Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Foto: Brigida González
Konrad-Adenauer-Straße 1070173 Stuttgart-Mitte
AusgangssituationDie Kapazität der Landesbibliothek in Stuttgart war ausgeschöpft. Mit dem Erweiterungsbau wurde der notwendige Raum geschaffen, um von einer reinen Magazinbibliothek auf eine zeitgemäße Präsenz- und Freihandbibliothek umzustellen und die Zahl der Arbeitsplätze für die Benutzer:innen wesentlich zu erhöhen. Der denkmalgeschützte Altbau zählt zu den herausragenden Architekturleistungen der 60er Jahre in Süddeutschland. Horst Lindes Entwurf besticht durch großzügige Raumfolgen, sorgsame Materialwahl und hohe Qualität der baulichen Umsetzung. Einzelne Baukörper stehen in einem räumlichen Spannungsfeld zueinander in Bezug.
Etablierung des WünschenswertenDie Setzung des Erweiterungsbaus als selbstbewusst auftretender Baukörper in der Flucht der alten Staatsgalerie erlaubt die erneute Fassung des im Krieg verlorengegangenen Straßenraums. Die starke Präsenz im Stadtraum verdeutlicht zudem zeichenhaft die kulturelle und wissenschaftliche Stellung der Württembergischen Landesbibliothek als zentraler Lernort der Region. Der Neubau komplettiert das Ensemble so geschickt, dass auf dem erhöhten Geländeniveau des „hohen Ufers“ ein attraktiver „Bibliotheksplatz“ entstand, der den markanten Quader des alten Lesesaals betont und diesen über die Kulturmeile hinweg in Bezug zum Neuen Schloss setzt. Eine großzügige Treppenanlage führt hinunter zur Konrad-Adenauer-Straße, wo der breite Gehweg mit doppelter Baumreihe eine neue, durchgehende Verbindung vom Charlottenplatz bis zur Staatsgalerie schafft und den verkehrsbelasteten Stadtraum erstmals als Aufenthaltsort erlebbar macht. Wider Erwarten entpuppt sich die Freifläche vor der Cafeteria auf Straßenniveau als angenehmer Ort mit Aufenthaltsqualität.
Um-BaukulturDer neue Baukörper ist maximal weit vom Altbau abgerückt und lässt somit Raum für eine direkte Verbindung vom Platz zur Ulrichstraße hin. Der notwendige Eingriff in die Altbausubstanz beschränkt sich auf den Anschluss einer Brücke im ersten OG. Das intakte Bestandsgebäude, das sich aufgrund seiner enormen handwerklichen Qualität, etwa in Bezug auf Fenster, Dach oder Lesesaalfassade als extrem dauerhaft erwiesen hat, bleibt somit vollständig erhalten und wird nun in zwei Bauabschnitten behutsam saniert und für einen modernen Bibliotheks- und Gebäudebetrieb hergerichtet. Dazu gehören die behutsame Ertüchtigung in energetischer und brandschutztechnischer Hinsicht und der Austausch der an ihr Lebensende gelangten Haustechnik. Die Gestaltung des Erweiterungsbaus nimmt die Materialien des Altbaus auf und entwickelt daraus eine eigenständige Haltung, etwa mit der Kupferverkleidung für die im 45-Grad-Winkel angeordneten Leseplatz-Erker oder mit der feinen Bretterschalung der Betonoberflächen für die neue Sichtbetonfassade aus Weißzement. Trotz zeitgenössischer Formensprache ist die identitätsstiftende Anmutung des Altbaus überall im Haus präsent. Die angestrebte Weiternutzung der Tiefgarage ließ sich konstruktiv und wirtschaftlich nicht umsetzen. An deren Stelle wurde daher auf einer Bohrpfahlgründung ein Stahlbetonkonstruktion mit Büchermagazinen und Technikräumen errichtet wie auch in reduziertem Umfang eine neue Tiefgarage, die bereits so konzipiert ist, dass sie leicht zu weiteren Archivräumen ungenutzt werden kann.
Innere StrukturDen technischen Räumen vorgelagert liegt zu ebener Erde die Cafeteria mit ihrem attraktiven Außenbereich, dazu Nebenräume, Schließfächer und Aufgang zum Bibliotheksbereich. Der Haupteingang im Geschoss darüber erschließt auf Platzebene das neue Foyer mit dem Informationstresen und die zugeordneten Bereiche für Saal/Ausstellung und Buchrückgabe. Darüber folgt der gesicherte Bereich mit den Medienregalen, Arbeitsplätzen und Verwaltungsräumen. Ein Luftraum verbindet die Büchergeschosse sicht- und fühlbar miteinander. Im 2. und 3. OG sind räumlich differenzierte Leseplätze entlang der gefächerten Außenfassaden aufgereiht und zeigen einen starken Außenbezug. Die topografischen und baulichen Charakteristika der Landeshauptstadt sind gegenwärtig. Das Dachgeschoss ist umgekehrt organisiert: Die Leseplätze liegen mittig im Zentrum und erhalten Tageslicht über Oberlichter in der gefalteten Dachkonstruktion. Die sich inhaltlich teilweise widersprechenden Nutzungen von Tiefgarage, Veranstaltungsbereich, Archivfunktionen, Verwaltungsräumen, Leseplätzen und öffentlich zugänglichen Erschließungsbereichen sind in einem kompakten Baukörper neben und übereinander gelagert. Die streifenförmige Unterteilung der Grundrisse erlaubt die akustische und funktionale Trennung bei gleichzeitiger Wahrung des offenen und durchlässigen Raumeindrucks.
