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Verständnis für die unterschiedlichen Planungskulturen dies- und jenseits des Rheins zu schaffen hat sich die zum bereits zweiten Mal im Rahmen der Europäischen Architekturtage Oberrhein 2022 stattfindende Veranstaltung „Bauen in Deutschland und Frankreich“ zum Ziel gesetzt. Das diesjährige Thema „Wettbewerbswesen“ lockte Anfang November ein zweisprachiges Fachpublikum in das Architekturschaufenster Karlsruhe. Das Kolloquium wurde vom Kammerbezirk Karlsruhe organisiert. Das diesjährige Motto des Trinationalen Festivals „Ressourcen und Architektur“, ließe sich auch auf den wissensbasierten Austausch der Architekt‘innen beider Länder übertragen, betonte der neue Vertreter des Kammerbezirks im Präsidium des Europäischen Architekturhauses Oberrhein, Boris Ott in seiner Begrüßung. Die Moderation der Veranstaltung übernahm die Präsidentin des Architects‘ Council of Europe (ACE) Ruth Schagemann, die zudem in der AKBW für nationale und internationale Berufspolitik tätig ist. Sie erläuterte anschaulich das Engagement des ACE, angesichts der für alle europäischen Kolleg‘innen ähnlichen Herausforderungen ein gemeinsames Vorgehen zu entwickeln. Die Bedeutung europäischer Netzwerke wurde unter Hinweis auf das Netzwerk Architektur Export betont. Thomas Treitz, Referent für Vergabe und Wettbewerb bei der AKBW, rief in Erinnerung, dass sowohl Frankreich, als auch Deutschland auf einer gemeinsamen europäischen Gesetzesgrundlage Wettbewerbe ausloben. Er stellte die deutschen Verfahren mit Hinweis auf die RPW 2013 dar und erläuterte aktuelle Entwicklungen zu den Teilnehmerfeldern. Jan Richter aus Strasbourg konnte hier authentisch von der französischen Seite berichten. Er erläuterte anhand von Beispielen aus dem eigenen Büro (richterarchitects.com) verschiedene Wettbewerbsverfahren. So z.B. das oftmals bei Umbauten unter dem Schwellenwert angewandte adaptierte Verfahren (procédure adaptée). Hier werden bereits in der Bewerbung durch das Büro eine Methode und ein Honorar vorgeschlagen, welche als Grundlage für eine Diskussion mit dem Ausschreibenden dienen. Eine weitere Möglichkeit ergibt sich durch den wettbewerblichen Dialog (dialogue compétitif). Dort stehen die sich bewerbenden Büros 6-12 Monate in direkter Konkurrenz. Es existiert dabei allerdings kein präzises Programm für die Bauaufgabe, dieses wird erst in Workshops erarbeitet. Am häufigsten wird in Frankreich das als beschränkter Wettbewerb (concours restraint) zu übersetzende Verfahren angewandt. Die Bewerbung zur Teilnahme ist mit der Einreichung eines oft mehr als hundertseitigen Dossiers inklusive Referenzen und Versicherungsnachweisen für die zehnjährige Gewährleistung sehr aufwändig. Hat man es dann allerdings in die Runde der von einer Jury ausgewählten ca. 3-5 Teilnehmer geschafft, wird eine angemessene Aufwandsentschädigung von ca. 80% der jeweiligen Planungsphase vergütet. Da frühzeitig Fachleute einzubinden sind, besteht das Wettbewerbsteam meist aus 8-10 Personen. Die Bearbeitungszeit ist mit 5-10 Wochen mitunter sehr kurz, zumal der Anspruch besteht, die dargestellte Lösung exakt wie eingereicht umzusetzen - insbesondere im Hinblick auf die in Frankreich zur Kommunikation sehr wichtigen großformatigen fotorealistischen Darstellungen. Die Jury besteht zum Großteil aus politischen Entscheidungsträgern und nur zu einem Drittel aus Planern, nicht unbedingt Architekt‘innen. Offene Wettbewerbe werden nach Aussage Richters in unserem Nachbarland kaum durchgeführt. Mit Michael Gies aus Freiburg Gies Architekten konnte ein Referent gewonnen werden, der von deutscher Seite aus zahlreiche Projekte in Frankreich durchgeführt hat. Er betonte die Wichtigkeit mit französischen Partnerbüros vor Ort zusammenzuarbeiten, um die Chancen zu erhöhen, bei Wettbewerben ausgewählt zu werden. Dies hilft auch, die nach seiner Meinung starken (planungs-) kulturellen Verschiedenheiten in den Mentalitäten zu verstehen und zu überbrücken, wie beispielsweise poetische Entwurfserläuterungen im Gegensatz zur deutschen Faktenorientierung. Herr Gies berichtet von einem seit ca. 2004/05 gesteigerten Interesse an energieeffizienten Gebäuden, bei denen deutsche Büros sich eine Kompetenz erworben haben. Die Betonung der visuellen Darstellung bei Wettbewerben durch große Außenperspektiven, vornehmlich aus dem öffentlichen Raum, konnte von ihm bestätigt werden. Aus Würzburg war Professor Stefan Niese, Assoziierter des Büros und Auer Weber www.auer-weber.de und NAX-Pate für Frankreich zugeschaltet. Anhand spannender in Frankreich realisierter Projekte gewährte er Einblicke in die französisch-deutsche Planungswirklichkeit. Er beschrieb die sehr ambitionierten Wettbewerbsauslobungen, denen man nur mit einem Netzwerk von Partnerbüros oder einer im eigenen Büro gebildeten Spezialisierung gerecht werden kann. In der späteren Ausführung haben die in Frankreich sehr starken Bauunternehmen, welche auch als Generalunternehmer auftreten, einen großen Einfluss auf die Qualität. Höchste Priorität hat die Einhaltung der Kosten bei gleichzeitig geringeren Budgets als in Deutschland. Dieser Maxime entsprechend werden in der Ausführung die Materialien angepasst bzw. reduziert. Er berichtet von starken Unterschieden in den Planungsmentalitäten. Die in Deutschland vorherrschende Detailverliebtheit und -tiefe lässt sich in diesem Kontext schwer realisieren, kann aber seiner Meinung und Erfahrungen nach auch durchaus hinterfragt werden. Hubert Schmidtler berichtete im Anschluss von den Fragen, die ihn und seine Kolleg‘innen vom RVW/SVW der AKBW umtreiben. Insbesondere die Hürden für die Teilnahme junger Büros niedriger zu setzen, sieht er als zentrales Thema. Als ‚einen sehr lohnenden Blick über den Rhein‘ bezeichnete Ruth Schagemann die Veranstaltung. Die Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden sei ein bedeutender Schritt für das gegenseitige Verständnis und Lernen. Interkulturelle Unterschiede in Verfahren, Gestaltung und Ausführung wurden auch in den anschließenden Gesprächen deutlich herausgearbeitet. Insgesamt eine kurzweilige und gehaltvolle Veranstaltung in einer Reihe, die sich lohnt, fortgesetzt zu werden. Auf das Thema des nächsten Jahres darf man gespannt sein. Boris Ott / Susanne Böhm