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„Architekturexport“ – unter diesem Thema standen die 7. Heidelberger Schlossgespräche die am 1. April 2014 wieder mehr als 500 Architekturinteressierte Besucher ins Heidelberger Schloss lockten. Ein erfolgreiches Beispiel für Architekturexport sei die europäische Stadt mit weltweiter Vorbildfunktion, so der Heidelberger Oberbürgermeister Dr. Eckhart Würzner in seinen einleitenden Worten. Er äußerte die Hoffnung, dass die Internationalen Bauausstellung „Wissen schafft Stadt“, die bis 2022 in Heidelberg internationale Maßstäbe setzen soll, ebenfalls ein Erfolgsmodell werden könne.
Aber welchen Mehrwert kann Architektur „made in Germany“ bringen? Wie sieht der Wissenstransfer ins Ausland aus? Stefan Behnisch relativiert den Begriff „Architekturexport“ in seinem Vortrag denn auch sofort, handelt es sich doch nicht um die Lieferung von Gütern ins Ausland - also um keine Exportleistung im volkswirtschaftlichen Sinn. Vielmehr geht es um den Austausch von Erfahrung, Wissen, Kultur, Tradition, also um den Transfer einer ideellen Leistung die am Erfüllungsort zu Veränderung führt. Wobei die Arbeit in der fremden Kultur auch gleichzeitig eine Wechselwirkung in der Heimat erzeugt. Und jeder Eingriff in eine andere Kultur bringt eine Verantwortung des Architekten mit sich, mit der sich Behnisch in seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion kritisch auseinandersetzt.
Den Weg in die Architektur fand Behnisch auf Umwegen; vor dem Architekturstudium hatte er zunächst Philosophie und Volkswirtschaft studiert. 1989, nach dem Studium, gründete er Behnisch Architekten als Zweigbüro von Behnisch und Partner, dem Büro seines Vaters Günter Behnisch. Zwei Jahre später wurde das Büro selbstständig und unterhält heute Büros in Stuttgart, München und Boston. Mit 3 Partnern und ca. 90 Mitarbeitern baut Behnisch weltweit, wobei der Schwerpunkt der Arbeiten in der westlichen Hemisphäre liegt. Anders als manch anderes deutsches Büro lehnt Behnisch die Arbeit in totalitären Regimen ab – glaubt auch nicht, dass Architektur zu konkreten gesellschaftlichen Veränderungen führen könne. Bevor diese Haltung in der anschließenden Diskussion vertieft wird zeigt er zunächst einige internationale Arbeiten des Büros:
Ein Schwerpunkt des Büros Behnisch ist die Suche nach nachhaltigen Lösungen und dieser sehr deutsche ganzheitliche Ansatz ist wohl auch ein Schlüssel des Erfolges im Ausland. Das Institut für Forst- und Naturwissenschaften in Wageningen Anfang der 90´er Jahre war ein erstes Europäisches Pilotprojekt für nachhaltiges Bauen. Bei den Bauten für das Internationale Patentamt in Genf zeigte sich, dass nachhaltige Lösungen für 140 verschiedene Einzelbauherren mit entsprechend komplexen Entscheidungsstrukturen nicht immer leicht durchzusetzen sind. Speziell in den USA hatte das Büro mit seiner ganzheitlichen Arbeitsweise Exotenstatus. Hier war es der Ansatz, im Wettbewerb mögliche Entwurfsstrategien statt fertiger Lösungen zu zeigen, die zu einem ersten Auftrag beim Genzyme Center in Cambridge, Massachusetts führte – dem ersten kommerziellen Gebäude mit Lead Platinum Status in den USA. Noch weiter ging das Büro bei der Juristischen Fakultät der University of Baltimore. Ein Gebäude, welches weitgehend von Sponsoren bezahlt wurde und in Punkto Energieeffizienz radikaler ist als alles, was in der Regel in Deutschland möglich ist. Als Generalplaner gelang es dem Büro typisch deutsche Planungstraditionen in die USA zu exportierten – eine Abkehr von der üblichen Arbeitsteilung zwischen Designer und Contractor. Auch hinsichtlich der Ausführung war ein Technologietransfer erforderlich, da der amerikanische Baumarkt praktisch keine der hier gebräuchlichen Produkte hatte. Zwischenzeitlich ist es gelungen, den US-amerikanischen Markt auch für Deutsche Baustoffe zu erschließen, Deutsche Technologien werden sogar erfolgreich von amerikanischen Unternehmen kopiert.
