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Foto: Hannah Bichay
Neuer Graben89073 Ulm
ORT & KONTEXTDie Fläche des Stadtgartens "Auf dem Graben" befindet sich auf der spätmittelalterlichen Stadtbefestigung Ulms, am Übergang von der Innenstadt zur Vorstadt. Der Freiraum zwischen dem Wengentor und den historischen Grabenhäusern war, bedingt durch seine gegenüber dem umgebenden Stadtraum angehobenen Lage und den zum Teil sehr dichten Bewuchs, der Öffentlichkeit lange Zeit nicht als städtische Freifläche im Bewusstsein und lag deswegen über viele Jahre ungenutzt brach. Eine Mehrfachbeauftragung im Jahr 2016 sollte diesen Zustand ändern und die Fläche als öffentlichen Freiraum für die Bewohner des dicht bebauten und besiedelten und mit Freiräumen unterversorgten Sanierungsgebiets Wengenviertel zurückerobern.
WETTBEWERBIm Rahmen der Mehrfachbeauftragung sollte ein Stadtgarten für die Ulmer Bevölkerung entwickelt werden, der das bereits vorhandene und für Ulm charakteristische Netz an unterschiedlichsten urbanen Gärten in der Innenstadt ergänzt. Die zentrale Idee im Wettbewerb war, in Anlehnung an den historischen Stadtgrundriss, mittels eines "grünen Stadtbausteins" die Lücke in der Bebauung der Stadtmauer zu schließen und so die räumliche Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit der Olgastraße im Norden und des Neuen Grabens im Süden zu stärken. Als geschnittenes Baumdach sollte der neue Stadtbaustein dazu beitragen, Innenstadt und Vorstadt wieder klarer ablesbar zu machen und zwischen beiden einen attraktiven Verweilort im Freien formulieren mit vielfältigen Blickbezügen in beide Teile der Stadt.
ARCHÄOLOGIENachdem dieses Konzept beim Preisgericht breite Zustimmung fand, wurde auf der Stadtmauer eine umfangreiche Baugrunduntersuchung durchgeführt. Dabei wurden im Erdreich zwischen den beiden Ziegelmauern Reste der Stadtbefestigung aus dem 14. Jahrhundert gefunden und denkmalpflegerisch dokumentiert. Der Entwurf musste infolge der Funde grundlegend überarbeitet werden - das durchgängige und regelmäßige Baumraster wurde transformiert zu einer auf den ersten Blick unregelmäßigen Setzung der Bäume in einem lockeren Baumhain. Auf Grund der Mauerreste im Untergrund und der sich daraus ergebenden Begrenzung des Wurzelraums mussten zahlreiche Bäume in erhöhten Baumbeeten gepflanzt werden. Und dennoch konnte der ursprüngliche Gedanke erhalten werden, da sich die Baumsetzungen in der perspektivischen Wahrnehmung weiterhin zu einem eigenständigen "grünen Stadtbaustein" fügen.
RAUMMit dem Ziel, die räumliche Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit der Olgastraße im Norden und des Neuen Grabens im Süden zu stärken und damit die Torwirkung der Gebäude links und rechts der Wengengasse herauszuarbeiten, wurde die städtebauliche Lücke zwischen dem Wengentor und den Grabenhäusern mittels eines lockeren Baumhains aus Schnee-Felsenbirnen geschlossen. Dieser bildet den räumlichen Abschluss zu beiden Straßenräumen und vervollständigt den ehemals vorhandenen baulichen Abschluss der Innenstadt zur Vorstadt. Zum Wengentor und dessen stadträumlicher Präsenz bildet der Baumhain einen eigenständigen Gegenpart. In ihrem Zusammenspiel formulieren beide gemeinsam einen repräsentativen Eingang zur Innenstadt am Schnittpunkt der beiden Ulmer Straßenbahnlinien. Zum Inneren des Wengenviertels entwickelt die Geste des über dem Wengenplatz schwebenden "grünen Baldachins" eine besondere Anziehungskraft - der Ort strahlt weit in den Stadtraum aus und wertet damit nicht nur das Quartier im Gesamten, sondern auch den Wengenplatz mit seinen Außengastronomien in besonderer Weise auf.
