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Auch bewährte Formate müssen im Ablauf flexibel bleiben. So blieb es bei den 13. Heidelberger Schlossgesprächen am 28. März 2017 zwar beim üblichen Werkbericht eines renommierten Architekten, in diesem Fall Christoph Ingenhoven; anstelle der anschließenden Diskussion mit mehreren Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Professionen hatte Ingenhoven sich jedoch ausdrücklich ein philosophisches Zwiegespräch mit Peter Sloterdijk gewünscht. Entsprechend hoch waren dann auch die Erwartungen des Publikums im mit ca. 500 Personen wiedergut gefüllten Königssaal des Heidelberger Schlosses.
Ingenhoven begann den von Wolfgang Riehle moderierten Abend mit einem furiosen Vortrag zu seinem Lieblingsthema und Büromotto „supergreen“ – im Übrigen ein Motto, welches er sich als Begriff hat Schützen lassen. Faszinierend war dabei der Einblick in die Arbeit eines weltweit tätigen Büros mit Filialen in vier Kontinenten dessen Fokus auf dem nachhaltigen Einsatz von Ressourcen und Materialien sowie der sozialen Verantwortung der gebauten Umwelt liegt. „Alles beginnt mit der Konstruktion“, sagt Ingenhoven und Steht damit in der Tradition von Ingenieur-Architekten wie Buckminster Fuller oder auch Frei Otto, mit dem er unter anderem beim Entwurf des Stuttgarter Hauptbahnhofs zusammengearbeitet hat. Architekten und Ingenieure müssen nach seinen Worten Verantwortung für dieses „Raumschiff Erde“ übernehmen. Ca. 50 Prozent des Materialver- brauchs und Abfalls beim Bauen könnten durch intelligente Konstruktionen vermieden werden, bebaute Grundstücksflächen können der Stadt als begrünte oder öffentliche Bereiche wieder zurückgegeben werden. Alles eine Frage der intelligenten Gestaltung und des Städtebaus: „Am Ende ist der Raum zwischen den Gebäuden wichtig.“ Bestes Beispiel ist sein aktuell im Bau befindliches Projekt „Marina One“ in Singapur, ein Hochhauskonglomerat bei dem 160 Prozent der entnommenen Fläche als öffentliche Flächen zurückgegeben werden, ca. 125 Prozent als begrünte Flächen. Eine Stadt in der Stadt, in der künftig 30.000 Menschen leben und arbeiten werden. Das Projekt öffnet sich zur Hauptwind- richtung, wodurch Büros und Wohnungen mit Hilfe der üppigen Vegetation natürlich belüftet werden können.
Das Büro Ingenhoven nimmt dabei auch den ökoeffektiven „cradle to cradle“- Gedanken auf. Als Beispiele für intelligente Energie- und Abfall- konzepte zeigte Ingenhoven unter anderem das neue Rathaus Freiburg, in Beispiel für größt- mögliche Transparenz auch bei EnergiePlus-Häusern sowie das Hochhaus „1 Bligh Street“ in Sydney, für dessen nachhaltige Architektur er als erster deutscher Architekt überhaupt den Internationalen Hochhauspreis erhielt. Allen Projekten gemein ist der Sinn für Kommunikation und Gemeinschaft, sei es durch überdeckte Höfe wie beim Mathematischen Institut in Karlsruhe oder zusätzliche, nicht im Raumprogramm enthaltene Außenterrassen beim Oeconomicum in Düsseldorf. Eine besondere Herausforderung ist der Neubau des Google-Hauptquartiers in PaloAlto, Kalifornien. Die Aufgabe im 2010 gewonnenen Wettbewerb war simpel: Es gilt, das beste und gesundheits- förderndste Gebäude der Welt zu bauen! Ingenhoven plant einen aufgeständerten, autofreien Campus über einer durchgehenden Landschaft, welcher als weitgehend autarkes Modell einer nachhaltigen Architektur beispielhaft die Unternehmenskultur ausdrücken soll und den LEED-Platin-Standard übertreffen wird. Am Ende seines Vortrags wiederholte Ingenhoven nochmals sein Credo des „Engineerbaren“, seinen Glauben an die Schönheit im reinen Zweck, und zeigt beispielhaft Heißluftballons, Fallschirme, Paraglider und Segelboote als Vorbilder einer Architektur.
Gespannt war man nun auf das Gespräch mit Peter Sloterdijk, dem ehemaligen Rektor der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe und philosophischen „Agent provocateur“, wie Wolfgang Riehle ihn ankündigte. Leider entwickelte sich jedoch kein echtes Gespräch über architektonische Qualitäten oder das Für und Wider der gesehenen Groß- projekte. Gerade die schöne neue Googlewelt hätte vielleicht einen Ansatz zur Diskussion über Gesellschafts- und Arbeitsmodelle sowie deren Spiegelung in der Architektur geben können. Sloterdijk beschränkte sich im Gespräch jedoch weitgehend auf Gemeinplätze wie „Der liebe Gott steckt im Detail“ oder das Lob hoher Dichten im städtischen Raum während Ingenhoven seine Vorstellung von nachhaltiger Architektur weiter vertiefen konnte. Für den Laien im Publikum sicherlich interessante Beiträge; für das anwesende Fachpublikum und damit rund 50 Prozent der Zuschauenden aber eher Trivialität. So wurde auch Sloterdijks sicherlich richtige Aussage, dass digitale Planungsmethoden eine neue Ästhetik schaffen werden, in den möglichen Konsequenzen leider nicht weiter verfolgt und blieb für sich gestellt etwas inhaltsleer. Dass städtische Dichte ein verräumlichtes Immunsystem ist und der Maßstab für Kollisionswahrscheinlichkeit im Positiven wie im Negativen, war vielleicht noch der originellste Beitrag. So wurden die Erwartungen an den Abend durch einen hochspannenden Vortrag Ingenhovens im ersten Teil zwar durchaus erfüllt – das anschließend versprochene philosophische Gespräch ließ jedoch zumindest den Berichterstatter etwas ratlos zurück.
Dipl.-Ing. (FH) Andreas GrubeFreier Architekt BDA
Dipl.-Ing. (FH) Thomas SchrammArchitekt