Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Foto: Claudius Pfeifer
Lilienthalstraße 23268307 Mannheim
Unterstützt von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt DBU
Allgemeine Beschreibung Den damals so dringend benötigten und schnell gebauten Wohnraum kennen wir heute als das typische Bild der in die Jahre gekommenen Zeitzeugen der Nachkriegszeit, die den Anforderungen der heutigen Nutzer nicht mehr gerecht werden. Die Bausubstanz dieser Gebäude stellt uns heute vor neue Herausforderungen. Das Punkthaus ist mit einer 25 cm starken Schüttbetonwand gebaut. Der Beton hat so viele Lufteinschlüsse, dass der U-Wert der Wand bei ca. 1,4 W(m²K) liegt. Aufgrund der Wandkonstruktion und der einfach verglasten Fenster sowie der aus der Nachkriegszeit bekannten bauphysikalischen Mängel wies das Gebäude einen Heizenergiebedarf von ca. 273 kWh/m²a auf.
Typologie Der erste Baustein ist die typologische Optimierung auf heutige Wohnbedürfnisse. Vier ehemals minimal dimensionierte ca. 45 m² große Wohnungen, von denen zwei rein nord-ost- bzw. nord-west-orientiert waren, wurden zu zwei angemessen großen 90-m²-Wohneinheiten zusammen-geschaltet. Der neue Kochbereich bildet das warme Zentrum der Wohnungen, um das sich vier Individualräume anordnen. Die Erschließung sowie die Bäder bilden eine energetische Pufferzone nach Norden. Das fünfgeschossige Gebäude wurde um eine innenliegende Aufzugsanlage erweitert, die je zwei Wohnungen pro Geschoss erschließt. Die bestehenden Brüstungen wurden entfernt und somit lichte Raumeindrücke durch raumhohe Fensterelemente geschaffen.
Energetische Sanierung Die energetische Sanierung steht im Mittelpunkt eines Forschungsprojektes, das die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert hat. In dynamischen Modellen wurden solarenergetische Gewinne an Fassadenflächen optimiert, um zur Energiegewinnung und -speicherung für das Gebäude genutzt werden zu können. Im Zusammenspiel von aktiven und passiven energetischen Maßnahmen nahm die Gestaltung einer klimaaktiven Fassade mit Loggien und Luftkollektoren eine ebenso bedeutende Rolle ein wie die Einbindung von Speichermassen. Zur Erhöhung der Speichermassen wurde der Kellergeschossgrundriss geändert. Da sich die Wohnungsanzahl geändert hat, sind große Flächen für die Abstellräume weggefallen. Diese Flächen haben sich für die Speichermassen umbauen lassen. Im Zusammenspiel von aktiven und passiven Maßnahmen auf allen Ebenen (Wärme, Kälte, Luft, Licht, Strom, Wasser, Abwasser) konnte der Energiebedarf in Simulationen auf ca. 11 kWh/m²a minimiert und zugleich die Energieversorgung optimiert werden. Jede einzelne Komponente wurde in ein Gesamtsystem integriert.Die Außenwände des Gebäudes wurden mit einer vorgehängten hinterlüfteten Fassade aus Lichtbauelementen versehen. Über Lüftungsrohre auf dem Dach, die Ost- und Westfassade verbinden, und über das Kellergeschoss entstand auf diese Weise ein geschlossener Luftkreislauf. Im Kellergeschoss wurde eine locker geschichtete Speichermasse aus Kalksandsteinen eingebracht, die nach dem Prinzip der geraden Rostpackung angeordnet wurden. Über die auf diese Weise entstandene Luftschicht und den daran gekoppelten Speicherraum kann die Fassade im Winter passiv beheizt und im Sommer gekühlt werden. Als Material für die transluzente Gebäudehülle wurde eine 9-Kammer-Polycarbonatplatte mit einem U-wert von 0.83 W/(m²K) verwendet. Das kostengünstige Material erlaubte auch bei einem knappen Budget wie hier im sozialen Wohnungsbau eine innovative energetische Fassadengestaltung. Über eine Wärmerückgewinnung wird der warmen Abluft Energie entzogen, die zum Vortemperieren der kalten Frischluft genutzt wird. Auf diese Weise werden Lüftungswärmeverluste des Gebäudes verringert. Um Baukosten zu sparen, wurde auf eine zentrale Anlage verzichtet und stattdessen in jedem Wohnraum ein kostengünstiges Lüftungselement über jedem Fenster angeordnet.
