Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Veranstaltungsort für Ihre Tagung, Seminare, Produktpräsentation oder Pressekonferenz.
Nach dem EuGH-Urteil vom 4. Juli 2019 hatte die Bundesrepublik nur rund ein Jahr Zeit zur Anpassung an das europäische Recht. Die HOAI sollte daher zunächst nur „minimalinvasiv“ überarbeitet und die ehemals verbindlichen Honorarsätze zu einer Orientierungshilfe umgewandelt werden. Ein großer Wurf konnte von der HOAI 2021 ebenso wenig erwartet werden wie die Beseitigung diverser Unklarheiten und Ungereimtheiten im Verordnungstext, die uns in der Praxis als Honorarsachverständige immer wieder begegnen. Die dringend notwendige Überarbeitung der HOAI zu einer in sich stimmigen und rundum verständlichen Honorarordnung steht also noch aus. Der Umfang der Änderungen ist entsprechend überschaubar. Die wesentlichen Punkte wurden bereits von Volker Schnepel im DAB 11·20 dargelegt. Wie wirken sie sich auf die Praxis der Honorargestaltung aus?
Der neue Name „Basishonorarsatz“ steht der von allen Beteiligten immer wieder beteuerten Notwendigkeit der HOAI als Mittel gegen ruinösen Preiskampf konträr gegenüber. Im Gegensatz zu einem „Mindesthonorar“, das sprachlich eine Untergrenze mit Luft nach oben abbildet, suggeriert der neue Begriff bereits einen „Preis als Verhandlungsbasis“, von dem im allgemeinen Sprachgebrauch eher noch ein Nachlass erwartet wird. Die Honorartafeln der HOAI wurden aber im Hinblick auf die Anwendung der gesamten Bandbreite entwickelt – ursprünglich sollte sogar der Mittelsatz der übliche Honorarsatz sein.
Unsere Erfahrung zeigt, dass schon der bisherige Mindestsatz keinen großen Spielraum nach unten zulässt. Zu großer Optimismus hinsichtlich möglicher Ersparnisse im Bearbeitungsaufwand mündet regelmäßig in der Unauskömmlichkeit oder einer lückenhaften Projektbearbeitung und daraus folgenden Schadens- und Haftungsfällen. Zumindest daran kann auch kein Bauherr Interesse haben. Es ist an den Architekten, in künftigen Honorarvereinbarungen der nun auch sprachlich manifestierten Tendenz zur Verengung auf den unteren Rand gemeinsam entgegenzuwirken.
Dem Verordnungsgeber zufolge soll die HOAI künftig „Regelungen für die Kalkulation der Honorare“ enthalten. Hierzu ist anzumerken, dass die HOAI zwar hervorragend als Richtschnur, nicht aber für eine echte Kalkulation taugt. Hierfür muss der Architekt seine konkreten Betriebs- und Personalkosten, denbüro- und projektspezifischen Zeitbedarf, die notwendigen Zuschläge für Wagnis und Gewinn etc. kennen. Durch die nun verstärkt zu erwartenden Forderungen nach von der HOAI abweichenden Vergütungsvereinbarungen werden Kenntnis und Einsatz der eigenen Betriebskennzahlen in der Angebotskalkulation noch einmal wichtiger. Spätestens jetzt kann jedem Büroinhaber nur geraten werden, das Architekturbüro auch als Wirtschaftsunternehmen zu begreifen und eine möglichst detaillierte und inhaltlich aussagekräftige Zeit- und Kostenerfassung zu etablieren, welche laufend verfolgt und analysiert wird.
Mehr denn je ist wichtig, von Anfang an auf eine klare und vollständige Vertragsgestaltung zu achten. Die HOAI fällt als „gesetzliches Auffangnetz“ endgültig weg. Sie fällt aber auch als „gesetzliche Stolperfalle“ weg. Ganz regelmäßig waren Honorarvereinbarungen unwirksam, weil z. B. die Euphorie des Projektbeginns nicht durch Honorarverhandlungen getrübt werden sollte und ein schriftlicher Vertrag – wenn überhaupt – erst später aufgesetzt wurde. Juristisch gesehen war dann häufig die Auftragserteilung bereits mündlich oder durch schlüssiges Handeln erfolgt und die Formvorschrift „bei Auftragserteilung“ nicht mehr erfüllbar. Ebenso regelmäßig wurde gegen die Schriftform im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verstoßen, indem z. B. ein Angebot des Architekten vom Bauherrn durch ein Bestellformular oder ein separates Auftragsschreiben angenommen wurde. In all diesen Fällen fiel der Architekt im Streitfall auf den Mindestsatz zurück und konnte auch eine Nebenkostenpauschale, die oft einen erheblichen Teil der Gesamtvergütung ausmacht, nicht mehr geltend machen. Insoweit stellt die neue HOAI 2021 auch eine Verbesserung für die Architekten dar. Rein mündliche Honorarabreden über ein vom Basishonorar abweichendes Honorar, eineNebenkostenpauschale oder einen von 20 Prozent abweichenden Umbauzuschlag sind aber auch weiterhin im Streitfall nicht durchsetzbar.
