträgen mehr als 1000 Leute kommen. Das ist ein tolles Gefühl, denn man hat es mitorganisiert. Und bereichernd ist, die international bekannten Kollegen persönlich kennenzulernen.
Welche Ämter habt Ihr inne? Was treibt Euch in Eurem Engagement an?
JS: Ich habe mal angefangen als Stellvertreter von Rudolf Kleine für die Architektenkammer. Heute vertrete ich den BDA im Vorstand.
RM: Ich vertrete den Kammerbezirk Südbaden im Vorstand, Hinrich Reyelts Nordbaden. Und wir haben den Titel Vizepräsidenten. Mit unserem Engagement sehen wir uns als kleinen Baustein für den europäischen Gedanken im Alltag und bei der Vermittlung von Baukultur. Der ehemalige Straßburger Bürgermeister Roland Ries hat bei seiner Neujahrsrede in Kehl dieses Jahr nicht vom Rhein als Grenze sondern als Verbindungselement gesprochen. Das entspricht dem, was wir tun, und wir heißen ja auch Architekturhaus Oberrhein. Das Verbindende ist ein wichtiger Aspekt. Und die andere Herangehensweise der Franzosen ist zwar manchmal anstrengend, macht die Vereinsarbeit aber auch spannend.
Nun gibt es in diesem Jahr für die Durchführung von Veranstaltungen strenge Regeln? Wie bereitet Ihr Euch darauf vor?
RM: Wir sind dabei, möglicherweise die Vorträge, zu denen ja nicht mehr so viele kommen können, zu streamen. Schon bislang haben wir die großen Vorträge filmen lassen und besitzen auch einen YouTube-Kanal. Und wir haben die kostenlose App Canalarchi, in der alle Veranstaltungen zu finden sind.
Da bleibt mir nur, Euch und dem Architekturfestival viel Erfolg zu wünschen. Und unseren Leserinnen und Lesern empfehle ich Euer Programm „Fait maison – Hausgemacht“ und die App Canalarchi. Es wäre doch schön, wenn es noch mehr zu grenzüberschreitenden Begegnungen käme – ganz im Sinne des europäischen Gedankens.
sind früher als vorgesehen zu Ende gegangen. Etliche Veranstaltungen mussten Pandemie bedingt abgesagt werden.