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Das Thema „Öffentliche Räume gewinnen“ ist in der Stadtgesellschaft angekommen. Das ist spätestens seit den Kommunalwahlen klar, wie zum Auftakt des dritten Tags der Stadtplanung und Landschaftsarchitektur am 24. Juni ein Rückblick auf die Slogans der Wahlplakate zeigte. „Wir brauchen in diesen Zeiten den fundierten Diskurs“, so Kammerpräsident Markus Müller in seiner Begrüßung. Denn: „Freiraum ist – egal ob als Stadtplanung oder als landschaftlich geprägter Freiraum – ein zentrales Gut unserer Gesellschaft.“
Stadtplaner Albrecht Reuß, begleitendes Vorstandsmitglied im Kompetenzteam Landesentwicklung, das die Veranstaltung federführend konzipiert hatte, freute sich über rund 150 Gäste im Haus der Architektinnen und Architekten sowie 100 Teilnehmende online: zur Hälfte Stadtplanerinnen und Stadtplaner, etwa ein Drittel Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten, der Rest aus Architektur, Wirtschaft, Wissenschaft … „Die Planung und die Planungsaufgaben werden immer komplexer. Wir können sie nicht mehr nur aus der jeweiligen Disziplin lösen, wir brauchen Verbündete“, konstatierte Hannes Bäuerle, Vertreter der Landschaftsarchitektur im AKBW-Landesvorstand. „Nur im Kollektiv schaffen wir das Zusammenspiel aller Beteiligten und nur so gelingt uns die Umsetzung der planerischen Aufgaben.“
Entsprechend interdisziplinär war das Programm. Prof. Dr. Jan Riel vom Institut für Verkehr und Infrastruktur an der Hochschule Karlsruhe sah eine ganz klare Schnittstelle zwischen Mobilität und der Transformation des öffentlichen Raums. Am Beispiel der Aktion „Tausche Autoschlüssel gegen E-Bike“ in Baiersbronn wurde deutlich: Besteht ein entsprechendes Angebot, so steigen die Menschen um. Die zurückgelegten Entfernungen entsprechend dabei durchaus denen, die sonst mit dem Auto gefahren werden. Umgekehrt haben das Stellplatz-Angebot und die Pkw-Verfügbarkeit Einfluss auf die Nutzung des Pkw im Alltag. „Die LBO setzt die falschen Anreize“, so Riel. „Wir sollten weg von der Stellplatzgarantie, hin zur Mobilitätsgarantie.“ Außerdem: „Sharing ist der Schlüssel zur Entlastung des öffentlichen Raums.“
Welche Potenziale frei werden, wenn Parkierungsflächen Aufenthaltsräumen weichen, zeigte Riel am Beispiel des temporären Reallabors Karlstraße in Karlsruhe, das sein Institut wissenschaftlich evaluiert hat. Die ehemalige reine Geschäftsstraße schuf eine bisher fehlende Verbindung für Radfahrer in Nord-Süd-Richtung, die Menschen nutzten sie zur Durchquerung, zum Einkaufen; doppelt so viele wie früher verbrachten ihre Mittagspause dort. Das Reallabor ist Teil der Umsetzung des Rahmenplans für den öffentlichen Raum und Mobilität in der Karlsruher Innenstadt – und nicht das einzige. Auch der Passagehof wurde zunächst temporär, nach entsprechendem Gemeinderatsbeschluss dann dauerhaft zur reinen Fußgängerzone. Diese Aufwertung des öffentlichen Raums habe eine Karlsruherin gar motiviert, die Möblierung und die Pflege für die nächsten fünf Jahre zu spenden, berichtete Oriana Kraemer. „Es heißt immer: Die Stadt soll’s richten. Wir brauchen aber ALLE“, motivierte sie. Die Projektleiterin bei der Stadt Karlsruhe stellte den Rahmenplan vor, den man dort liebevoll „ÖRMI“ nennt.
Gerade mal 120.000 Euro Budget gab es für die beiden Reallabore, die die Stadt im Zeitraum von sechs Monaten gemeinsam mit Gehl Architects (Kopenhagen) unter der Überschrift „Platz für mehr“ umgesetzt hat: die Hälfte davon floss in Medienkunst (Karlsruhe ist UNESCO City of Media Arts!), 30.000 Euro in die Bewässerung, die Personalstellen sind gar nicht eingerechnet. „Um die Planungsideen auf die Straße zu bringen, braucht es in der Verwaltung Verhandlungsgeschick, Geduld und Mut!“, stellte Kraemer fest.
