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Allen Unkenrufen zum Trotz: Die HOAI gibt es weiterhin, ebenso ihre Honorartabellen. Nun nicht mehr als verbindliches Preisrecht, sondern als Honorarempfehlungen. Weiterhin kann daher in Architektenverträgen die HOAI als Honorarberechnungsgrundlage vereinbart werden. Zum Abschluss unserer HOAI-Serie bewerten AKBW-Vizepräsident Stephan Weber und Vorstandsmitglied Jens Rannow die Auswirkungen der neuen HOAI.
Herr Weber, seit dem 1. Januar 2021 ist die HOAI nicht mehr verbindliches Preisrecht. Merken Sie jetzt schon in Ihrem Büro eine Veränderung bei Ihren Bauherrschaften in Honorarverhandlungen?Wir haben es in unserem Büro zum Glück – gerade auch in der Privatwirtschaft – meist mit Bauherrschaften zu tun, die Mittelsatz bezahlen. Alles andere wäre angesichts der Komplexität der bearbeiteten Projekte auch nicht wirtschaftlich für uns. Insofern haben wir persönlich bei diesen Bauherren keine Sorgen, da auch bislang schon mehr als das nach HOAI unbedingt erforderliche verhandelt werden konnte. Für Inhaber von kleineren Architekturbüros kann der Wegfall der Verbindlichkeit der HOAI zu Schwierigkeiten führen. Vielleicht haben sich einige kleinere Büros noch mehr als manche große bei den Honorarverhandlungen auf das verbindliche Preisrecht als alleiniges Argument verlassen, ohne die Höhe näher darzustellen und zu erklären. Diese Darstellung und Erklärung werden gerade jetzt noch wichtiger.
Bei der öffentlichen Hand werden oftmals umfangreiche Dokumentationsarbeiten oder aufwändige Routinen verlangt, die nach meiner Auffassung die Grenze zu Besonderen Leistungen deutlich überschreiten, ohne dass diese in der Regel auskömmlich vergütet würden. Ich fürchte für die Zukunft, dass gerade im Rahmen von VgV-Verfahren noch mehr Leistungen ohne zusätzliche Honorierung angeboten werden müssen, um überhaupt eine Chance auf Beauftragung zu haben.
Herr Rannow, Sie vertreten im Landesvorstand die baugewerblichen Architektinnen und Architekten und stehen für innovative Unternehmens- und Planungskonzepte. War das verbindliche Preisrecht für Sie bislang eher Last oder doch mehr Lust?An der gewerblichen Front ändert sich für mich nichts. Wenn ich allerdings in die Ecke des Sachwalters schaue, dann sehe ich zwei Aspekte auftauchen, sobald die Honorarordnung als Preis- und Leistungsdefinition entfällt: Ohne die Höchst- und Mindestsätze muss ich als Inhaber genau wissen, welche Leistung ich meinem Kunden für welches Honorar anbiete, muss also wissen, was mindestens erwirtschaftet werden muss, um die versprochene Leistung kostendeckend zu erbringen. Diese Benchmark wurde den Architekten bisher durch den Mindestsatz angeboten.
Aber wäre dann nicht die fairste Regelung, dass man es macht wie bei den Anwälten? Man rechnet nach Stundenaufwand ab?Ja, kann ich mir vorstellen. Was allerdings zumindest in den kreativen Leistungsphasen schwieriger ist.
Das verstehe ich nicht. Die Rechtsanwälte praktizieren doch genau das.Richtig, aber auch für sie stellt sich die Frage wie man den kreativen Teil der Arbeit, der ja auch gerne mal beim Joggen oder Kaffeetrinken erfolgt, in ein Taxameter presst.
Herr Weber, BIM, Digitalisierung – die Themen, die Sie als Vizepräsident im Landesvorstand und in der BAK betreuen, stehen für Fortschritt und Innovation und hatten oftmals Mühe, sich im HOAI-Korsett wiederzufinden. Wäre es nicht konsequent im Sinne des Fortschritts, die HOAI komplett abzuschaffen?Nein – das zeigt doch nur, dass die HOAI in ihrer jetzigen Form Arbeitsweisen widerspiegelt, wie sie selbst 2013 schon nicht mehr ganz zeitgemäß waren. In der Vergangenheit ist man aus politischen Motiven, eben weil man eine Abschaffung der Verbindlichkeit der Sätze gefürchtet hat, immer sehr vorsichtig mit Veränderungen an den Leistungsbildern umgegangen. Wir alle wissen, dass sich im Zuge des Arbeitens mit BIM vieles an Informationsverarbeitung in frühe Leistungsphasen verlagert hat und neue Leistungsfelder (beispielsweise BIM-Koordination und -Management) hinzukommen. Bei einer anstehenden grundlegenden Überarbeitung der HOAI muss diesen neuen Arbeitsabläufen Rechnung getragen werden, und ich sehe gerade jetzt die Chance, dies unabhängig von bisherigen politischen Überlegungen tun zu können.
