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Inzwischen ist es fast schon eine liebe Tradition: Zwei mal jährlich finden im Königssaal des Heidelberger Schlosses die sogenannten Schlossgespräche „Reden über Architektur“ statt. Sowohl Mitveranstalter Bernd Müller, Vermögen und Bau Baden-Württemberg, als auch der erste Bürgermeister Bernd Stadel wiesen in ihren Begrüßungen darauf hin, dass sich zwischenzeitlich in Heidelberg eine der bundesweit wichtigsten Veranstaltungen zur Architekturrezension etabliert hat – und dies mit bemerkenswertem Erfolg wie die mehr als 500 Besucher an diesem Abend bewiesen. Gastredner am 09.04.2013 war Michael Schumacher vom Büro schneider und schumacher aus Frankfurt, ein „architektonischer Schlankmacher“ wie Moderator Reinhard Hübsch vom SWR einleitend bemerkte; Projekte wie das Städel oder auch das Cervantes Institut seien im Umgang mit den architektonischen Mitteln ausgesprochen kalorienbewusst.
Wie dies zu verstehen ist zeigt Michael Schumacher in seinem Werkbericht. Thema in Heidelberg ist ja das Bauen im historischen Kontext und dieser historische Kontext wurde von Schumacher überraschend weit gefasst bis hin zum sensiblem Umgang mit 70´er Jahre Architekturen bei der Sanierung. Ergänzungen und Reparaturen, die sich zurück nehmen, Bauten, die sich in die umgebene Landschaft einbetten und eine selbstbewusste aber gleichzeitig fast schon demütige Haltung offenbaren, wie die Gedenkstätte Sachsenhausen, das ERCO Hochregallager oder der Teilchenbeschleuniger in Darmstadt. Aktuellstes Beispiel war die Autobahnkirche Siegerland, eine aus dem abstrakten Kirchenlogo abgeleitete Architekturplastik. Was Hübsch aber mit dem „kalorienbewussten Bauen“ meinte, zeigt sich am eindrucksvollsten bei den Umbauten und Erweiterungen. Der Umbau des Amerikahauses – jetzt Instituto Cervantes - in Frankfurt, die Sanierung des Dresdner Bank Turms aus den 70´er Jahren und auch der Umbau des ehemaligen amerikanischen Konsulates aus den 50´ern wurden realisiert, ohne dass die Architekten den Häusern offensichtlich den Stempel des 21. Jahrhunderts aufdrücken wollten. schneider und schumacher seien keine Freunde einer „ikonischen Architektur“, wir bräuchten keine Stararchitekten oder laute Baukunst sondern schlicht und einfach ein Gefühl für Baukultur.
Was sind aber die Themen des Büros schneider und schumacher, woraus leiten sie ihre Konzepte ab? Michael Schumacher erläutert verschiedene Ansätze des Büros im Umgang mit Bestand: Die „Authentizität“ – also den Geist der Gegenstände, den es soweit als möglich zu bewahren gilt – auch wenn dabei Brüche und Verletzungen offenbar werden.Falls Authentizität nicht – oder nur beschränkt – möglich ist, hält man sich an den „spirit“ – also den Geist des Gebauten. Ein gelungenes Beispiel hierfür ist für Schumacher der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche. Dann die „Frage nach den Übergängen“ der Kontrast oder auch die Ergänzung von Alt und Neu.
Die letzten beiden gezeigten Arbeiten verdeutlichen die Vorgehensweise vielleicht am besten: Die Sanierung der Städelschule bei der die Eingriffe praktisch unsichtbar sind, Patina und Gebrauchsspuren ganz im Sinne der Authentizität erhalten blieben und die vielfach publizierte Erweiterung des Städelmuseums, wobei 3000 qm überaus attraktive Museumsfläche unter einem begrünten und begehbaren Dach im Innenhof des Museums geschaffen wurden. Im Wettbewerb wollte der Bauherr eigentlich einen spektakulären Neubau mit „Bilbaoeffekt“ – die Architektur von schneider und schumacher verweigert sich der großen Geste, wobei die gekrümmte Deckenschale mit 195 runden Oberlichtern durchaus zum neuen Erkennungszeichen des Museums geworden ist.
Nach langem Applaus leitet Reinhard Hübsch die Diskussion mit der Vorstellung der Podiumsteilnehmer ein: Ingeborg Flagge, die große Dame der Architektur und Baukultur und Alexander Schwarz, Leiter des Berliner Büros von David Chipperfield und unter anderem Entwurfsarchitekt des Neuen Museums in Berlin.
