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Foto: Martin Duckek
Spitalwiese 172336 Balingen
Der EntwurfDas Bauvolumen wurde in vier Baukörper aufgelöst, die sich um ein gemeinsam genutztes Atrium, das Herzstück des Entwurfes, gruppieren. Mit dieser Kleinteiligkeit passt sich das Gesamtgebäude in die Nachbarbebauung ein. Die Laubengänge im Atrium erweitern sich und werden zu Gemeinschaftsflächen, auf denen zufällige Begegnungen im Alltag stattfinden. Alle Gebäudeteile sind über die Laubengänge erschlossen.Ziel war, ein nachhaltiges, ökologisches, innovatives und gemeinschaftliches Mehrgenerationenwohnprojekt zu verwirklichen, in dem Menschen aller Altersgruppen, sozialer und kultureller Zusammenhänge miteinander wohnen und nicht nebeneinander her.
Nachhaltigkeit und ÖkologieDas Haus sollte ein möglichst CO₂-neutrales Gebäude sein. Deshalb fiel die Entscheidung auf einen Massivholzbau – mit Ausnahme des Kellergeschosses. Ein Gestaltungsprinzip des Konzeptes ist Rohbau gleich Ausbau. Hierdurch werden unlösbare Materialverbindungen reduziert, beispielsweise indem die Wände als Sichtholzwände ausgeführt werden und nicht mit Gipskartonplatten oder Ähnlichem verkleidet werden.
Eine sinnfällige Materialwahl gehört ebenfalls zum nachhaltigen Ansatz des Gebäudes. Die Holz-Außenwände sind in einer Dicke von 18 cm ausgeführt. Dies nicht aus statischer Notwendigkeit, sondern um die positiven Eigenschaften des Holzes für das Innenraumklima zu nutzen. Die Dämmung konnte einlagig mit 12 cm relativ gering aufgebracht werden. Das Gebäude erreicht einen KfW-Effizienzhaus-Standard 55. Im Betrieb hat sich jedoch gezeigt, dass der tatsächliche Energieverbrauch des Gebäudes weit unter einem KfW-Effizienzhaus 40 liegt. Im Außenbereich müsste das Holz bei Bauteilen wie Balkonen aufwändig vor Nässe geschützt werden. Hier wurden der Ästhetik der Einfachheit folgend Stahlbetonfertigteile verwendet. Die mit einem Dachüberstand geschützten Fenster sind reine Holzfenster, die dem Wetter ausgesetzten Fenster Holz-Alu Fenster. Um den Holzbau auch während der Bauphase vor Nässe zu schützen, wurden im Erdgeschoss unter den Außenwänden Betonschwellen gegossen, da viele Feuchteschäden im Holzbau auf die Bauzeit zurückzuführen sind. Die Holzwände sind so komplett aus dem Erdreich gehoben worden.
Auf eine spätere Rückbaubarkeit wurde Wert gelegt. Die Wände wurden mittels Holzschwellen montiert. Daher konnte auf zahlreiche Montagewinkel und auf unlösbare Verbindungen mittels Vollgewindeschrauben größtenteils verzichtet werden. Durch additives Fügen der Bauteile ist eine spätere Demontage in die einzelnen Bestandteile möglich. Zudem ist eine ganzheitliche Betrachtung des Projektes wichtig. Auch die Außenanlagen wurden in das Konzept mit eingebunden und als naturnaher Garten mit heimischen Wildpflanzen angelegt. Bepflanzung, Weg- und Platzgestaltung sind so ausgewählt, dass heimische Insekten Nistplätze und Nahrung finden. Der Spielplatz wurde aus Naturmaterialien und Pflanzen gestaltet, beispielsweise mit einem Weidentippi.
Aufgrund des nicht versickerungsfähigen Bodens sind in diesem Gebiet keine Zisternen oder Versickerungsflächen möglich. Daher wurden zwei Retentionsrohre in Kombination mit einem Drosselschacht gebaut, um das anfallende Oberflächenwasser möglichst verzögert abzuleiten.
Bezahlbaren und hochwertigen Wohnraum zu schaffen ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt im Sinne der Klimagerechtigkeit. Dies wurde unter anderem erreicht, indem die Wände vorelementiert auf die Baustelle geliefert wurden. Die Vorproduktion in der Halle reduziert Baufehler und verkürzt die Bauzeit.
