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In der Presse wird schon seit längerem über eine drohende Insolvenzwelle berichtet. Was kann auf die Architekten zukommen, wie können sie sich vor Zahlungsausfällen schützen? Der Justiziar der Architektenkammer, Eric Zimmermann, interviewte schriftlich die Mannheimer Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht sowie für Insolvenzrecht, Annette Kollmar (Rochade Anwälte) über den „Brandbeschleuniger“ Corona, Zombieunternehmen und mulmige Bauchgefühle bei Vertragspartnern.
Frau Kollmar, in der Presse liest man, dass mit einer größeren Insolvenzwelle ab dem 1. Januar 2021 gerechnet wird. Was ist hier gemeint?
Seit dem 1. Oktober 2020 sind Kapitalgesellschaften bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit wieder in der Insolvenzantragspflicht. Zwar bleibt der Insolvenzgrund der Überschuldung noch bis Jahresende ausgesetzt, aber auch nur, sofern das Unternehmen bedingt durch die SARS-CoV2-Pandemie in Schieflage geraten ist. Der in der Praxis weit überwiegende Anlass zur Einleitung einer Insolvenz ist aber die Zahlungsunfähigkeit. Es besteht die Gefahr, dass sich Geschäftsführer noch nicht zum Insolvenzantrag verpflichtet fühlen, obwohl sie es nach dem Gesetz bereits wieder sind.
Man liest jetzt auch von „Zombieunternehmen“. Was verbirgt sich denn darunter?
Seit Eintritt der Coronakrise geistert der Begriff des „Zombieunternehmens“ zunehmend durch die Presse und andere Medien. Es handelt sich bei einem Zombieunternehmen um ein wirtschaftlich nicht mehr zu rettendes Unternehmen, das trotzdem noch am Markt teilnimmt, was zur Wettbewerbsverzerrung führen kann. Diese Unternehmen vergrößern oft ihre Schuldenlast, wodurch der potentielle Schaden der Gläubiger steigt. Die Unterscheidung, ob es sich um ein nicht mehr aufzufangendes „Zombieunternehmen“ handelt oder durchaus noch Sanierungschancen bestehen, kann im Einzelfall aber sehr schwierig sein. Schon vor der Pandemie gab es Unternehmen mit Sanierungsbedarf, die aber aufgrund schlechter Vorjahreszahlen durch das Raster der Staatshilfen gefallen sind. Bei diesen wirkte die Krise oft als Brandbeschleuniger. Trotzdem muss es sich nicht um hoffnungslose Fälle handeln. Gerade diesen Unternehmen helfen wir mit Sanierungsexpertise: damit sie entweder doch keine Untoten werden bzw. die Geschäftsleitung die Haftung und Strafbarkeit vermeiden kann.
Könnte aus Ihrer Sicht eine Insolvenzwelle auch für Architekturbüros zur Bedrohung werden?
Eine Insolvenzwelle wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Baubranche nicht unberührt lassen. Der potentielle private Bauherr wird möglicherweise bei Fortbestand der Kurzarbeit seinen finanziellen Gürtel enger schnallen müssen und eigene Bauabsichten aufgeben und sich auch nicht von den Niedrigzinsen der Kreditinstitute locken lassen. Der private Bauherr als Auftraggeber eines Architekten wird daher im Hinblick auf die Ungewissheiten, die die Corona-Pandemie im wirtschaftlichen Leben schon verursacht hat, die Beauftragung des Architekten sehr überdenken. Für den gewerblichen Bauherrn werden ähnliche Aspekte eine Rolle spielen, die sich aber mutmaßlich weniger auswirken, wenn diese Bauherren im klassischen Wohnungsbau tätig sind. Der Bauboom hat in diesem Segment noch nicht an Dynamik verloren. Unternehmen, die Betriebserweiterungen/Neubauten oder Sanierungen unter Begleitung eines Architekten geplant haben, dürften je nach der betroffenen Branche deutlich zurückhaltender sein. Auch hier werden knappere Kassen Auswirkungen auf die Durchführung von Baumaßnahmen haben.