Wie stehen Sie zur Forderung, dass bestimmte Tätigkeiten, sogenannte Vorbehaltsaufgaben, ausschließlich von Architektinnen und Architekten ausgeübt werden dürfen. Muss der Berufsstand so viel Angst vor den „nichtverkammerten“ Planern haben?S. W.: Das Thema ist ja nicht aus Angst vor nichtverkammerten Planern aufgekommen, sondern es wird nach der Entscheidung des EuGH als möglicher Weg gesehen, wieder zu verbindlichen Honorarsätzen zu kommen. Ich fürchte allerdings, dass dieser Weg ein sehr steiniger sein wird. Vorbehaltsaufgaben sind aus meiner Sicht nur in rechtlich und haftungstechnisch relevanten Bereichen – also in der Baugenehmigungsplanung und ggf. Bauleitung – überhaupt politisch durchsetzbar. Was ist mit dem Zimmermann, der eine Dachsanierung plant und realisiert, was mit dem Schreiner, der eine Praxiseinrichtung zeichnet und baut, was mit dem kreativen Bauherrn (denn auch die gibt es), der selbstständig und gekonnt einen Entwurf für sein Eigenheim macht und sich dann einen Architekten für die Realisierung sucht, dem Landschaftsgärtner, der einen Privatgarten gestaltet? Ob es sich tatsächlich lohnt, unsere Energien in eine entsprechende Diskussion mit der Politik und den Lobbygruppen aus Industrie und Handwerk zu stecken, möchte ich persönlich bezweifeln.
Interessant könnte das Thema der Vorbehaltsaufgabe jedoch in Zusammenhang mit dem Werkvertragsrecht, der gesamtschuldnerischen Haftung und der Qualitätssicherung sein. Dass wir es als Architekten dulden sollen, dass sich Dritte an einem Bauvorhaben planerisch betätigen, die Gesamthaftung aber dennoch bei uns liegt, kann doch eigentlich nicht sein. Hier sehe ich sogar mögliche Allianzen mit der Versicherungswirtschaft.
Herr Rannow, muss der Berufsstand ohne verbindliche HOAI eine Konzentration auf Groß-Büros fürchten?Diesen direkten Zusammenhang zwischen verbindlicher HOAI und Bürogröße sehe ich nicht. Trotzdem bin ich der Meinung, dass wir eine Differenzierung von Unternehmen bekommen werden. Es wird kleine Büros geben, die einfach kleinere Sachen machen oder sich spezialisieren z. B. auf Bauleitung, die werden immer laufen. Spannend wird es, wie sich Büros mit einer Größe von drei bis zwanzig Mitarbeitenden entwickeln. Diese Architekturbüros sind oftmals zu klein für große Aufträge und zu groß für kleine Aufträge. Zudem sind Büros dieser Größe häufig im Controlling und der Verwaltung nicht so professionell aufgestellt, wie es nötig ist, um Honorar und Leistung in Einklang zu bringen. Da sehe ich schon eher ein Risiko.
Herr Weber, was raten Sie Büros um sich auf die neue, unverbindliche HOAI einzustellen?Ich denke, dass wir spätestens jetzt nicht mehr um eine detaillierte Nachkalkulation unserer Projekte bis in die einzelnen Projektphasen herumkommen werden, um für künftige Planungen eine genaue Grundlage des tatsächlichen Aufwandes zu haben. Der Werkvertrag nach HOAI mit Beauftragung aller Leistungsphasen wird künftig nicht mehr die Regel sein; Besondere Leistungen bis hin zur berühmten Leistungsphase Null werden eine wesentlich größere Rolle in unserer Arbeit spielen und unser Spektrum positiv erweitern. Hier müssen wir in der Lage sein, auskömmliche Angebote zu erstellen. Gleichzeitig kann nur eine professionelle Nachkalkulation der Projekte verhindern, Aufträge anzunehmen, die für ein Büro von vorneherein nicht wirtschaftlich sein können.
Herr Rannow, könnten Sie folgenden Satz für uns ergänzen: „Wenn ich 2031 auf die Unverbindlichkeit der HOAI seit dem Jahr 2021 zurückblicke, dann …“?(lacht) Oh, meine Kristallkugel ist im Moment in der Bauphase … Zurückbetrachtet war das dann der Beginn einer Entwicklung zu klaren definierten Aufgaben und damit auch zur individuelleren Entlohnung. Meine Arbeitsthese dazu ist, Architektur weniger als Prozess zu verstehen, also zu planen, bis der Beton hart ist, sondern mehr als Produkt. Aber das vertiefen wir beim nächsten Mal (lacht).