Ingeborg Flagge gibt Michael Schumacher durchaus darin recht, dass sich Architektur und Kritik wieder mehr um gute Alltagsarchitekturen kümmern muss. Auch Alexander Schwarz sieht sich grundsätzlich nicht allzu weit entfernt von Schumacher, hat aber durchaus Probleme mit der architektonischen „Authentizität“ und vor allem dem „spirit“. Authentizität ist für Schwarz eine Ureigenschaft von Architektur – und dies unabhängig vom Alter des Gebäudes. Und der „spirit“ – also der Geist von Architektur ergibt sich bei jeder Arbeit am Bestand aus der Erfindung des entwerfenden Architekten, dieser Geist ist damit höchst subjektiv und wird jeweils höchst individuell interpretiert. Wobei der Prozess des „Findens“ für ihn ein wesentlicher Aspekt der kreativen Arbeit ist.In der Folge wird Schumachers Würdigung der Dresdner Frauenkirche wieder aufgegriffen. Für Alexander Schwarz zeigt der Wiederaufbau das offensichtliche Bedürfnis, dass die Physis der Städte uns wieder mit Sehnsucht erfüllt. Der Wiederaufbau ist für ihn jedoch „haarscharf daneben gegangen“, der Versuch den „Geist“ des Rokkoko zu beschwören musste für seines Erachtens scheitern, der Bau hätte mit hoher assoziativer Dichte im Rohbau bleiben müssen. Ingeborg Flagge bedauert im Zusammenhang mit der Rekonstruktionsdiskussion, dass der Wert der Architekturikonen aus den 50´er Jahren zunehmend verkannt wird. Bestrebungen, Bauten wie den Hannoverschen Landtag von Oesterlen oder das Mainzer Rathaus von Arne Jakobsen abzureißen, sind für Flagge Zeichen der Verarmung der Welt. Auch sie erfreut sich an der Konfrontation von Alt und Neu in der Architektur, das behutsame Aufnehmen ist dabei spannender als die reine Rekonstruktion – wie beispielsweise in der Frauenkirche. Auch Schwarz bedauert das Fehlen eines Wertesystems für unser architektonisches Erbe, das Nebeneinander verschiedenster Stile ist für ihn ein ganz wesentliches Element der europäischen Stadt. Oder – wie Schumacher es ausdrückt – neue Architektur muss nicht sein wie alle anderen, aber sie muss „höflich“ den anderen gegenüber sein. Dann wird aus Alt und Neu ein Ganzes.
Zum Ende der Diskussion kam Moderator Hübsch wieder auf den Gastgeber der Schlossgespräche zurück, - wie solle man in einer Stadt wie Heidelberg mit dem historischen Bestand umgehen? Der unglaubliche Wert einer nicht kriegszerstörten Stadt wurde einhellig gepriesen. Ingeborg Flagge zeigte sich dabei erstaunt über die Anzahl von großen historischen Bauten die ganz selbstverständlich in einer sehr kleinteiligen Umgebung stehen. Für Alexander Schwarz sollten Städte normalerweise sein wie Heidelberg, nur sei diese Normalität leider zur Ausnahme geworden. Und er warnte vor einer Verkrampfung im Umgang mit dieser Stadt aus der Angst heraus, nichts falsch machen zu dürfen. Mit dem Appel, auch eine Stadt wie Heidelberg ganz selbstverständlich zu „benutzen“ – ohne ihren Wert zu verkennen – endete der offizielle Teil des Abends dem noch angeregte Gespräche und Diskussionen folgten.
Das nächste Forum „Heidelberger Schlossgespräche – Reden über Architektur“ findet am Donnerstag, 10. Oktober 2013, um 19 Uhr im Heidelberger Schloss statt.
Bei den sechsten Schlossgesprächen ist unter anderem der Architekt Stefan Marte aus Vorarlberg zu Gast. Gemeinsam mit seinem Bruder zählt er zu den international beachteten Vertretern der zeitgenössischen österreichischen Architektur, die mit ihren formal reduzierten Betonbauten wahre Raumkunstwerke erschaffen.
Die Veranstaltung, die von Reinhard Hübsch, Kulturredakteur beim SWR, moderiert wird, findet wie immer im Königssaal des Heidelberger Schlosses statt.
Text von: Stephan Weber