Worauf müssen sich Ihrer Meinung nach Architekturbüros einstellen?
Architekten werden mutmaßlich von ihren Bauherren Forderungen nach zusätzlichen Nachlässen beim Architektenhonorar ausgesetzt sein, um hier Einsparungspotential zu haben. Die so entstehenden Deckungslücken bei den Architekten dürfen dabei nicht unterschätzt werden. Die geringere Auftragslage und vergünstigte Honorare können deshalb dazu führen, dass der Architektenbetrieb angepasst werden muss, so zum Beispiel in personeller Hinsicht. Dadurch kann aber die Qualität der Architektenleistungen leiden und zu Fehlern führen, die am Ende zu einer Haftung des Architekten führen könnten. Um deshalb der Bedrohung des Architekturbüros frühzeitig zu begegnen, sollten bereits jetzt die finanziellen Belastungen geprüft werden.
Sie sind eine erfahrene Insolvenzverwalterin und haben es regelmäßig damit zu tun, dass auch zunächst gesunde Unternehmen in eine Insolvenz schlittern. Was sind aus Ihrer Erfahrung Anzeichen dafür, dass es einem Büro nicht gut geht, wann sollte bei einem gewissenhaften Büroinhaber die internen „Alarmanlagen“ angehen?
Gemäß der Krisenforschung fällt die Unternehmenskrise selten vom Himmel, sondern durchläuft die klassischen Szenarien der Strategie-, Ertrags- und zuletzt der Liquiditätskrise. Je weiter diese Abwärtskurve bereits beschritten ist, umso weniger Zeit und auch Geldmittel stehen dem Architekturbüro noch für Gegenmaßnahmen zur Verfügung. Diese müssen dann auch noch besonders gut wirken, um dem Abwärtstrend effektiv Einhalt zu gebieten. Die Anzeichen im Büro verdichten sich mit Fortgang einer Krise. Während man in einer strategischen Krise wenig objektive Anzeichen dafür hat, außer dass beispielsweise eine weitere geschäftliche Gelegenheit nicht genutzt werden konnte, der wichtige Auftrag nicht „geholt“ wurde, ist in der Ertragskrise bei der Bilanz- und GuV- Analyse das Gespräch beim Steuerberater merklich unentspannter. Bei auftretenden Liquiditätsproblemen kreisen die Themen um Nachfinanzierung, Ausreizen/Überziehen von Abschlagszahlungen der Kunden, wegfallenden Skonto- Vorteilen, über Dringlichkeit von Mahnstufen der Geschäftspartner bis hin zu Verzugszinsen, Säumniszuschlägen, Vollstreckungsandrohungen der öffentlichen Kassen, Stundungs- oder Verzichtsgesprächen, essentiell notwendigen Gesellschaftereinlagen, Gehaltsverzichten etc., so dass die Krise für alle Beteiligten offensichtlicher wird.
Was empfehlen Sie in solchen Fällen konkret?
Gerade wenn es eng wird, empfehle ich neben der Einleitung von Sanierungsmaßnahmen, dringend eine kurzfristige Liquiditätsflussplanung auf 3-/13-Wochen-Basis gemeinsam mit dem Sanierungsberater. Damit kann zum einen das „Bauchgefühl“ des Architekten kontrolliert werden, wie schlimm es tatsächlich um den Betrieb bestellt ist, anderseits dient dieses Instrument zum Zahlungsfähigkeitsnachweis und damit der Haftungsbeschränkung der Geschäftsleitung sowie als Basis um Sanierungsmaßnahmen zu prüfen und darzustellen.
Gibt es aus Ihrer Sicht spürbare Anzeichen, wann bei einem Bauherrn eine Insolvenz vorliegen könnte, auf die ein Architekt achten sollte?
