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Beispiel Stuttgart: eine Bemerkung zur Baukultur in der Energiewende von Thomas Herrmann, Sprecher der FÜNF Stuttgarter Kammergruppen
Der Stuttgarter Rathausturm soll auf zwei Seiten mit schwarzen Photovoltaikmodulen verkleidet werden. Die Schlussfolie einer Präsentation zu PV-Anlagen auf städtischen Gebäuden sorgte kürzlich für Kopfschütteln im Umweltausschuss und bei Zeitungslesern in der Landeshauptstadt. Das Vorhaben ist mittlerweile zurückgestellt. Es soll im Gestaltungsbeirat und im Städtebauausschuss behandelt werden. Der Vorgang wirft ein Schlaglicht auf die bauliche Umsetzung der Energiewende in energiepolitisch engagierten Kommunen. Es soll dort schnell möglichst viel Leistung aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Dazu bedient man sich gern eingeführter Systeme, die man ohne großen planerischen Vorlauf überall, wo gerade eine Fläche verfügbar ist, durch die zuständigen technischen Dienste anbringen lassen kann. Man möchte aber auch, dass die eigenen Anstrengungen gesehen werden. Deshalb sind PV-Module an den Fassaden öffentlicher Gebäude besonders beliebt, egal, wie wirtschaftlich, energieeffizient oder gestalterisch plausibel sie sind. Oben am Stuttgarter Rathausturm hätte eine solche Anlage zweifellos einen starken Symbolwert. Das Neue Rathaus von Paul Stohrer und F. E. Schmohl ist aber auch ein herausragendes Zeitdokument vom Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg – durch seine Qualitäten ebenso wie in seiner Widersprüchlichkeit. Beim Umgang mit einem solchen Gebäude ist äußerste Sensibilität gefragt. Ihn einfach mit handelsüblichen Solarmodulen zu behängen, sollte sich von selbst verbieten.
Auf dem Weg zur CO2-neutralen Gesellschaft spielt gebäudeintegrierte Photovoltaik eine wichtige Rolle. Die bisher entstandenen Anlagen können gestalterisch allerdings selten befriedigen. Am besten versteckt man sie hinter der Attika von Flachdächern. An den geneigten Dächern von Bestandsbauten bedeuten sie oft peinliche Verunstaltungen. Die PV-Fläche an Gebäuden wird sich künftig vervielfachen, die Anlagen der ersten Generation sind demnächst zu erneuern. Dringend werden deshalb neue Techniken und Gestaltungskonzepte gesucht, mit denen sich Energie an und mit Gebäuden effizient gewinnen lässt, ohne dass ganze Stadtbilder beeinträchtigt werden. Forschungseinrichtungen und Industrie befassen sich längst mit dem Thema. Die Markteinführung innovativer Systeme und Materialien erweist sich aber als extrem schwierig. Häufig wechselnde gesetzliche Rahmenbedingungen, zeitraubende und teure Genehmigungsverfahren, die Unübersichtlichkeit des Angebotenen und das marktwirtschaftliche Gesetz, dass ein Produkt erst durch Massenproduktion konkurrenzfähig wird, verhindern, dass die bekannten Lösungen durch Bessere ersetzt werden.
Die AKBW arbeitet zurzeit an einer ambitionierten Studie mit, die genau hier ansetzt. Ein Leitfaden soll entstehen, der Architekten und Bauherren zeigt, was heute schon möglich ist.Baden-Württemberg hat eine große Tradition in der Entwicklung neuer Technologien sowohl im Bauen als auch bei erneuerbaren Energien. Würden wir unsere Kräfte bündeln, könnten wir auf diesen Zukunftsmärkten zur Spitze der Entwicklung aufschließen. Die öffentlichen Auftraggeber, allen voran die Landeshauptstadt, sollten dabei Vorreiter und Antreiber sein. Stuttgart hat bereits einen ambitionierten Klimaaktionsplan entwickelt. Die jetzt anstehende Umsetzung darf sich aber nicht in der quantitativen Erfüllung energetischer Vorgaben erschöpfen. Jetzt geht es um die Entwicklung neuer Qualitäten, um ganzheitliche Ansätze und innovative Konzepte. Ein im Stadtbild wirksames Symbol für die Bedeutung dieser Zukunftstechnologien wäre dabei sinnvoll, wenn es zugleich für die Innovationskraft unserer Region stehen könnte. Ob aber der Rathausturm dafür der richtige Ort ist, erscheint doch sehr fraglich. Der Hochbunker auf dem Pragsattel oder etwa der Gaskessel am Wasen sind im Stadtbild ähnlich präsent und würden wesentlich mehr Spielraum für technologische Experimente lassen.Um die Ziele der Energiewende zu erreichen braucht es zu allererst die Akzeptanz der Bevölkerung. Durch finanzielle Anreize, Horrorszenarien oder rein symbolische Zeichensetzung lässt sich diese nicht herstellen. Wir müssen vielmehr beweisen, dass die notwendigen Veränderungen unsere Landschaften und Städte nicht nur nicht zerstören, dass sie vielmehr bereichernd sein können. Der Mut, neue Wege zu gehen, muss immer verbunden sein mit höchstem Respekt vor dem Vorhandenen – auch vor den geistigen Leistungen unserer Vorgänger!
Zusammen stärker: Das Kooperationsprojekt der AKBW zur gebäudeintegrierten Photovoltaik ist offiziell gestartet. Die drei Partner: ZSW, ISE und die HTWG Konstanz. Das Land gibt knapp 1,5 Mio. Euro.
Pressemitteilung vom 9. Juli 2020
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