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Die 11. Heidelberger Schlossgespräche standen ganz unter dem Thema "Ethik der Stadt". So zumindest der Vortrag der Berliner Architektin Gesine Weinmiller. Ethische Aspektedes Bauens hatte ja bereits Arno Lederer bei den 10. Schlossgesprächen aufgeworfen, wie Moderator Wolfgang Riehle eingangs feststellte. Diesmal sollte die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung des Architekten jedoch noch wesentlich ausführlicher behandelt werden – dafür standen außer Gesine Weinmiller, Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland, auch die Gäste in der anschließenden Podiumsdiskussion zur Verfügung: der Theologe Christoph Markschies (ehemaliger Präsident der Humboldt-Universität Berlin und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften) und die Tübinger Ethik-Professorin Elisabeth Gräb-Schmidt.
Gesine Weinmiller beginnt ihren Vortrag denn auch mit einer deutlichen Kritik an – wie sie sagt – "lauten" Häusern. Hierfür steht für sie beispielhaft das Gebäude der "Deutschen Med" in Rostock von Helmut Jahn, für das ein Block aus der Gründerzeit einem selbstreferentiellen gläsernen Bürogebäude weichen musste. Der Architekt – mutmaßt Weinmiller – sei wohl nie selbst vor Ort gewesen, anders könne sie sich ein Gebäude, welches alle Prinzipien der Stadtplanung und Nachhaltigkeit missachtet, nicht erklären. Die ebenfalls sehr laute Architektur von Zaha Hadid sieht sie dagegen differenzierter – "laute Häuser brauchen ein weites Feld" und dies sei beispielsweise bei Hadids Insbrucker Bahnstation, die eine Erbindung von Stadt und Berg schafft, gegeben. "Ich kann auch Zaha Hadid (ein bisschen)" sagt Weinmiller; aber sie habe sich bewusst entschieden so nicht zu bauen.
Wie aber sehen "leise Häuser" aus? Weinmiller hält es mit Karl Valentin, der gesagt hat: "So einfach wie möglich. Nicht einfacher!" Als erstes Beispiel zeigt sie ihr Gebäude der L-Bank in Karlsruhe, mit dem sie die letzte Lücke am dem Schloss gegenüberliegenden Zirkel geschlossen hat. Hier musste sie sich dem "Chorgesang" der verschiedensten Baustile anpassen und gleichzeitig ein relativ großes Bauvolumen realisieren. Ihr Wettbewerbsprojekt überzeugte denn auch durch geschickte Ausnutzung der Dach- und Untergeschossebenen bei gleichzeitiger Reduktion der architektonischen Formensprache. "Wenn man sich so reduziert, ist es sehr gefählich in die Beliebigkeit abzurutschen" – eine Gefahr, der sie durch die Verwendung hochwertiger Materialien und sorgfältigster Detailausbildung entging. Dies gelang auch bei den anderen präsentierten Bauten, dem Bundesarbeitsgericht in Erfurt, dem Justizzentrum in Aachen, der Renovierung einer Gefängniskirch ein Berlin-Plötzensee, bei der sie ein bemerkenswertes Farbkonzept realisierte, und der in Planung befindlichen evangelischen Kirche in Aachen. Alles Architekturen, die bei aller Zurückhaltung eine feine Balance zwischen Funktion und Ästhetik wahren. Weinmiller baut – wie sie sagt – aus dem Kontext heraus und auf der Suche nach der jeweiligen Aura des Ortes.
Ganz anders als ihre sehr perfektionistisch anmutenden Projekte ist Weinmillers Arbeit als Professorin an der Hafen City Universität in Hamburg, beispielhaft dargestellt an zehn Thesen zum "Microhousing" für Flüchtlinge und benachteiligte Randgruppen der Gesellschaft. Mit Planungen auf "unmöglichen Grundstücken" beweisen die Studenten, wie man preiswerten Wohnraum sozial verträglich in den Stadtkörper einflechten kann, und stellen dabei traditionelle Ansprüche an Standards und bekannte Sichtweisen in Frage. Letztlich geht es Weinmiller aber auch bei dieser Arbeit um die Frage der ethischen und gerechten Stadt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion erläutert Gesine Weinmiller dann nochmals ihre Auffassung von architektonischer Qualität, die sich letztlich aus sorgfältiger Detaillierung und dauerhaften, hochwertigen Materialien speist. Architektur als Provisorium kommt für sie nicht in Frage. Elisabeth Gräb-Schmidt sieht denn auch durchaus eine gesellschaftliche Chance darin, dass im Zuge der aktuellen Wohnraumdebatte die Frage nach Wohnraumqualität aufgeworfen wird. Christoph Markschies überlegt, ob es so etwas wie moralische oder auch unmoralische Architektur gibt, wobei Gesine Weinmiller wieder auf ihr ursprüngliches Rostocker Beispiel zurückkommt. Dieses sei unsinnlich, belanglos, onökologisch und mithin in jeder Hinsicht unmoralisch. Diese Haltung wird von Elisabeth Gräb-Schmidt aufgenommen, die die zur Zeit überall entstehenden Containersiedlungen mit ihrem Verzicht auf jegliche Ästhetik als schnelle aber lieblose Problemlösung ebenfalls als unethisch bezeichnet. Letztendlich seien diese Provisorien in ihrer Vergänglichkeit sogar unökonomisch. Nur aus der Frage nach dem Schönen, Wahren, Guten ergebe sich Ethik in der Architektur und diese sei von Ästhetik nicht zu trennen.
Ist das tatsächlich so? Christoph Markschies erlaubt sich genaueres Nachfragen und bezweifelt die generelle Verknüpfung von Ästhetik und Ethik. So weist er auf die Notwendigkeit von Brüchen in der Architektur hin. Zur Schönheit gehört für ihn auch die Wiedergabe des Hässlichen und der Störung – als Beispiel nennt er Libeskinds Militärhistorisches Museum in Dresden. Dissonanzen funktionieren aber nur dann, wenn Qualitäten miteinander streiten können. Darin sind sich dann alle Diskutanten einig: Qualität hat Bestand. Abschließend vergleicht Gesine Weinmiller Architektur mit dem Kräftefeld in einer guten Ehe und dem Ringen zwischen Laut und Leise, zwischen Ruhe und Kraft. Angesichts der ihrer Architektur innewohnenden puristischen Reduktion müsse sie selbst vielleicht auch wieder lernen, Fehler zu machen – Webfehler, wie bei einem orientalischen Teppich. Womit ihr die Gefahr bewusst zu sein scheint, dass allzu perfektionistische Architektur leicht eine gewisse emotionale Kälte erzeugt