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Können Architekten Popstars sein? Dieser Eindruck drängte sich durchausauf, als am 13. November 2014 die 8. Heidelberger Schlossgespräche mit Daniel Libeskind stattfanden. Von mehr als 1.200 Anmeldungen konnte Mitveranstalter Bernd Müller, Vermögen und Bau Baden-Württemberg, eingangs berichten und die bereiteten den Organisatoren ungeahnte Probleme. Da die Kapazität des Königssaals und der sonstigen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten begrenzt ist, wurde zum einen eine Videoübertragung in einen anderen Saal eingerichtet und zumanderen musste etlichen Interessenten eine Absage erteilt werden.
Etwa 800 Zuschauer sahen und hörten dann aber einen Vortrag mit zahlreichen philosophischen Verweisen und einigen durchaus poetischen Momenten. Wobei Libeskinds Gedanken zum Bauen im Kontext jedes Werben um vordergründige Popularität fehlte. Wie er auch bewies, dass man sich als Star der Szene durchaus intensiv auf Umgebung und Historie eines Ortes einlassen kann. Moderator Reinhard Hübsch betitelte den Vortrag im Vorfeld mit "difficulties", als "Bauen an schwierigen Orten", wobei der Zuhörer nach und nach zur Erkenntnis gelangte, dass Libeskind ohne die Herausforderung des jeweiligen Ortes, den physischen, spirituellen und historischen Besonderheiten, seine erzählerische Formensprache gar nicht entwickeln kann.
Beim ersten vorgestellten Projekt, dem jüdischen Museum in Berlin, war der Bezug zum Haus und zum Ort noch Teil der eigenen Geschichte des in Polen aufgewachsenen Libeskind. Das Gebäude erzählt viele Geschichten, wird quasi ein literarischer Ort, der nach Stimmen und Dingen sucht. Hörbare Stimmen und vorhandene Dinge, wenn sie auch von zahlreichen Schichten, die es freizulegen gilt, bedeckt sind. Libeskind erzählt die Geschichte einer Holocaust-Überlebenden, die ihre Hoffnung und Zuversicht aus einer Linie weißen Lichtes in der Ritze eines Viehwaggons zog; architektonisch übersetzt in die indirekte Ausleuchtung eines Raumes am Ende des Weges durch das Berliner Museum. "Ohne Hoffnung kann es keine Architektur und keine Zukunft geben" – einer der zentralen Sätze von Libeskind an diesem Abend.
Ganz anders das Militärgeschichtliche Museum in Dresden: ein Ort, welcher die Geschichte von Gewalt und Totalitarismus erzählt und gleichzeitig den demokratischen Geist der Gegenwart atmet. Wie die Jahre 1914 bis '45 ein Schnitt in der deutschen Geschichte waren, geht auch ein Schnitt durch das Museum – formal wie in der Materialsprache hebt er sich vom sorgfältig restaurierten Rest des Hauses ab.
Die nächsten vorgestellten Projekte zeichnen sich durch den – wie Libeskind es nennt – kleinen Fußabdruck aus. Komprimierter Wohnungsbau wie bei einem großen Projekt in Singapur, wo es gelang, die ursprünglich zulässige Höhe zu verdoppeln und dadurch großzügige Freiflächen für die Allgemeinheit zu schaffen. Gleichzeitig erzeugen die doppelt gekrümmten Gebäude mit begrünten Hauskronen ein Höchstmaß an Identität für die Bewohner. Ähnlich das Wohnungsbauprojekt "citylife" in Mailand, bei dem die Monotonie des großformatigen Wohnungsbaus aufgebrochen wurde.
Dass Libeskinds Architektur auch im kleinen Maßstab funktioniert, zeigt ein sehr kleines und damit ungewöhnliches Projekt: ein scharfgeschnittenes, privates Wohnhaus für einen Kunstsammler in Connecticut. Die Bauherren wollten jedoch keine Hülle für ihre Kunst, vielmehr sollte das Haus selbst zum "Gesamtkunstwerk" werden. Libeskind schuf einen Mikrokosmos der Architektur, entwarf alles bis hinzu den Möbeln und dem Licht. Edelstahlplatten scheinen aus der Erde heraus zu brechen, während Holz im Inneren Wärme und Aufenthaltsqualität schafft.
