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Mit seinem spektakulären Urteil vom 29. April 2021 hat das Bundesverfassungsgericht für Aufsehen gesorgt. Es kritisiert darin den Gesetzgeber und urteilt, "dass [er, der Gesetzgeber] Vorkehrungen zur Gewährleistung eines freiheitsschonenden Übergangs in die Klimaneutralität [hätte] treffen müssen, an denen es bislang fehlt." - freiheitsschonender Übergang in die Klimaneutralität: So die klare Handlungsanweisung. Auch der Europäische Green Deal verankert die Klimaneutralität bis 2050 als leitendes Ziel. Doch was bedeutet eigentlich Klimaneutralität? Wann ist ein Gebäude, eine Stadt, eine Lebensordnung klimaneutral?
Fakt ist: An einer eindeutigen und akzeptierten Begriffsdefinition mangelt es. Viele Initiativen wollen die Klimaneutralität fördern, aber was das konkret heißt, variiert. Die Strategiegruppe Klima, Energie, Nachhaltigkeit macht sich für eine umfassende Definition stark und hat diskutiert, was im Hinblick auf die klimaneutrale Gestaltung der gebauten Umwelt empfohlen erscheint.
Klimaneutralität bedeutet: Die durch den Gebäudebau und -betrieb verursachten CO2-Emissionen vor Ort oder extern und die CO2-Emissionen, die durch Produktion und Bereitstellung von Energie im oder am Gebäude nach extern eingespart werden, sind auf ein Jahr betrachtet in Summe null oder kleiner als null.
D.h. konkret: In der Jahresbilanz ist ein Wert ≤0 Treibhausgasemissionen für alle Gebäudetypen anzustreben, dabei ist die komplette Energiebilanz die Basis, d.h. Gebäudeenergie (Energie für Transport, Herstellung, Abbau) und Nutzerenergie sind gemeinsam zu betrachten. Ferner verlangt Klimaneutralität die CO2-Vermeidung aus eigener Kraft, d.h. CO2-Zertifikate sind nicht ansetzbar, auf dem Grundstück generierte überschüssige Energie geht aber als Gutschrift ein. Daneben werden alle Energieträger mit den tatsächlich verursachten CO2-Emissionen berücksichtigt.
1. Klimaneutralität durch Klimaschutzfahrpläne und Klimaschritte: Kleine Schritte gehen!
Klimaneutralität lässt sich nicht von heute auf morgen erreichen und auch nicht planlos. Vielmehr müssen jetzt die Weichen gestellt und Klimaschutzfahrpläne ausgearbeitet werden. Als nützlich erscheint eine Herangehensweise, die die Nutzungsdauer von Bauteilen und Anlagetechnik berücksichtigt und den Weg über Sanierungs- oder Instandhaltungsschritte zur Klimaneutralität aufzeigt.
2. Klimaneutralität im Bestand und Neubau: Nicht bauen!
Die Rede von klimaneutralen Gebäuden darf nicht nur den Neubau adressieren. Dass unsere Umwelt bereits weitestgehend gebaut ist, muss berücksichtigt und im Sinne des Klimaschutzes bedacht werden. Im direkten Vergleich Bestand vs. Ersatzneubau ist klar, dass ein Bestandsgebäude weniger CO2 durch Herstellung und Transport emittiert, in der Klimabilanz also positiver zu bewerten ist. In jedem Falle lohnt sich eine Lebenszyklusanalyse (Herstellung, Betrieb und Rückbau), insbesondere bei aufwändigen Sanierungsprozessen im Bestand. Das größte Potential bietet die Umnutzung ohne bauliche Maßnahmen oder der sogenannte „Nicht“bau.
3. Klimaneutralität vs. Klimapositivität: Energieproduktion am Gebäude!
Während die Klimaneutralität als Zielsetzung feststeht, erscheint die umfassendere Forderung der Klimapositivität im Hinblick auf die Beobachtung eines beschleunigten Klimawandels beinahe notwendig: Die CO2-freundliche Energieproduktion am und auf Gebäuden ist der verträglichste Ansatz für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Strombedarf wird durch die Digitalisierung und Elektromobilität erheblich steigen. Deshalb müssen Gebäude zu modernen Energieproduzenten und Gebäudeflächen durch Photovoltaik stärker genutzt werden.
4. Klimaneutralität gemeinsam erreichen: Wirtschaft und Industrie involvieren!
Ohne die großen Wirtschafts- und Industriezweige ist eine Reform unmöglich. Auch Wirtschaft und Industrie müssen umdenken und klimaneutrales Bauen unterstützen, das gilt es durch eine entsprechende Nachfrage anzukurbeln. Neue Baustoffe, neue Technologien und geschlossene Materialkreisläufe sind zu erschließen, um klimaneutrales Bauen zu ermöglichen.
5. Klimaneutralität gesellschaftlich verankern: Sensibilisieren und informieren!
Nicht nur Wirtschaft und Industrie müssen den Wandel mittragen, auch die breite Öffentlichkeit muss informiert und sensibilisiert werden. Der einzelne Bauherr oder die einzelne Bauherrin denkt vermutlich selten an die CO2-Bilanz des eigenen Heims – hier muss ebenfalls angesetzt werden. Es braucht gesellschaftliches Verständnis und realistische Alternativen, die in Form von Experimenten und Best Practice öffentlich dargestellt werden. Zusätzlich bedarf es einer Bauherrenbetreuung im Vorfeld und auch während des Bauprozesses zur Unterstützung und Sensibilisierung bei komplexen Aufgaben.
6. Klimaneutralität ermöglichen: Fachkräfte ausbilden, Innovation unterstützen!
Das klimaneutrale Gebäude baut sich nicht von selbst. Deshalb muss mit einer Ausbildungsoffensive insbesondere das nachhaltige Bauen vermittelt und trainiert werden. Materialseitig braucht es Recyclingkonzepte, eine klimaneutrale Produktpalette und Innovationsförderung. Auch ist über eine Baurechtsreform und Sanierungspflicht nachzudenken.
Das Kompetenzteam befasst sich mit einigen der wichtigsten gesellschaftlichen Themen unserer Zeit: dem nachhaltigen Planen und Bauen sowie der Klimaanpassung.