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Vertreterversammlung der AKBW wählt in Friedrichshafen neuen Landesvorstand – und bestätigt Markus Müller
Der Proporz zählt nicht nur in der Parteipolitik zu den schwierigsten Aushandlungsprozessen. Denn bei der Besetzung von Gremien gilt es, die ganze Bandbreite der Mitglieder abzubilden. Auch die Architektenkammer Baden-Württemberg steht alle vier Jahre vor der großen Aufgabe, vor allem im 18-köpfigen Landesvorstand die Fachrichtungen und Regionen des Landes, aber auch Alter und Geschlecht zu repräsentieren. Im Wahljahr 2022 stand die Besetzung unter besonderem Vorzeichen. Das neue Architektengesetz sieht die Unterscheidung in Tätigkeitsbereiche nicht mehr vor, nur noch „frei“ oder „angestellt / beamtet“. Obschon der Landtag – zur Verärgerung der Kammermitglieder – die längst konsentierte Novelle noch immer nicht beschlossen hat, werden die baugewerblich Tätigen im Landesvorstand nicht mehr gesondert repräsentiert. Stattdessen wurde eine nicht näher definierte Vorstandsstelle geschaffen, die aus Sicht der LVV das Tableau gut ergänzt. Die sogenannte „Joker-Position“ sorgte denn auch für eine von zwei Gegenkandidaturen: Sara Vian, die bisher bereits in ihrer Funktion als Netzwerkvertreterin der AiP/ SiP dem Vorstand angehörte, gewann die „Kampfkandidatur“ gegen Markus Ernst, Büro Ernst². Albrecht Reuß bekam mehr Stimmen als Klaus Ellinger bei den Stadtplanern. Eine insgesamt jüngere und weiblichere LVV wählte aber am Ende zwar einen jüngeren Landesvorstand, aber auch einen mit geringerem Frauenanteil.
Am Delegiertenabend mit Livemusik zeigte der Kammernachwuchs, wie der Berufsstand auch jenseits von Positionspapieren und Stellungnahmen netzwerken kann – über designte Kammer-Hoodies oder die Social-Media-Kanäle der AKBW. Seit dem Club of Rome, also in 50 Jahren, habe sich nicht so viel getan, wie es hätte sollen, sagte die Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Andrea Gebhard, in ihrem Grußwort. Vielleicht sei „das Gestern das neue Morgen.“ Doch ob Bestandsbau, Raumplanung oder Innenentwicklung – es komme auf den Berufsstand an, sagte sie vor dem Plenum der Planer:innen. „Sie sind diejenigen, die diese Kammer tragen. Sie sind diejenigen, die diesem Berufsstand ihre Zeit geben.“
In den Foren der Strategiegruppen wurden Fragen gestellt: „5 Prozent aller Büros beteiligen sich an Wettbewerben und nur 100 von 1.800 Vergaben ist ein Wettbewerb vorgeschaltet – sind unsere Positionierungen noch zeitgemäß?“ (Matthias Schuster), „Die Klimaanpassung ist ein großer Treiber, der dem Berufsstand ganz neue Themenfelder zuweist. Büros müssen sich anders aufstellen!“ (Markus Weismann), „Wir sind noch sehr in der alten Architektenrolle verhaftet“ (Christoph Luz) oder „Bürogröße, Auftraggeber, Ausbildung – die Veränderungen treffen unseren Berufsstand besonders“. (Frieder Wurm).
Die „neue Arbeitswelt“, so die große Überschrift über dem kommenden Großkongress ARCHIKON am 19. April 2023, spürt die Kammer schon heute, wenn auch in anderer Weise: Mehr als die Hälfte der über 26.000 Mitglieder sind im Angestelltenverhältnis tätig. Die großen Büroinhaber oder Partner-GmbHs sind die Arbeitgeber vieler Kammermitglieder. Ob Freistellung für Fortbildung oder Büroaufstellung/-organisation – auch diese Themen bilden Realität ab. Der neue Landesvorstand nahm sich deshalb vor, die Aufstellung der Kammer als „Think Tank“, wie der einstimmig im Amt bestätigte Präsident Markus Müller formulierte, auf einer Klausurtagung zu überprüfen.
Einig waren sich die Landesvertreterinnen und Landesvertreter in der Begeisterung für den Vortrag Thomas Auers. Der Professor an der TU München, in aller Munde durch die vom Architekten, Prof. Florian Nagler geplanten und gemeinsam mit betreuten Forschungshäuser im bayerischen Bad Aibling, ging hart mit der Bundesregierung ins Gericht: „Der Gesetzgeber glaubt, allen vorschreiben zum müssen, wie sie Gebäude energetisch sanieren sollen.“ Doch je ambitionierter der Anspruch, desto größer werde der „Performance-Gap“, also die Kluft zwischen Wunsch und erreichbarer Wirklichkeit. Rede man über Bestand, seien Steigerungen der Energieeffizienz von 30 auf 60 oder von 40 auf 80 Prozent „schon super“, so Auer. Die Latte immer höher zu hängen, bringe ebenso wenig, wie zu ignorieren, dass der Altbestand z. B. aus der Jahrhundertwende um 1900 mit 60 Zentimeter Außenwand, gutem Schallschutz und bestem Tageslicht bei 12 Prozent Fensteranteil vom Optimum nicht weit entfernt sei. „Wir wissen, was wir tun müssen, wir müssen es nur machen!“ Deutschland habe 20 Jahre verschlafen, bilanzierte Auer – und wurde indirekt bestätigt durch Ruth Schagemann, der Präsidentin des ACE (Architects’ Council of Europe): „Deutschland ist mitnichten überall Vorreiter.“
Der Landesvorstand führt die Geschäfte der Architektenkammer und vertritt die beruflichen Interessen der Mitglieder.