Leon Legeland, Gehl Architects, plädierte dafür, Städte für Menschen zu planen und die Lebensqualität im öffentlichen Raum (Platz für mehr Grün, mehr Leben und gesunde Mobilität) von Anfang an im Blick zu haben. Deshalb dürfe auch die Mobilität nicht nur den Verkehrsplanerinnen und -planern überlassen werden. Wichtig sei aber auch eine gute Datengrundlage, so Legeland: „Nur so können wir eine Gestaltungsempfehlung geben und eine politische Entscheidungsgrundlage schaffen.“ Das Credo laute: messen, testen und dann verfeinern sowie Kommunikation und Partizipation von Anfang an.
Unter anderem auf den Wert der Natur als messbare Entscheidungsgrundlage setzt auch das Büro LAND, das in der Landschaftsarchitektur und Landschaftsberatung tätig ist. Die Visualisierung von Ökosystemleistungen beispielsweise veranschauliche, was die Investition in grün-blaue Infrastruktur bringt, betonte Kristina Knauf. Etwa Hitzereduktion durch Entsiegelung. Es gelte, multi-kodierte Stadträume durch Klimarobustheit zu schaffen – auch, indem Stadt aus der Landschaft heraus entwickelt wird. Als große Triebfeder sieht Knauf Förderprogramme, wenn beispielsweise die Gestaltung des öffentlichen Raums für eine Zuwendung immer Mitvoraussetzung sei.
Förderung war auch in Herrenberg ein „Umsetzungsbooster“, berichtete der ehemalige Baudezernent und Vorsitzender Tobis Meigel, der auch Vorsitzender der Kammergruppe Böblingen ist. Als eine von fünf Modellstädten für saubere Lauft erhielt Herrenberg eine 95-prozentige Förderquote durch die Bundesregierung. Unter dem Titel „Barrieren überwinden“ präsentierte Landschaftsarchitekt Stefan Fromm das mutmachende Projekt, bei dem die B14 zu einem grünen Boulevard umgestaltet wurde. Sein Büro hatte 2018 gemeinsam mit Wick + Partner Architekten · Stadtplaner den freiraumplanerischen Realisierungswettbewerb mit städtebaulichem Ideenteil gewonnen. Denn, so Meigel, in Herrenberg habe man erkannt: „Wir haben kein Verkehrsproblem, sondern ein städtebauliches Problem.“ Statt einer Verkehrsachse gibt es nun neuen öffentlichen Raum mit einem Überweg ohne Ampel, der Alt- und Innenstadt verbindet. Möglich allein durch eine intelligente Regelung, die den Verkehr im Bereich des Boulevards auf 20 bis 40 Km/h regelt. „Ein tolles Projekt, das die interdisziplinäre Zusammenarbeit zeigt, auch mit der Verkehrsplanung zusammen“, resümierte Stefan Fromm.
Genau darauf, auf Teamwork und Interdisziplinarität, kommt es an. So ein Fazit des inspirierenden Tages. Auf die Frage in der Abschlussdiskussion, wie man es schaffe, dass die Planungshoheit bei den Stadtplanerinnen und Stadtplanern, Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten bleibe, antwortete Oriana Kraemer deshalb dann auch: „Wir sollten nicht mehr von Hoheiten sprechen.“
Mit dem neuen Merkblatt 52 Freiräumlicher Entwurf stellt die AKBW eine Handreichung für die Honorierung freiräumlicher Planungen als informelle Vorstufe zur Objektplanung (§§ 38 ff. HOAI) oder Rechtsplanung (§§ 22 ff. HOAI) bereit. Für sogenannte informelle städtebauliche Planungen außerhalb der Systematik der HOAI hat sich das Merkblatt 51 Städtebaulicher Entwurf seit 1990 bewährt. Auch dieses wurde nun aktualisiert.
Gesucht sind bis 11. Oktober 2024 Projekte in Baden-Württemberg, die auf baulich vorgenutzten Flächen im Zeitraum von 2021 bis 2024 mit dem Fokus „Innenentwicklung – nachhaltig und zukunftsfähig“ realisiert wurden.