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Arbeitskreis Architektenrecht beschäftigt sich mit Preissteigerungen am Bau
Jedem Jurastudenten ist die sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage aus dem BGB bekannt: Kommt es nachträglich zu Änderungen wesentlicher Vertragsumstände und hätten die Parteien bei Voraussicht dieser Änderungen niemals den Vertrag in der Form abgeschlossen, ist die Geschäftsgrundlage gestört. Wenn nun noch das Festhalten am Vertrag für eine Partei unzumutbar ist, kann sie die Änderung oder Aufhebung des Vertrags fordern. Doch ebenso unumstößlich bekannt war bislang, dass die Störung der Geschäftsgrundlage in der Praxis kaum bis nie zu einer konkreten Anwendung kommt. Diese etwas vereinfacht zusammengefasste Binsenweisheit hatte bis 2020 Bestand. Doch dann kam die Pandemie und mit der Pandemie kamen ganz neue Rechtsfragen auf, mit denen sich auch im Bau- und Architektenrecht auseinandergesetzt werden muss. Denn auf einmal gab es pandemiebedingte Materialausfälle und erhebliche Preissteigerungen. Da niemand eine Pandemie vorhersagen konnte, wurde die Störung der Geschäftsgrundlage aus ihrem „Dornröschenschlaf“ (Reichert, BauR 2022, 691 (693)) geweckt. Müssen sich Bauunternehmer an Preise binden, die durch die Pandemie unvorhersehbar stark anstiegen?
Dr. Till Kemper, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Kanzlei HFK Rechtsanwälte in Stuttgart und in Frankfurt, nahm die Teilnehmer der Vortragsveranstaltung des Arbeitskreises Architektenrecht der Deutschen Gesellschaft für Baurecht mit dieser Auftaktfeststellung auf eine kleine Tour durch das Leistungsstörungsrecht im großen Stil. „Preissteigerungen, Lieferverzug, Materialknappheit: Hinweise zum Umgang mit aktuellen Problemen auf der Baustelle für Architektinnen und Architekten bei Altverträgen“ lautete sein Vortragstitel, der sich insbesondere mit den aktuellen baurechtlichen Auswirkungen aufgrund des Ukraine-Kriegs beschäftigte. Über 30 Interessierte trafen sich am 31. Mai 2022 im Haus der Architekten und wurden vom Leiter des Arbeitskreises, dem Rechtsanwalt Alfred Morlock mit dem Hinweis begrüßt, dass es endlich wieder eine Präsenzveranstaltung gibt.
In seinen fundierten Ausführungen wies Kemper insbesondere auf die zwei aktuellen Erlasse des Bundesbau- und Bundesverkehrsministeriums hin, die sich mit den rechtlichen Auswirkungen der Preissteigerungen beschäftigen. Die Erlasse regeln zunächst allein für die Bundesbauverwaltung, unter welchen Bedingungen eine Stoffpreisleitklausel oder eine Preisanpassung wegen der Störung der Geschäftsgrundlage zu vereinbaren ist und geben weitere Hinweise zu kriegsbedingten Leistungsstörungen. Aus dem Teilnehmerkreis wurde mitgeteilt, dass die Erlasse auch von der Landesverwaltung in Baden-Württemberg übernommen wurden. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss nicht, dass auch die Kommunen die Erlasse anwenden. Kemper erklärte, dass die Erlasse lediglich dann herangezogen werden können, wenn es sich um Lieferprobleme handelt, die eindeutig mit dem Ukraine-Krieg zusammenhängen. Die Pandemie oder Lieferprobleme aus China sind somit von den Erlassen nicht umfasst. Die durch die Materialprobleme und Preissteigerungen entstehende Mehrarbeit, die auch Architekten trifft, werden von Kemper grundsätzlich als Besondere Leistung angesehen, die gesondert vergütet werden. Doch viele Rechtsfragen sind bislang ungeklärt, juristische Einschätzungen schwierig. Die Veranstaltung zeigte, dass die derzeitigen Krisen und Katastrophen für Juristen gleichermaßen Herausforderungen ins Unbekannte darstellen.