Nachhaltigkeit technischDie Baukonstruktion ist auf die enormen Lasten von etwa einer halben Million Bücher auf mehr als 15 km Regalböden ausgelegt, so auch die für die Nutzung als Magazinfläche vorgerüstete Tiefgarage. Um den Energieverbrauch für die Klimatisierung möglichst gering zu halten, erfolgt die Wärme- und Kälteversorgung nicht über die Lüftung, sondern über die thermische Aktivierung der Sichtbetondecken. Die thermische Trägheit der Massivbauteile sorgt für einen als angenehm empfundenen, gleichmäßig langsamen Verlauf von Temperaturänderungen im Gebäude. Die Luftwechselrate lässt sich dadurch auf das hygienisch erforderliche Minimum reduzieren und durch den Einbau schadstoffarmer Bauteile und Materialien nochmals weiter absenken. In den Verwaltungsräumen lassen sich die Fenster öffnen, die mechanische Lüftung ist somit ganz verzichtbar. Durch konsequente Wärmerückgewinnung wird der Energiebedarf weiter reduziert. Wärme- und Kälte werden per Geothermie gewonnen und per Wärmetauscher auch aus dem vor dem Gebäude liegenden Abwasserkanal. Außenliegender Sonnenschutz und die helle Weißbetonfassade wirken der Überhitzung entgegen. Die nach Norden ausgerichtete Verglasung des Sheddachs sorgt für eine optimal blendfreie Tageslichtversorgung des Lesebereichs im 4. OG und dient der natürlichen Entrauchung. Die geschlossenen Sheddachflächen eignen sich perfekt für die kommende Nachrüstung mit Photovoltaik. Die übrigen Bibliotheksgeschosse erhalten Tageslicht über den zentralen Luftraum und die Fassaden. Die künstliche Beleuchtung wird über LED-Technik abgedeckt. Gepflasterte Freiflächen und Rigolen können überschüssiges Regenwasser aufnehmen. Baumpflanzungen führen die bestehende Allee weiter und wirken vorteilhaft auf das Stadtklima ein wie auch die insektenfreundlichen Grünbeete auf dem Platz.
Nachhaltigkeit sozialDas Land Baden-Württemberg sieht sich über viele Jahrzehnte hinweg der Baukultur verpflichtet. Ein Umstand, der sehr viel mit Nachhaltigkeit zu tun hat. Gute handwerkliche Qualität und die damit verbundenen Schönheit von Material und Detail fördert den sorgfältigen Umgang mit dem Gebäude und dessen Dauerhaftigkeit. Das unter Denkmalschutz stehende Bestandsgebäude mit dem Lesesaal als einem der schönsten Innenräume der Stadt ist das beste Beispiel dafür. Gut geplant und von geschulten Handwerkern gekonnt und mit besten Materialien sorgfältig gebaut wird es von den Nutzern enorm geschätzt. Seine hohe bauliche Qualität erfordert nur geringe Anpassungen an die aktuellen Anforderungen in Bezug auf Brandschutz und Schadstoffe. Der Altbau ist fest verankert im Bewusstsein vieler Bürger als ein selbstverständlicher Baustein im Gefüge des Stuttgarter Kulturquartiers. Von der Fassade bis zur Leuchte hat die ihm innewohnende Philosophie auch die Architektur des Erweiterungsbaus geprägt. Funktionalität und Ökonomie sind dabei selbstverständlich ein unumgänglicher Teil der Aufgabe. Von seiner Schönheit hängt letztlich ab, ob das Gebäude die Stadt bereichert und ob wir es mögen. Mit dem gastronomischen Angebot zur Straße hin und den neu gestalteten Freiflächen erobert die Bibliothek öffentlichen Raum für die Bürger zurück und schafft nach allen Seiten Offenheit, Durchlässigkeit und angenehme Orte. Zu diesen zählt auch der Fitz-Faller-Brunnen, der dem neuen Bahnhof weichen musste und nun auf dem Bibliotheksplatz einen Bestandteil örtlicher Identität neu erlebbar macht.
Aktuelle Ergebnisse, die Prämierungen aus den letzten beiden Jahren sowie die ausgelobten Verfahren in diesem Jahr inklusive Tipps zur Teilnahme finden Sie hier.