Selbstverständlich können sich Bauherr und Planer weiterhin durch vertragliche Vereinbarung an die HOAI 2021 als Ganzes binden. Dies hat den Vorteil, dass auf eine Fülle von schon vorhandenem Wissen, Erfahrung, Kommentarliteratur und Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. Die „neue Freiheit“ kann und sollte aber genutzt werden, die Vergütung an die besonderen Umstände des Projekts anzupassen und übliche Streitpunkte zur Vergütung, die teilweise weiterhin im Verordnungstext nicht geregelt, unbefriedigend formuliert oder kontrovers sind, von vornherein klarzustellen, ohne einen Verstoß gegen einen verbindlichen Preisrahmen befürchten zu müssen. Im Rahmen unserer gerichtlichen und beratenden Tätigkeit sind zur Bestimmung eines Honorars nach der HOAI immer wieder folgende Themen zu klären:
Da das System der HOAI dem Charakter nach für Neubauten optimiert ist, sollte beim Bauen im Bestand eine Klärung zu den hier spezifischen Themen erfolgen:
Eventuell notwendige anwaltliche oder sachverständige Hilfe sollte dabei besser bereits anlässlich des Vertragsschlusses vorbeugend, als erst (zu) spät im Streitfall gesucht werden. Selbstverständlich kann für alle Honorarparameter einfach ein Wert oder ein pauschaler Betrag vereinbart werden. Erfahrungsgemäß sind aber Änderungen am Bauvorhaben oder im Projektablauf zu erwarten. Die Vereinbarung eines bestimmten, aber flexiblen Systems statt der Festlegung fixer Parameter hat dann den Vorteil, dass die Vergütung ohne die Notwendigkeit von Nachverhandlungen in angespannter Stimmung oder gar einem Rechtsstreit transparent angepasst werden kann.
Aus demselben Grund ist es nun insbesondere bei einer von der HOAI losgelösten Vergütungsvereinbarung noch wichtiger, im Vertrag nicht nur die Vergütung, sondern vor allem das zu planende Werk möglichst präzise zu definieren:
Nur wenn diese Ziele ausreichend scharf definiert sind und zudem eine vertragliche Grundlage zur Vergütungsanpassung bei Änderungen vereinbart ist, wird der Planer eine realistische Chance haben, ggf. eine (zu starke) Abweichung von der Vertragsgrundlage nachweisen und sich z. B. von einer nicht mehr auskömmlichen fixen Honorarvereinbarung lösen zu können. Auf § 10 HOAI wird sich der Planer nicht mehr ohne weiteres berufen können. Ansonsten bleibt ihm im Streitfall nur noch die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) als Argument. Diese Hürde ist aber extrem hoch und schwer zu überspringen.
Zusammenfassend kann aus Sicht eines Honorarsachverständigen festgestellt werden, dass die fast vollständige Umwandlung der HOAI von bindendem Preisrecht zu einer bloßen Empfehlung gleichzeitig Herausforderung und Chance ist. Unzweifelhaft geht dem Berufsstand ein Stück Sicherheit und ein Auffangnetz verloren. Die Corona-Krise und der als Folge zu befürchtende Einbruch der Baukonjunktur verbessern die Ausgangslage dabei nicht. Umso mehr ist es nun Aufgabe der Architekten, sich noch intensiver auf den Drahtseilakt einer Projektabwicklung vorzubereiten und Standsicherheit bereits vorbeugend bei der Vertragsgestaltung zu schaffen. Ganz regelmäßig ist diese Sicherung stabiler als das alte, in vieler Hinsicht löcherige Netz der HOAI.
Am 1. Januar 2021 ist die neue HOAI in Kraft getreten. Diese Artikel-Serie beleuchtet die Neuerungen aus verschiedenen Blickwinkeln – unterschiedliche Auffassungen und Wahrnehmungen sind dabei nicht ausgeschlossen.