Ein weiterer Aspekt der Nachhaltigkeit ist ein zum Gebäude passendes und ökologisches Energiekonzept. Grundsätzlich wird die Wärmeversorgung des Hauses über eine Sole-Wasser-Wärmepumpe gewährleistet, unterstützt durch eine PV-Anlage. Durch die zentrale Energieversorgung und die Unterverteilung, die wohnungsweise stattfindet, wird ein gewisser Grad der Dezentralisierung erreicht. Dies minimiert die Zirkulationsleitungen für Heizen und Kühlen (jede Wohnung wird ausschließlich mit einem 5-Leiter-System angefahren) und bringt geringere Wärmeverluste mit sich. Die sommerliche Nutzung der Fußbodenheizung zur Temperierung ist mit Blick auf die Erderwärmung und die Sicherstellung einer langjährig guten Effizienz der Wärmepumpe eine effiziente, sinnvolle und nachhaltige, sowie zukunftsorientierte Lösung.
InnovationFrühzeitige Unterstützung der Planung von Gebäuden durch computergestützte Simulationen sind innovative Ansätze, derer sich das Planungsbüro bedient hat. Bereits im Entwurf wurde mittels thermischer Simulationen geprüft, dass das Atrium als thermische Pufferzone dient und nicht überhitzt. Die Klassifizierung des Projektes in die Gebäudeklasse 4 stellt erhöhte Anforderungen an den Holzbau bei den Aspekten Schallschutz und Brandschutz. Auch die Brandsimulation zu einer frühen Phase im Projektablauf konnte garantieren, dass der innenliegende Laubengang im Brandfall durch die großen Lüftungsöffnungen als außenliegender Laubengang gesehen werden kann. Dies ermöglicht uns die Holz-Sichtoberflächen, auch im Atrium, wodurch der Holzbau von innen und durch die Holzfassade auch von außen erlebbar ist.
Gemeinschaftlich alters-, sozial- und kulturell- gemischte BewohnerUns freut es sehr zu hören, dass das angedachte Gemeinschaftskonzept in der Realität umgesetzt und erfolgreich gelebt wird. Die erweiterten Laubengänge werden von unterschiedlichen Bewohner:innen genutzt, die zufälligen Begegnungen am Briefkasten oder im gemeinsamen Waschraum bereichern das Miteinander. Gleichzeitig fungieren die Wohnungen als individueller Rückzugsort. Die Gemeinschaftsflächen bieten den gewünschten Mehrwert. Zentral ist die Teilhabe jedes Einzelnen, je nach Kapazität, Begabung und Begeisterung. Neben dem Gemeinschaftscafé, dem Atrium, der Sauna und der gemeinsamen Werkstatt werden auch die verschiedenen Plätze im Garten regelmäßig genutzt. Mithilfe von Nebeneingängen wurde eine Atmosphäre der sozialen Kontrolle verhindert. Die verschiedenen Generationen leben nicht nur nebeneinander in dem Wohnprojekt. Die Altersstruktur, soziale und kulturelle Mischung der Bewohnerschaft bereichert die Gemeinschaft und in den letzten zwei Jahren ist eine spürbare Kultur des Helfens, Gebens und Nehmens entstanden.
Ähnlich relevant ist die kritische Hinterfragung der benötigten und von der Bewohnerschaft geforderten Individualfläche. Grund und Boden ist enorm wertvoll. Die Wohnfläche pro Kopf ist in den letzten Jahrzehnten immens gestiegen, gleichzeitig für die finanziell schwächeren Bevölkerungsschichten nicht mehr zu bezahlen. Durch die Eingrenzung der Wohnungsgrößen und das hierdurch ermöglichte Angebot von hochwertigen Gemeinschaftsflächen kann Menschen und Familien mit finanziell begrenzten Mitteln qualitativ hochwertiger Wohnraum zu günstigen Preisen angeboten werden.
Statement zum ProjektIm Sinne der Nachhaltigkeit sollte der Holzbau in der Baubranche mehr gefördert und umgesetzt werden. Um den Holzbau gegenüber der konventionellen Bauweise konkurrenzfähig zu machen, müssen die Vorzüge dessen gestärkt werden. Beispielsweise wird der Vorteil des Holzbaus, nämlich die enorme Schnelligkeit beim Errichten eines Gebäudes, oft durch den dann langwierigen Ausbau ausgebremst. So wurden in diesem Projekt 28 nahezu identische Modulbäder inklusive kompletter Ausbau vorproduziert. An die Modulbäder angeschlossen ist die gesamte (Haus-)Technik des Gebäudes, sodass die Bauzeit verkürzt werden konnte. Durch die Montage der Module in der Werkhalle der Holzbaufirma werden die benötigten Arbeitsschritte und die Zusammenarbeit der einzelnen Gewerke schnell, fehlerarm und somit ressourceneffizient ausgeführt.
