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Pehnt, Wolfgang:Deutsche Architektur seit 1900DVA und Wüstenrot Stiftung, München 2005, 592 Seiten, über 850 Farbfotos und Abbildungen, Bestellung grundsätzlich über den BuchhandelEuro 49,90
Es ist schlichtweg ein Standardwerk geworden. Mit Hilfe der Wüstenrot Stiftung hat Wolfgang Pehnt eine Geschichte der deutschen Architektur der Moderne bis zur Gegenwart vorgelegt, die an Facettenreichtum bei gleichzeitiger Prägnanz vorbildlich ist. Drei Aspekte heben dieses Buch von vergleichbaren Vorgängern ab: der Kunsthistoriker Pehnt setzt das Baugeschehen sorgsam in seinen Kontext der historischen Ereignisse und gesellschaftlichen Gemütszustände ein, die das Hin und Her erst verständlich werden lassen. Dabei hält er die angenehme Sachlichkeit eines Historikers ein, fern von cinematografisch dramatisiertem Pathos oder unangemessen spöttischer Gesinnungskritik. Der versierte Architekturkritiker Pehnt formuliert dabei so verständlich, dass kein Ingenieursdiplom zum Verständnis notwendig ist, auch ohne sich in endloses Namedropping oder trockenes Beschreiben zu verlieren. Man profitiert von seiner Kenntnis der zeitgenössischen Schriften und Theorien, ohne sich belehrt zu fühlen. Dazu betrachtet man Bildmaterial, das nicht die längst bekannten Postkartenmotive wiederholt. Aus dem Bemühen um bildliche Alternativen und manche nicht optimalen Fotos des Autors selbst kann sich aber auch eine optische Ermüdungserscheinung beim Durchblättern der 60er bis 80er Jahre einstellen. Deshalb sei die Qualität des Textes herausgestellt: Pehnt charakterisiert farbig eben auch die Wirkung der Bauten und scheut sich nicht, auch die Objekte der jüngeren Vergangenheit dezent zu bewerten. Er erzählt mit Leichtigkeit und streut gelegentlich eine Anekdote ein – man schmökert einfach mit Genuss.
Inhaltlich beeindruckt die breite Streuung der Themen und berücksichtigten Baugattungen. Pehnt verfolgt nicht nur den reinen Fortschritt der Avantgarde unter dem Aspekt der hehren Modernität, sondern dokumentiert auch das reale Baugeschehen wie den kaiserlichen Burgenbau oder den "Zyklopenstil". Unrealisierte Hochhausphantasien zeigen die Wünsche des Zeitgeists, ein anderes Kapitel ist auf Berlin konzentriert. Ausführlich wird die Architektur des "Dritten Reiches" analysiert und mit den verbrecherischen sozio-ökonomischen Bedingungen der monumentalen NS-Planungen konfrontiert. Sogar der Bunkerbau ist berücksichtigt. Nicht vergessen werden die Tätigkeiten deutscher Architekten im Exil, der verschiedenartige Umgang mit Ruinen, die parallele DDR-Architektur oder die besonderen Bedingungen der Wiedervereinigung.
Obwohl Pehnt im Vorwort allen Mahnern nach fehlenden Namen oder Objekten rhetorisch geschickt den Wind aus den Segeln nimmt und den Mut zur ganzen Fehlstrecke als Bedingung für ein solches Vorhaben nennt, sei dennoch ein Wermutstropfen verträufelt: man vermisst eine gleichwertige Einbindung der traditionalistischen Moderne der 20er Jahre, die das Baugeschehen dominierte und im Vergleich mit anderen nationalen Baukulturen eigenständige Werke von hoher Qualität hervorbrachte: über sie wurden in letzter Zeit viele Einzelaspekte erforscht, die in nun entstehende Überblicksdarstellungen einfließen sollten. Zwar wird die Vorgeschichte der Reformbewegung ausführlich ausgebreitet und es folgen passende Kapitel zu "Variationen der Moderne" und "Bauhaus und andere", in denen man nach jedem Absatz förmlich die Punktlandung erwartet. Doch hier kreist der Berg und streift permanent Randerscheinungen des Neoklassizismus, der Gedenkstätten oder der Holzbauexperimente, doch die Quintessenz eines Wohnhauses oder Kommunalbaus wird nicht einmal im Bild gezeigt, während dies der Bauhausmoderne vergönnt ist. Das ist wie eine Geschichte der englischen Architektur zu schreiben, ohne ein Landhaus von Lutyens oder Voysey zu zeigen. Pehnt hat bekanntermaßen seine besondere Vorliebe für den Expressionismus, dem er dafür entsprechend viel Platz einräumt.
In seinem Ausblick zum Schluss mahnt Pehnt angesichts der Vielfalt der Ausdrucksformen in jüngster Zeit: "Doch die Überlegung, wo das Feuerwerk bislang nie gesehener Einfälle angebracht ist und wo es nur das Leben stört, sollte man sich nicht versagen. (...) Im Alltag kommt man mit der anständigen Lösung, die Freiheitsräume in der Benutzung lässt, leichter zurecht als dem selbstsüchtigen Starprodukt (...). Das Ungewöhnliche selbst ist auf Normalität angewiesen. Ohne sie wäre es in seiner Besonderheit nicht wahrzunehmen, weil es im Chaos lärmender Sonderbarkeiten unterginge. Das gut gemachte Gewöhnliche ist die Wahrnehmungsbedingung des Ungewöhnlichen und umgekehrt."Bemerkenswert, wie sich manche Probleme der deutschen Architektur des 20. Jahrhunderts doch konstant halten. Bei Schmitthenner klang dies 1932 so: "Die großen Werke der Baukunst stehen in der Welt der Kleinen, der Unscheinbaren; diese sind ihr Gefolge, und Glanz und Hoheit eines Königs zerfiele, so ein verkleidet Narrenvolk ihm folgte (...) Beides, das Unscheinbare und das Große wird gespeist durch die gleichen Quellen, die bei den Unscheinbaren nur stiller klingen, damit die Stimme der Großen vernehmbar. Die wirklich Kleinen, die Gernegroßen, die mehr scheinen wollen, als sie sind, die stören mit sinnlosem Geschwätz die Sprache der Großen."
Rezension über V. M. Lampugnanis zweibändiges Standardwerk zur Geschichte der Stadtplanung im 20. Jahrhundert