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Das OLG Hamm legt die Überwachungspflichten des Architekten aus. Nicht nur Rechtsanwälte kommen ins Staunen.
„Dieses Urteil ist ein weiterer Beleg dafür, dass der überwachende Architekt nahezu unbegrenzt haftet.“ Der Feststellung des Münsteraner Rechtsanwalts Christoph Stähler in der Baurechtszeitschrift IBR ist nichts hinzuzufügen, wer sich den aktuellen Beschluss des OLG Hamm vom 16. März 2021 (24 U 101/20) durchliest. Die Entscheidung beschäftigt sich mit der Frage, welche Aufgaben ein bauüberwachender Architekt in der Leistungsphase 8 gegenüber Fachplanern wahrzunehmen hat.
Dem Verfahren lag die Planung und der Bau eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung zugrunde. Im Kellerraum des Neubaus befand sich eine Be- und Entlüftungsanlage für einen Wintergarten. Aus dem Garten wurde Luft angesaugt und durch Rohre in den Keller zur Belüftung des Wintergartens weitergeleitet. Für die Planung und Überwachung der Leitungen war ein TGA-Planer beauftragt. Bei der Verlegung der Rohre war er indes nicht vor Ort. Bereits während der Bauphase stand Wasser im Keller. Ein eingeschalteter Sachverständiger führte das Wasser auf Rohrundichtigkeiten sowie Undichtigkeiten in den Lichtschächten zurück. Zur Beseitigung der Undichtigkeit der Rohre müssten Muffen an den Rohren dicht nachgearbeitet sowie unterhalb des Wintergartens liegenden Rohre ausgetauscht werden. Die Bauherrin wandte sich wegen der Mängel nicht an den TGA-Planer, auch nicht an das ausführende Bauunternehmen, sondern setzte einer Honorarklage des Architekten eine Widerklage entgegen wegen fehlerhafter Überwachung des Fachplaners. Der Architekt war für die Leistungsphasen 4 bis 8 beauftragt.
Das OLG Hamm stellt zunächst allgemein fest, dass der Umfang und die Intensität der Überwachungstätigkeit von den konkreten Anforderungen der Baumaßnahme und jeweiligen Umständen abhängen. Bei einfachen, gängigen Arbeiten müsse der Architekt nicht ständig auf der Baustelle sein, um die Arbeiten zu kontrollieren. In der Regel, so das OLG, würde die Einweisung bei Beginn der Arbeiten, die Durchführung von stichprobenhaften Überprüfungen an Ort und Stelle sowie die Endkontrolle notwendig sein. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten sind demnach nicht überwachungsbedürftig. Doch handelte es sich hier um eine handwerkliche Selbstverständlichkeit? Wenn unter gesundheitlichen Aspekten eine Überwachungsbedürftigkeit besteht, muss der Architekt ihr auch nachkommen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass eine Überwachung des TGA-Planers vom Architekten geschuldet wurde. Das OLG begründet seine Entscheidung mit der Verpflichtung des Architekten in der Leistungsphase 8, die an der Objektüberwachung fachlich Beteiligten zu koordinieren: „Dieser Ausschnitt der allgemeinen Koordinierungspflicht des umfassend beauftragten Architekten erfasst alle von der Bauausführung betroffenen Leistungsbereiche, auch diejenigen, für die besondere Fachbauleiter eingesetzt sind“, so das OLG Hamm. Weiter heißt es: „Mag dem Architekten für das Fachgebiet des Sonderfachmanns die spezielle Sachkunde fehlen, so hat er gleichwohl die Überprüfung der Bauarbeiten entsprechend dem Baufortschritt zu koordinieren und gegebenenfalls durch Fachingenieure zu veranlassen.“ Gerade in einem gesundheitlich sensiblen Bereich wie bei der Erstellung der Be- und Entlüftungsrohre hätte der Fachplaner das Bauunternehmen überwachen und die Leistungen überprüfen müssen. Diese Pflicht darauf hinzuwirken, dass der Einbau der Rohre überprüft wird, erfüllte der Architekt nicht, rügte das OLG.
Die Entscheidung sorgt für Unverständnis: Wofür gibt es einen Fachplaner, wenn letztlich doch noch vom bauüberwachenden Architekten bei bestimmten Tätigkeiten eine Überwachung des Fachplaners verlangt wird? „Das Urteil geht zu weit und verwischt Verantwortlichkeiten“, bringt es der Branchendienst „Baunetz“ in einer Kurzkommentierung auf den Punkt. Mit dem OLG Frankfurt (Urt. v. 05.07.2021 – 29 U 110/20) folgte ein Oberlandesgericht den Vorgaben aus Hamm, das OLG Hamm bezog sich seinerseits auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urt. v. 17.11.2011 – 5 U 8/11). Architekten müssen daher bei vergleichbaren Fällen auch die Überwachung des Fachplaners berücksichtigen. Der Architekt mag ggf. einen Innenregressanspruch aus der Gesamtschuld gegen den Fachplaner und den Bauunternehmer haben. Einfacher macht indes die Entscheidung des OLG Hamm die Arbeit des Planers nicht.