Statement zur Um-BaukulturDas Grundstück gehörte der ehemaligen Stadtgärtnerei. Es liegt inmitten eines Wohngebietes mit Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern. Der Beitrag zur Um-Baukultur besteht darin, dass ein Umdenken bei der individuellen Wohnfläche stattfinden muss. Die Baugruppe hat sich dafür entschieden, die Individualfläche gering auszugestalten und dafür einen größeren Anteil der Gemeinschaftsfläche zuzuschlagen. Das bedeutet, mehr Wohnqualität für alle zu schaffen.
Zudem sollte über die Dichte in Wohngebieten nachgedacht werden. Auch hier muss ein Umdenken stattfinden. Wenn das Projekt mit derselben Körnung errichtet werden müsste wie die Bestandsbebauung, dann hätten weniger Wohnungen realisiert werden können. Durch die Erhöhung der Körnung und die gleichzeitige Aufteilung des Projektes in die einzelnen Baukörper konnte die vorhandene Struktur aufgenommen werden und die Fläche mit mehr Wohnungen nachverdichtet werden.
Sozialer DreiklangUntrennbar mit dem architektonischen Konzept des Projektes verbunden ist der soziale Ansatz. Bezahlbarer und spekulationsfreier Wohnraum wie auch die Gemeinschaft, Nachbarschaftshilfe und ein umweltbewusstes Zusammenleben sind von Anfang an die richtungsweisenden Leitgedanken des Projektes. Die Gruppe ist als GmbH & Co. KG organisiert – alle Bewohner:innen wohnen zur Miete und durch Kommanditanteile wird ein Wohnrecht erworben. Als Hüterin des sozialen Gedankens wurde die Stiftung Trias einbezogen, wodurch die Weitergabe an die nächste Generation und spekulationsfreier Wohnraum gesichert sind. Die Bewohnerschaft ist gut durchmischt: Jung und Alt, verschiedenen Kulturen, Lebenssituationen und Bevölkerungsschichten sind vertreten. Die GmbH ist Teil eines Dreiklangs der Quartiersarbeit des Generationennetzes Balingen. Hierzu gehören neben dem erlebnisreich wohnen ein Gemeinschaftsgarten und ein Schuppen auf dem Nachbargrundstück, der zum Quartiersmittelpunkt ausgebaut wird.
Weitere BeteiligteTragwerksplanung: Blaß und Eberhart Ingenieure, KarlsruheEnergietechnik / Technik-Bauplanung / Schallschutz:Transplan Technik-Bauplanung GmbH, Stuttgart [Werkplanung]Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart [Entwurf]Baumgartner GmbH Electrical-Engineering, Building-Engineering, Kippenheim [Elektro]BBI BAYER BAUPHYSIK Ingenieurgesellschaft mbH, Fellbach [Bauphysik]Brandschutz: Sinfiro GmbH & Co. KG, BalingenGartengestaltung: Melanie Klemp, Inzigkofen-Vilsingen
ProjektdatenSpatenstich: 6. April 2019Grundsteinlegung: 6. Dezember 2019Richtfest: 25. September 2020Fertigstellung: März 2021BRI: 14.261 m³BGF: 4.314 m²Nutzungsfläche: 2.358 m² [WoFl inkl. Gemeinschaftsfläche 100 %, Atrium+Clubraum 100 %, Laubengang 25 % ]Wohnfläche: 1.832 m² [reine Wohnfläche]Energiestandard: KfW-Effizienzhaus 55
Wohnungsschlüssel1 WE à 1 Zimmer ca. 30 m² Wohnfläche11 WE à 2 Zimmer 37-60 m² Wohnfläche10 WE à 3 Zimmer 60-85 m² Wohnfläche6 WE à 4 Zimmer 80-100 m² Wohnfläche
BauweiseGründung: Duktile Rammpfähle + StahlbetonfundamentrostKeller + TG: StahlbetonbauEG bis 2.OG: Holzmassivbau [Brettsperrholz]
FörderungenEuropäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.