OBERFLÄCHEDurch die Belegung der Oberfläche auf der Stadtmauer und der auf das Plateau führenden Rampe mit Pflasterklinkern, die sich in Format und Farbigkeit am aufgehenden Ziegelmauerwerk orientieren, wurde die Stadtmauer in ihrer Körperhaftigkeit herausgearbeitet. Offene Rinnen und punktuelle Einläufe wurden unterschwellig in die Belagsgestaltung integriert. Im Bereich des Baumhains wurde der Pflasterfläche eine Belagsintarsie aus wassergebundener Decke eingelegt.
RUHE & AKTIVITÄTBedingt durch die auf dem Grundstück vorgefunden Reste der historischen Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert mussten große Teile des Baumhains auf erhöhten Standorten ausgeführt werden. Diese Erhöhungen wurden durch beflanzte Baumbeete als grüne Inseln inmitten des Stadtgartens realisiert. Eingelassene Sitzauflagen mit partiellen Rückenlehnen schaffen nun Verweilmöglichkeiten orientiert in Richtung Platzmitte und in Richtung der Stadtmauerbrüstungen. Durch ihre Materialität und ihre Ausstattung mit den Sitzmöbeln bildet die wassergebundene Belagsintarsie einen vielfältig aneignenbaren Raum, z.B. zum Boulespiel. Skulpturen in Form von Beton-Spatzen im östlichen Drittel der Fläche markieren den räumlichen und atmosphärischen Schwerpunkt des Stadtgartens und bilden einen Treffpunkt für die jungen und älteren Bewohner des Wengenviertels. Im westlichen Teil des Stadtgartens wurde der bereits in der Vergangenheit auf der Fläche vorhandene Tischkicker wieder eingebaut.
GRÜNParallel zu den Stadtmauerkronen erhielt der Stadtgarten eine Einfassung aus kniehohen geschnittenen Berberitzenhecken, stirnseitig zu den privaten Nutzungen an den Gebäuden zudem geschnittene Buchenhecken mit einer Höhe von 1,50 m. Schlanke Geländerbrüstungen bilden, zurückversetzt gegenüber den Mauerkronen, die Absturzsicherung zu den tiefer gelegenen Verkehrsflächen. Während die Besucher des Stadtgartens zur Olgastraße hin bis an die Geländerbrüstungen herantreten können, wurden zum Neuen Graben hin die östlich auf der Stadtmauer verlaufenden Vegetations- und Gartenbänder in Form einer artenreichen, extensiven Staudenmischung fortgeführt. Zur Fluchttreppe des Wengentors und zur Gartenfläche des Grabenhauses hin legen sich die Staudenbänder als Rahmen um den Stadtgarten.
LICHTDie auf das Plateau führende Rampe wird nachts durch eine niedrige Wegebeleuchtung aus dem Handlauf aufgehellt. Das komfortable, nur auf den Boden gerichtete Licht erzeugt eine starke lineare Führung in den Parkbereich ohne störende Masten. Durch die Reflexion über den Boden wird die gegenüberliegende Mauer leicht aufgehellt. Die Wegefläche im Stadtgarten wird von wenigen Mastaufsatzleuchten mit ca. 3,50 m Lichtpunkthöhe begleitet. Durch das spielerische Versetzen der Leuchten wird eine zu starke Linearität vermieden, die lockere Einsortierung zwischen Bäumen und Grünflächen stärkt den Aufenthaltscharakter. Das Leuchtendesign und die Lichtverteilung sollen bewusst nicht an eine Verkehrswegbeleuchtung anmuten, das Licht erzeugt zonal gerichtet einen abwechslungsreichen Helligkeitsduktus mit guter Plastizität.
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.