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Die Heidelberger Schlossgespräche sind inzwischen so etwas wie die Champions League der Architekturvorträge. Dafür spricht nach den Worten von Moderator Wolfgang Riehle die Tatsache, dass es gelingt, zeitgleich zum Fußballspiel Bayern-München gegen Real-Madrid den Königsaal des Heidelberger Schlosses mit architekturaffinem Publikum zu füllen. Der Hausherr und Mitinitiator der Reihe Bernd Müller (Vermögen und Bau Baden-Württemberg) konnte in diesem Zusammen- hang berichten, dass eine Ausstellung über die bisherigen Veranstaltungen selbst in Santiago de Chile auf großes Interesse gestoßen war. Entsprechend neugierig war man auf den Verlauf des Abends und den Vortrag des Stuttgarters Tobias Wulf, mit dem die Gesprächsreihe wieder einmal einen „Lokalmatadoren“ zu Gast hatte.
Den Titel "Stil oder Haltung" habe er sich selbst eingebrockt, bemerkte Wulf zu Beginn seines Vortrags. Dabei stellte er gleich klar, dass ein fester Stil seine Sache nicht ist. Spätestens mit Heinrich Hübschs 1828 veröffentlichter Schrift "In welchem Stile sollen wir bauen" endete derentsprechende gesellschaftliche Konsens; die Übereinkunft in einem bestimmten Stil zu bauen machte Manierismen oder Attitüden Platz. Zwar gäbe es einen architektonischen Mainstream, dieser in jeder Hinsicht austauschbaren Architektur werde von Wulf und Partner aber eine klare Haltung entgegengesetzt. Dabei arbeitet das Büro nach eigener Vorgabe konzeptionell statt kommerziell, klare bauliche Strukturen folgten einer inhaltlichen Logik und der gestalterische Grundgedanke müsse klar formuliert und auf die Spitze getrieben werden.
Wulf zeigte mehrere Projekte bei denen er die Suche nach pointierten Konzepten beispielhaft erläuterte. Da sind zunächst vier Grundschulen in modularer Bauweise für die Stadt München. Das klare Raumkonzept mit Tonnendecken soll zur Blaupause für künftig mehr als 50 Schulen in der Stadt werden. Er präsentierte ein Forschungs- und Lehrgebäude der Universität Mannheim, bei dem die sorgsame Detaillierung der Fassade aus Betonfertigteilen trotz der Verwendung von 311 gleichen Fenstern eine große Differenziertheit und Wertigkeit aufweist (Wulf verwies auf die 2000 identischen Fenster des Mannheimer Schlosses). Schwierig war die Frage des Umgangs mit der Architektur des dritten Reiches bei den Umbau- und Erweiterungsarbeiten an der Ordensburg Sonthofen.
Ein monumental unbequemes Ensemble, bei dem man sich durch Geschichte und Monumentalität allerdings nicht provozieren lassen wollte. Statt für eine betont aggressive Formensprache (wie sie etwa Libeskind beim Militärhistorischen Museum in Dresden wählte) entschied sich das Büro für eine moderat moderne Weiterentwicklung des Vorgefundenen durch unauffällige Integration der Bauten in den Bestand und die Natur. Auch die weiteren Projekte hatten jeweils gestalterische oder strukturelle Leitmotive, sei es das Modul eines Essplatzes, welches bei der Mensa des Berufsschulzentrums Nord in Darmstadt die Struktur des Hauses bestimmt, oder die strukturelle Herleitung der Form aus einem 12x12 m Raster bei einem Wettbewerbsbeitrag für die TU Berlin. Ein architektonisches Thema kann sich aber auch aus dem Material ergeben, beispielhaft die Verwendung von Lehm als Baumaterial bei der Deutschen Botschaft in Tiflis. Zahlreiche Wettbewerbserfolge belegen, dass es dem Büro gelingt, mit konsequenter Architektursprache immer wieder überzeugend individuelle Lösungen zu entwickeln.
Die anschließende Diskussion mit Tobias Wulf sowie Anna Scheuermann, Kuratorin von „Making Heimat“ auf der Biennale Venedig 2016, und dem Maler Eckart Hahn litt womöglich daran, dass sich Moderator Wolfgang Riehle und die sonstigen Protagonisten teilweise freundschaftlich verbunden waren. So sprachen diese dann eher über ihre eigenen Arbeiten, als dass sich eine echte Diskussion über Wulfs Architektur und Haltung ergeben hätte. Dass sich die Frage nach einem erkennbaren Stil aus kommerziellen Überlegungen beim bildenden Künstler ganz anders stellt als beim Architekten, liegt auf der Hand. Die Frage nach dem Heimatbegriff in der Architektur, die ja auch bei Anna Scheuermanns Arbeit in Venedig eine Rolle spielte, hätte man am Sonthofener Beispiel aber durchaus kontrovers diskutieren können. Die Entscheidung, das monumentale Ensemble aus dem Nationalsozialismus weiter zu bauen, ist sicherlich provokant und es wäre spannend gewesen, ob es abseits der architektonischen auch eine gesellschaftlich politische Haltung gibt, die eher zu Bruch und Verweigerung als zur Anpassung verpflichten würde.
Reicht für eine architektonische „Haltung“ tatsächlich schon eine möglichst konsequente formale Umsetzung struktureller und gestalterischer Konzepte? Überraschenderweise spielten politisch gesellschaftliche Fragen oder Nachhaltigkeitskonzepte in Vortrag und Diskussion so gut wie keine Rolle. Wobei in der Unterordnung dieser Themen – falls so tatsächlich beabsichtigt – durchaus eine architektonische Haltung liegen könnte, die zu diskutieren sich lohnen würde. Diese Chance wurde leider vertan. So teilten beim anschließenden Gespräch bei Brezeln und Wein viele Besucherinnen und Besucher die Einschätzung des Berichterstatters, dass einem guten Vortrag über Konsequenz in derarchitektonischen Gestaltung eine etwas beliebig harmonische Gesprächsrunde folgte.
Tobias Wulf, Wolfgang Riehle, Anna Scheuermann, Eckart Hahn und „Schlossherr“ Bernd Müller, Vermögen und Bau Baden-Württemberg