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In kaum einem Bereich zeigt der Berufsstand so kontroverse Haltungen wie beim Thema Wettbewerb. Es fängt schon mit einer Begriffsabgrenzung an: Unter Verfahren ist nicht unbedingt nur der Wettbewerb zu verstehen, es ist weit größer, setzt früher ein und ist mit der Juryentscheidung nicht beendet. Es greife als wichtiges Standbein der Planungskultur tief in das Selbstverständnis der Architektinnen und Architekten ein, so Markus Weismann, Vorsitzender des Kammerbezirks Stuttgart und AKBW-Landesvorstand, der rund 120 Interessierte zur Veranstaltung „Wettstreit der Verfahren“ am 4. Juni 2024 im Haus der Architektinnen und Architekten begrüßte.
Architekturpublizist Christian Holl („Marlowes“) hatte den Abend initiiert, ausgehend von einer Kontroverse über das gewählte GÜ-Verfahren beim neuen Besucherzentrum der Stuttgarter Weissenhofsiedlung – einem IBA’27-Projekt. Der Anspruch an öffentliche Wettbewerbe sei groß, so Holl. Die Plattform competitionline teilte jüngst mit, nur sieben Prozent aller öffentlichen Vergaben liefen über Wettbewerbe. „Woran liegt es? Überforderung/Überfrachtung der Verfahren als ‚Problemlöser‘, auch mit Fragen, die vorher nicht gelöst wurden? Liegt es an fehlender Bereitschaft zum Experiment? Oder teilweise auch an ständischem Dünkel?“, fragte Holl die Runde.
Den Input gab zuvor aber Andreas Hofer, Intendant der IBA’27 StadtRegion Stuttgart: Von insgesamt 37 Verfahren im Rahmen der IBA’27 gab es immerhin 22 Wettbewerbe, 10 Mehrfachbeauftragungen und 3 Werkstattverfahren. Alle Wettbewerbe waren wenigstens Realisierungswettbewerbe – 16 streng nach RPW, 5 angelehnt an RPW. 23 Projekte wurden mit Beteiligungsverfahren begleitet. Die Verfahren führt die IBA nicht selbst durch, sondern in Zusammenarbeit mit betreuenden Büros.
Man sehe sich als „Impulsgeber, Inspiratoren, Experimentalplattform“. Oft glichen Wettbewerbe Schweizer Taschenmessern: In sie werde alles Mögliche reinpackt, es würden unglaubliche Aufwände betrieben, was diese teuer und aufwändig werden ließe und viele Gemeinderäte in Folge abschrecke: „Aus Angst macht man das, was man immer gemacht hat.“
Es fehlt laut Hofer eine Großprojektekultur für 200 bis 300 Baueinheiten. Für viele Kommunen sei eine solche Größenordnung eine „Once-in-a-lifetime“-Aufgabe. Im Gremium werde vor einem internationalen Wettbewerb schon mal gefragt: „Können die deutsch?“ Auch über Ideenskizzen in Räten zu diskutieren, sei politisch „nicht ganz ungefährlich“. Es gebe viel Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ob Einladungsverfahren der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft mbH (SWSG) wie in Stuttgart-Rot, Zugang über ein niederschwelliges Verfahren mit einer Ideenskizze auf einem A1-Blatt wie in Backnang-West, ein eingeladenes städtebauliches Werkstattverfahren mit hochbaulichem Ideenteil wie in Wendlingen oder das städtebauliche Werkstattverfahren mit drei eingeladenen Teams und Begleitgremium in Salach (Schachenmayer Areal) – bei den IBA’27-Projekten wird die gesamte Klaviatur bespielt.
„Was haben wir gelernt? Mut zahlt sich aus! Keine Angst vor Jungen, vor Wilden, vor ausländischen Büros! Und: Aussicht auf Realisierung“, bilanzierte Hofer. „Wir haben die Erfahrung gemacht: ohne Auftragsversprechen keine Qualität – das ist extrem!“ Gelernt habe man auch, dass man einige Ansprüche runterschrauben könne, nicht zu Beginn schon jede Fachplanung einbinden müsse. Denn jedes Projekt sei ab einer gewissen Größenordnung ein Lernprozess für alle, man habe es immerhin mit vielen Laiengremien zu tun.
Thomas Treitz, Fachreferent für Wettbewerbs- und Vergabefragen bei der AKBW, sagte: „Das Instrument Wettbewerb ist ohne Zweifel gut, aber das wird leider zu oft noch nicht richtig verstanden.“ Zentral sei, die richtige Methode für die jeweilige Aufgabe zu wählen, da gebe es keine Allgemeingültigkeit. Für Philipp Schwarz, Leiter des Planungsamtes in Leinfelden-Echterdingen, ist Klimaneutralität der „Wettbewerbs-Changer“. Und Wettbewerbe seien wie „Druckbehälter“, welche die notwendigen politischen Diskussionen unter dem Zwang beschleunigen helfen, eine nachhaltige Lösung zu finden. Christine Tritschler, QRPlan, appellierte, die Erwartungen an einen Wettbewerb und was durch den Prozess überhaupt geklärt werden kann, vorher zu diskutieren: „Tut weh, zu sehen, wie viel ein Wettbewerb verlangt und was die Kollegen investieren müssen.“ Besser sei: Erst einmal die Aufgabe einfacher zu formulieren und dann in den Prozess einzusteigen.
Und Gisbert Renz vom Genossenschaftsverein Neues Heim berichtete, seit jeher in jedem Verfahren mindestens ein junges Büro zu beteiligen: „Wir waren schon immer mutig!“ Die Folge: Manches Nachwuchs-Büro starte nach dem Wettbewerb richtig durch – eine Entwicklungsmöglichkeit, die Markus Weismann für Berufseinsteiger eingangs anzweifelte.
Rainer Streule, Drei Architekten sagte: „Im Wettbewerb steckt Qualität drin.“ Aber die Büros müssten größer denken, in Teams arbeiten. „Kommunikation ist das A und O, wenn früh eine gute Basis da ist, geht das Projekt durch.“ Aus Streules Sicht zwingend für den Erfolg: „Gute, widerspruchsfreie Ausschreibungen“ und ausreichend Freiheiten zu lassen. Nach eineinhalb Stunden befand Markus Weismann, Streule unterstützend: „Wir diskutieren falsch!“ Planung und Kommunikation seien zwei Seiten einer Medaille – alle nickten. Wenn sich Dinge änderten wie in der momentanen Transformationsphase, brauche es Begleitung.
Insofern habe die IBA’27 eine Art Bildungsauftrag, der sich auch auf die Verwaltung erstreckt, die vielerorts noch immer in Akten-Rundläufen die Wunschlisten der Sachgebiete einsammle. „Die Frage, die wir uns am meisten stellen müssen: Wie gehen wir eigentlich mit unseren Ressourcen um?“ Mit isolierten Abarbeitungen jedenfalls nicht, waren sich alle einig.
Ebenso einig war man sich darüber, dass Vermittlung und Kommunikation immer entscheidendere Bedeutung zukommen wird. Mit der Erfahrung aus den unterschiedlichsten Projekten, so Weismann, sei das IBA’27-Team geradezu prädestiniert, auch nach 2027 als eine Art Projektgruppe zu agieren. Hofer selbst formulierte: „Im Intermediären liegt die Zukunft!“ Durch Projekte wie das Holzparkhaus in Wendlingen würden Diskussionen ausgelöst, Prozesse und Formate demonstriert. „Wir müssen diese Welle verstetigen!“
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