Charakteristik der ArchitekturUm charakteristische Elemente der Architektur der 1950er-Jahre auch nach der energetischen Sanierung bewahren zu können, wurde darauf geachtet, dass die feingliedrigen auskragenden Betonplatten der Balkone oder Dachkanten bewahrt werden. Die Fenster wurden durch Entfernen der Brüstungen als "französische Fenste" vergrößert. Verglaste Energiegärten begegnen den bauphysikalischen Schwachpunkten an den Balkonen. Die neue Fassade mit der Unterkonstruktion hat eine Stärke von 20 cm. Im Zusammenspiel mit den neuen Fenstern und den weißen Fensterzargen bleibt der Eindruck der Schlankheit und damit die Eleganz dieser Architektur bewahrt.
Zusammenfassung Gebäude stellen wirtschaftlich das wertvollste Gut unserer Gesellschaft dar. 100 Jahre werden Häuser im Schnitt genutzt, aber nur alle 30 bis 60 Jahre modernisiert. Rund drei Viertel des Wohngebäudebestands in Deutschland gelten als sanierungsbedürftige bzw. energetische Altbauten. Vor allem die Gebäudehülle rückt mehr und mehr in den Fokus gestalterischer und technischer Denkprozesse in der Betrachtung des steigenden Energieverbrauchs von Bauwerken, weil das energetische Verhalten von Gebäuden maßgeblich durch seine Außenflächen bestimmt wird. Die energetische Verbesserung bestehender Gebäudehüllen stellt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung eine der herausragenden Aufgaben dar. Es ist insbesondere die große Masse der Bestandsgebäude im Wohnungsbau, die den Energiebedarf der nächsten Jahrzehnte bestimmen wird. Eine energieeffiziente Planung von Gebäudehüllen setzt eine genaue Analyse der Gegebenheiten wie zum Beispiel klimatische Randbedingungen und Nutzerprofil voraus. Energieoptimiert ist eine Hülle dann, wenn sichergestellt ist, dass die Randbedingungen im Zusammenspiel ganzjährig mit wenig zusätzlichem Energiebedarf oder aufwändiger Energieversorgungstechnik auskommen. Diese passive Leistungsfähigkeit von neuen energetischen Gebäudehüllen bietet das Fundament zukunftsfähiger Energiekonzepte. Hier wurde die Gebäudehülle als thermodynamisches System verstanden, welches durch die begleitende Simulationstechnik im Planungsprozess optimiert werden konnte. Im Rahmen dieses Antrags wurde ein „kybernetisches“ Konzept zur Steuerung und Regulation von Systemen am Beispiel eines Mehrfamilienwohnhauses im Sozialen Wohnungsbau erforscht und im Bauwerk umgesetzt. Eine besondere Herausforderung stellte sich durch den Umgang mit einem Trümmerverwertungsbeton aus Ziegelsplitt, der sich keiner aktuell gültigen Norm zuordnen ließ, sowie durch den Einflussfaktor der Wirtschaftlichkeit im sozialen Wohnungsbau. Das Sanierungsprojekt soll mit seinem Ansatz einen Forschungsbeitrag zu neuen energetisch optimierten und solar aktivierten Gebäudehüllen und zum Ausbau zukunftsfähiger Energiekonzepte leisten. Die in mehreren Schritten erfolgte thermodynamische Simulation endet mit einem Rechenergebnis von einem Heizwärmebedarf von 11 kWh/m²a / Primärenergiebedarf von 40 kWh/m²a. Das Gebäude wird nun über die Dauer von zwei Jahren monitorisiert.
Prof. Günter Pfeifer
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.