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Alt-HOAI findet nach OLG Stuttgart auf Alt-Verträge weiterhin Anwendung
Seit der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2019 die Europarechtswidrigkeit der verbindlichen Mindest- und Höchstsätze der HOAI feststellte, vertreten Oberlandesgerichte unterschiedliche Auffassungen, wie das Urteil auf Planerverträge anzuwenden ist, die zum Zeitpunkt abgeschlossen waren als die HOAI noch rechtsverbindliches Preisrecht war. Streitgegenständlich sind dabei insbesondere sogenannte Aufstockungsklagen. Bei Aufstockungsklagen vereinbarten Bauherr und Planer zunächst ein Honorar unterhalb des Mindestsatzes. Im Nachgang bezog sich der Planer auf die Verbindlichkeit des Preisrechts und eine unzulässige Unterschreitung des HOAI-Mindestsatzes. Sein Honorar würde dann bis zum Mindestsatz „aufgestockt“. Da der Mindestsatz nur in Ausnahmefällen unterschritten werden durfte, hatten vor der EuGH-Entscheidung solche Aufstockungsklagen aufgrund der Verbindlichkeit des Preisrechts in der Regel Erfolg.
Die Rechtsprechung, wie nach der EuGH-Entscheidung mit Fällen umzugehen war, deren Verträge vor der Entscheidung geschlossen wurden, war gespalten: Auf der einen Seite gab es verschiedene Obergerichte, unter anderem das Oberlandesgericht (OLG) Celle, die Aufstockungsklagen abwiesen. Die Mindestsätze wären durch die EuGH-Entscheidung nicht mehr verbindlich. Eine Regelung, die europarechtswidrig sei, dürfe in der Konsequenz nicht mehr angewandt werden. Wenn sich die Parteien auf ein Honorar unterhalb des Mindestsatzes geeinigt hätten, gälte diese Vereinbarung nun abschließend. Andere Obergerichte, unter anderem das OLG Hamm, kamen zu einem abweichenden Ergebnis: Solange in Deutschland die HOAI als Rechtsverordnung gültig war, sei sie auf alle Rechtsanwender weiterhin anzuwenden. Bis zur HOAI-Reform 2021 galt die HOAI 2013 mit verbindlichem Preisrecht, sodass die HOAI 2013 auch entsprechend anzuwenden sei. Aufstockungsklagen hatten demnach weiterhin Erfolg.
Die unterschiedliche Rechtsanwendung führte dazu, dass die Fallfrage dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Klärung vorgelegt wurde. Der BGH unterließ eine finale Entscheidung und reichte die grundsätzliche Fragestellung an den EuGH weiter. Anfang 2022 entschied der EuGH, dass es grundsätzlich möglich sei, eine Rechtsverordnung weiterhin anzuwenden, wenn von ihr Teilinhalte als europarechtswidrig festgestellt wurden. Zur endgültigen Entscheidung verwies der EuGH die Frage wieder an den BGH zurück. Bereits bei seiner ersten Betrachtung der Fallfrage neigte der BGH der Lösung aus Hamm zu. Am 2. Juni 2022 findet beim BGH die mündliche Verhandlung zum Verfahren statt.
Das OLG Stuttgart hat bislang nicht zu dieser Fragestellung eine Entscheidung veröffentlicht. Am 2. Mai 2022 fand nun am OLG Stuttgart eine mündliche Verhandlung zu der Thematik statt. Zu einer Entscheidung kam es indes nicht, da sich die Parteien aus der Gesamtschau der Umstände - Mängelansprüche der Beklagten, zweifelhafte Prüffähigkeit der Honorarschlussrechnung des Klägers - verglichen. Besprochen wurde dennoch die Frage der Anwendung der Alt-HOAI auf Alt-Verträge. Im streitgegenständlichen Fall des OLG Stuttgart ging es dabei nicht um eine Honoraraufstockung, sondern um die Frage, was gilt, wenn gar kein Honorar vereinbart wurde. Nach der Alt-HOAI würde wieder der Mindestsatz Anwendung finden. Eine ähnliche Auffangregelung findet sich auch in der neuen HOAI 2021. Der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart ließ erkennen, dass er die HOAI 2013 auf Planerverträge, die vor in Kraft treten der neuen HOAI 2021 geschlossen wurden, für anwendbar hält. Wie das OLG Hamm geht das OLG Stuttgart daher von einer Anwendung der Alt-HOAI und der damaligen Verbindlichkeit des Preisrechts aus. In der Konsequenz müssten auch mit gleicher Argumentation Aufstockungsklagen beim OLG Stuttgart Erfolg haben. Da es aufgrund des Vergleichs keinen veröffentlichten und zitierfähigen Entscheidungstext gibt, liegt eine eindeutige und verbindliche Festlegung indes weiterhin nicht vor.
Abzuwarten bleibt daher die Entscheidung des BGH. Mit seinem anstehenden Urteil, das möglicherweise am 2. Juni 2022 schon bekanntgegeben wird, sollte eine bundesweite einheitliche Rechtsanwendung entstehen.