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Vittorio Magnago Lampugnani:"Die Stadt im 20. Jahrhundert. Visionen, Entwürfe, Gebautes",Wagenbach Verlag Berlin 2010,2 Bände, 912 Seiten124,- Euro
Vittorio Magnago Lampugnani war Juryvorsitzender im Berliner Schlosswettbewerb, einem Bauprojekt, das vielen Architekten Magengrimmen verursacht. Wird man dem mit dieser Hypothek belasteten Bauhistoriker unvoreingenommen sein zweibändiges Opus Magnum über die Stadt im 20. Jahrhundert "abkaufen"? Zumindest Städtebauer dürften allein beim simplen Anblättern der in Maß, Zahl und Farbe opulenten Bebilderung nur schwer widerstehen können. Viele dieser Pläne und Ansichten wurden noch nie publiziert oder nun anhand der Originale authentisch farbig reproduziert, was ihnen eine neue Lesbarkeit verleiht.
Lampugnani analysiert überaus kenntnisreich zentrale urbanistische Projekte aus der ganzen Welt - sowohl realisierte, als auch gescheiterte oder nur visionierte - und stellt fest, dass sich der Städtebau in Architektur einerseits und Stadtplanung andererseits aufspaltet, was nach seiner Meinung zu einer Einheit zurückgeführt werden muss. Dabei berücksichtigt er auch vermeintliche "Neben"-Linien der Entwicklung, die in pauschaleren Büchern gern ausgeblendet werden, wie zum Beispiel Joze Plecniks geniale punktuelle Stadteingriffe in der slovenienischen Hauptstadt Ljubljana, das Nachkriegswerk von Fernand Pouillon in Frankreich und Algerien oder den faschistischen Städtebau Spaniens unter Franco.
Natürlich widmet sich Lampugnani aus seinen Vorlieben heraus auch Themen, die manch überzeugter Moderne-Adept schnöde ignorieren würde, etwa Prinz Charles Poundbury, das Werk der Brüder Krier oder Aldo Rossis. Doch gerade darin liegt die Stärke dieser Blickrichtung: dass sie sich nämlich nicht mit einer ermüdenden, additiven und wertungsscheuen Weitererzählung der Strömungen und Theorien begnügt, sondern die selbstverliebte Moderne auch zumeist kritisch bilanziert. Somit lohnt es sich fast schon, nur jeweils den letzten Absatz eines Kapitels zu lesen.
Auch traut sich der Autor, die Ikonen der Moderne wachen Auges neu zu sichten. Über die Weißenhofsiedlung wissen ja landläufig alle bereits alles. Da erfrischt es, wenn Lampugnani die Kritik Paul Schmitthenners mit den Bemerkungen "übrigens keineswegs unzutreffend" und "ebenfalls nicht ganz zu unrecht" kommentiert sowie noch eine weitgehend unausgeschlachtete Kritik Richard Döckers am Mies-Plan zum Besten gibt oder beleuchtet, warum sich Hugo Häring und Erich Mendelsohn mit Mies über die Zielrichtung der Weißenhofsiedlung zerstritten.
Lampugnanis Methode ist die des ausgebildeten, quellenkritischen, alles hinterfragenden und sich seiner Subjektivität bewussten Historikers. Er bezieht neben technischen auch kulturelle und gesellschaftliche Einflüsse mit ein und kommt dadurch auch auf den wichtigen Punkt, dass die monströse Stadtplanung der Nationalsozialisten in ihrer Material- und Arbeitskräfte-Erfordernis entweder vollkommen irreal war oder die vollständige Unterwerfung und Ausbeutung der Ressourcen Europas bedingt hätte.