Wie der Anspruch der Nachhaltigkeit auch bei scheinbar profanen Bauvorhaben erfüllt werden kann, zeigt Behnisch mit dem letzten vorgestellten Objekt, einer Parkgarage in Santa Monica wo durch ein raffiniertes Spiegelsystem Licht in die Gebäudetiefe gebracht werden konnte. „Jede Aufgabe kann spannend sein“ – so Behnisch. Und wenn es darum geht, Elektrizität durch ganz neue Ansätze der natürlichen Belichtung zu sparen.
Die anschließende Diskussion unter der Leitung von Moderator Reinhard Hübsch vertieft zunächst die von Behnisch angesprochene Frage nach der ethischen Verantwortung des Architekten. Sowohl die ehemalige Direktorin des Deutschen Architekturzentrums Kristien Ring, als auch der Kurator und Architekturhistoriker Andreas Leppik, sind von Behnischs moralischem Appell beeindruckt, nicht in totalitären Systemen zu arbeiten. Behnisch leitet diese Haltung aber auch aus der Arbeitsweise seines Büros ab, dessen Bauten sich letztlich nur bei einer absolut offenen Diskussionskultur zwischen Architekt und Bauherren entwickeln könnten. Dafür habe er einen einfachen Grundsatz: Jeder im Büro müsse ohne Diskriminierung an jedem Projekt arbeiten können – unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung. Und diese Toleranz finde er nunmal nur in offenen Gesellschaften.
Hübschs These, dass Architektur an sich auch eine Therapeutische Wirkung entfalten könne und ein kulturelles Klima transportieren könne widersprach Behnisch energisch; er selbst kenne kein gesellschaftsveränderndes Gebäude. Eine unerwartete Anwort brachte Behnisch auf Kristien Rings Frage, wie man denn Zugang zu Bauherren in fremden Kulturen fände. Dabei sei für ihn entscheidend, dass man einen ähnlichen Humor habe, sich also auch auf der nichtfachlichen Ebene verstünde.
Am Ende der Veranstaltung werden nochmals die besonderen Qualifikationen Deutscher Büros erörtert. Für die Amerikanerin Kristien Ring sind dies ökologische Kompetenz und höchste Standards – gerade Behnischs Genzyne Center in Cambridge sei bahnbrechend für die Architektur in Boston gewesen. Die Präzision im Detail ist für Andreas Leppik entscheidend für den Erfolg deutscher – wie auch schweizerischer und österreichischer - Büros im Ausland. Nicht umsonst kämen immer mehr Ausländer – gerade auch aus China – zum Studium an Deutsche Architekturfakultäten. Behnisch stimmt zu, Deutsche Architektur sei nicht unbedingt als „sexy“ bekannt, Alleinstellungsmerkmal sei aber „the art of engineering“. Worauf Hübsch nach der entsprechenden deutschen Tradition fragt. Ring bestätigt, dass der Bauhausgedanke von Moderne und Qualität im Ausland noch immer trage und vermisst hierzulande die Würdigung planerischer Leistungen als kulturelle Beiträge. Dem stimmt Behnisch zu; nach wie vor werde Architektur eher als infrastrukturelle Leistung gewertet, gerade von Deutschen, die eher inhaltlich geprägt seien. Selbst die Nachhaltigkeitsdebatte würde hier über quantitative statt qualitative Werte geführt.
Abschließend versuchte Behnisch noch eine Lanze für möglichst offene Planungsprozesse beim Bauen zu brechen. Ein zunehmendes Problem – und damit war man wieder in Deutschland angekommen - sei die Institutionalisierung des Bauens. Beim Passivhaus beispielsweise sei die genaue Methodik vorgeschrieben: nicht das Ergebnis zähle, sondern der Weg. Mit diesem nochmaligen Appell an einen möglichst offenen Planungsdialog endete eine Veranstaltung, die nicht nur faszinierende Architektur zeigte, sondern auch den ein oder anderen Denkanstoß brachte.
Stephan Weber