Ein privat finanziertes Industriemuseum in Wuhan/China war der Auslöser, sich mit Nachhaltigkeit und dem Umgang mit Geschichte in diesem Land zu beschäftigen. Daraus ergab sich ein Folgeauftrag für Arbeiterbehausungen – ein Projekt mit minimiertem Kostenrahmen. Libeskind versucht mit regionalen Materialien und Bautraditionen Identität zu schaffen und Kostenzu sparen – gleichzeitig gilt es, einen Geist für soziales Umfeld und Solidarität entstehen zu lassen und auch, mit diesen Bauten so etwas wie Eleganz zu generieren. Noch sind die Gebäude nicht über die Projektphase hinaus gekommen – die Tatsache, dass er den New Yorker Bürgermeister Bill De Blasio in Fragen des kostengünstigen Wohnungsbaus berät, zeugt allerdings von der Ernsthaftigkeit, mit der Libeskind dieses Thema verfolgt.
Libeskind beendete seinen Vortrag mit seinem wohl spektakulärsten Projekt: dem Masterplan für den Wiederaufbau von Ground Zero. Er hätte den Menschen von New York ein Werk von Bedeutung geben wollen, das den Blick in die Zukunft richtet. Ein Denkmal, aber auch ein Symbol für Amerika. Als Einziger im Wettbewerb plante Libeskind keinen zentralen Turm auf den Ruinen des World Trade Centers – der Abdruck der gefallenen Türme blieb frei, um ihn herum ordnet sich eine Peripherie aus Türmen unterschiedlicher Größe an. Ein eher kleinteiliger Städtebau, der auch die große Chance einer phasenweisen Errichtung bietet. Es sind architektonische Details, welche die bewegende Geschichte dieses Ortes erzählen. Details wie die Freilegung des unterirdischen Hudsondammes, der glücklicherweise von der Zerstörung verschont blieb und der das U-Bahnnetz vor Überflutung schützt.
Im anschließenden Podiumsgespräch mit der Ausstellungskuratorin Kristin Feireiss, Kaye Geipel von der Bauwelt und Moderator Reinhard Hübsch konnte Libeskind seine Standpunkte zum Arbeiten im historischen Kontext noch weiter präzisieren. Für ihn sei Tradition nicht der liebe Hund, den man zähmen könne; im Gegenteil, Tradition und Geschichte seien teilweise gewalttätig und Nostalgie als Selbstzweck funktioniere nicht in der Architektur. Auf die Frage, wie man Erinnerungen in Architektur umsetzen könne, meinte Libeskind, man müsse sich auf das Experiment der Erinnerung als physische Erfahrung und als zentrales Element der Architektur einlassen. Sie sei die Verbindung zu einer nonverbalen Sprache – Rezepte zur Umsetzung könne er aber keine geben. Problematisch sei allerdings die Verlagerung der Erinnerungen in eine virtuelle Welt, was dazu führe, dass heutzutage geschichtslose Städte gebaut würden.
Dabei findet Libeskind den Begriff des Kontextes in der Architektur durchaus problematisch, selbstverständlich habe jeder Ort einen Kontext, dieser müsse aber bei weitem nicht physisch sein. Weshalb sich Architektur auch durchaus gegen kollektive Erwartungen an das Aussehen von Gebäuden stellen dürfe. Es seien jedoch nicht die dramatischen Formen, die Architektur in der Erinnerung ausmachen, sondern die Kleinigkeiten, die Feinheiten. "It's not about a big idea!" wie Libeskind sagt. Wie auch letztendlich der Mensch im Fokussteht: "Die Öffentlichkeit schafft 60 Prozent eines jeden Projektes, ansonsten ist es kein gutes Projekt." Die Frage der architektonischen Formensprache sei dafür weit weniger relevant als die Qualität des öffentlichen Raumes, den Architektur schafft. Mit dem Plädoyer für den öffentlichen Raum endete ein ungewöhnlich poetischer und philosophischer Abend mit einem Gast, der auf bescheiden symphatische Art unterstrich, warum er zu den ganz großen Stars der internationalen Architekturszene zählt.