Hier gelten im Grunde die gleichen Krisenanzeichen, auf die man auch im eigenen Unternehmen achten müsste, mit dem Unterschied, dass man mangels Einblick in die Interna des Auftraggebers nur die nach außen sichtbaren Anzeichen bewerten kann: Ausbleibende Zahlungen, Mahnungen, Anfragen der beauftragten Unternehmen, fehlendes Material oder fehlende Entscheidungen, Anfragen nach ungewöhnlichen Einsparungen sind spürbare Anzeichen, auf die ein Architekt achten muss. Der Architekt sollte daher mit großer Aufmerksamkeit das Geschehen rund um die Bauaufgabe beobachten, da eher nicht damit zu rechnen sein dürfte, dass der Bauherr ihn direkt über eine wirtschaftliche Schieflage informiert. Schlägt die Baumaßnahme den sogenannten kritischen Weg ein, weil gerade notwendiges Material nicht beigestellt wird, oder aber Handwerker wegen ausbleibender Zahlungen nicht mehr auf der Baustelle erscheinen, wird die wirtschaftliche Krise bereits eingetreten sein. Wird der Architekt darüber hinaus von seinem Bauherrn um Stundung seiner Honorarrechnungen gebeten, ist die Krise mit hoher Wahrscheinlichkeit schon eingetreten. Häufig zu beobachten ist dann auch ein anderes Abnahmeverhalten des Bauherrn, der Leistungen der Handwerker und eben auch des Architekten eventuell kritischer gegenübersteht, um Abnahmen und die daraus folgenden Zahlungsfälligkeiten zu verhindern oder Mängel-/Gewährleistungssachverhalte herbeizuführen.
Wenn ein Architekt bereits vor Vertragsschluss ein mulmiges Gefühl hat, dass sein zukünftiger Bauherr nicht über die notwendigen liquiden Mittel verfügt, um ihn bezahlen zu können: Sollte er es dann besser sein lassen oder gibt es andere Möglichkeiten sich abzusichern?
Die Durchführung einer Bauaufgabe ist ohnehin aufgrund seines Langzeitcharakters im Regelfall sehr komplex. Die baubegleitende Planung durch gewünschte Änderungen des Bauherrn, auftretende Mängel während der Bauarbeiten oder sonstige Diskussionen um Nachträge führen ohnehin dazu, dass im Regelfall der Architekt als Planer und Bauleiter hohen Anforderungen, die grundsätzlich auch haftungsintensiv sind, ausgesetzt ist. Werden diese üblichen Rahmenbedingungen noch durch eine finanzielle Krise des Bauherrn zusätzlich belastet, die möglicherweise sogar zu einem Baustopp führt, wird diese Komplexität weiter verschärft. Der Architekt ist gut beraten, bei Kenntnis einer wirtschaftlichen Schieflage entweder von diesem Auftrag abzusehen, oder entsprechende Sicherungsmaßnahmen für seine Honorierung vertraglich zu vereinbaren. Ein „Bauchgefühl“ ist oftmals richtig. In Betracht kommen dabei nicht nur Abschlagsrechnungen in einem engen Zeitfenster, sondern insbesondere die Absicherung durch eine entsprechende Bankbürgschaft. Wissen muss der Architekt aber auch, dass dokumentierte Nachweise, die belegen, dass der Architekt die Krise seines Auftraggebers erkannt hatte, zu einem höheren Insolvenzanfechtungsrisiko bzgl. bereits erhaltener Honorarzahlungen führen können.
Hinweise zur Insolvenz und zu ForderungsausfällenDie Architektenkammer hat drei Merkblätter zu diesen Themen verfassen lassen, die auf der Homepage im geschlossenen Bereich abrufbar sind.
Das IFBau bietet zum Thema Insolvenzrecht kompakte After-Work-Onlineseminare an:18.01.2021 | Online: Wirtschaftliche Krisen am Bau | 21400802.02.2021 | Online: Insolvenz am Bau | 21400915.03.2021 | Online: Sanierung im Insolvenzverfahren | 214010Jeweils 18:00 – 19:30 Uhr | Anmeldung > www.ifbau.de > IFBau Seminar-Suche > VA-Nummer