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Vermeintliche Stararchitekten gibt es zuhauf, doch weibliche Vorbilder in der Architektur sind rar. Warum? Weil Büros immer noch überwiegend von Männern geführt werden und Projekte meist nur mit den Namen der Inhaber verknüpft sind? Oder liegt es daran, dass Frauen zu sehr Teamplayer sind, um selbstbewusst darzustellen, was sie geleistet haben? Diskutiert wurden diese und andere Fragen am 18. Mai 2022 bei der vom Kammerbezirk Stuttgart und dem Netzwerk der Architektinnen organisierten Veranstaltung „Blicke zurück nach vorn – Architektinnen in der Kammer“.
„Wir feiern heute die Sichtbarkeit von uns – von Frauen“, begrüßte Odile Laufner, Netzwerkgründerin, die rund 50 Gäste im Haus der Architektinnen und Architekten (HdA) und 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer online. Über 30 Jahre ehrenamtliches Engagement waren erforderlich, bis die AKBW-Landesgeschäftsstelle nun seit Anfang Mai endlich auch die Frauen im Namen stehen hat. Und nicht nur auf dem Schild außen werden Architektinnen sichtbar, auch im Innern tragen zwei Veranstaltungssäle weibliche Namen: Der ehemalige Hugo-Häring-Saal heißt nun Saal „Gego“ – benannt nach der Architektin Gertrud Louise Goldschmidt; und statt im Saal Paul Bonatz sitzt man nun im Witzemann – Namenspatin ist die Innenarchitektin Herta-Maria Witzemann.
„Gego war eine Universalkünstlerin: Sie konnte bauen, zeichnen, malen, bildhauen. Es ist schön, dass sie heute auch in Stuttgart einen dauerhaften Platz bekommt“, freut sich Stefanie Reisinger, die lange intensiv zu der Architektin und Künstlerin forschte und diese in einem Impulsvortrag porträtierte. Als Kuratorin der Ausstellung „Gego – Die Architektur einer Künstlerin“ im Stuttgarter Kunstmuseum trägt sie Leben und Werk von Gego, die 1932 bis 1938 an der Technischen Hochschule in Stuttgart Architektur studierte, in die Öffentlichkeit.
Heute weniger präsent ist Herta-Maria Witzemann, die als Innenarchitektin beispielsweise das Restaurant im Stuttgarter Fernsehturm, den Kanzler-Pavillon und das Gästehaus der Bundesregierung in Bonn oder das Innere des baden-württembergischen Landtags (vor der Renovierung) plante. Als Professorin an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart führte sie den Diplomabschluss Innenarchitektur ein. „Herta-Maria war so eine starke und gut vernetzte Frau, die hat sich nichts gefallen lassen. Sie war einfach da, unverheiratet, mit zwei großen Hunden, und sie war präsent – überall. Man hat sie nicht übersehen. Das müssten wir uns alle angewöhnen, uns selbstbewusster darzustellen“, erzählt Innenarchitektin Ursula Maier, die Witzemann persönlich kannte. Sie war sichtbar, und dennoch gibt es kaum Literatur über die Namenspatin des Saals im HdA-Erdgeschoss. Doch „Es ist nicht zu spät, die Frauen in der Architektur aus dem Schatten zu holen“, ermunterte AKBW-Pressesprecherin Gabriele Renz.
Wie kann das gelingen? Beispielsweise durch Veranstaltungen wie diese. „Es sind die Kleinigkeiten, die den Unterschied und doch so viel ausmachen, beispielsweise ein Hausschild, das sich ändert“, ist Mirjam Schnapper, Vorsitzende des Kammer-Netzwerks AiP/SiP, bei der Podiumsdiskussion überzeugt. Ein Ansatzpunkt, Frauen in der Architektur sichtbarer zu machen, sei auch die paritätische Beteiligung an Preisgerichten, so Caroline Straub, deren Büro Straub Sanwald viele Wettbewerbe betreut. Es sei wichtig, dass „über diese Schiene gleich zu Beginn eines Projekts Frauen bereits mitreden können.“ Noch früher setzt Hannah Dziobek an, die bei nexture+, einem Netzwerk für junge Planerinnen und Planer, aktiv ist. Bereits im Studium müssten mehr Frauen sichtbar sein: die meisten Professoren – Männer, die meisten Referenzobjekte, die vorgestellt würden – von Männern, und in der Baugeschichte käme nur eine Hand voll Frauen vor, meist nur als Anhängsel erwähnt. „Sowieso müsste es eigentlich auch eine Quote geben für die Entwurfs-Profs“, forderte Dziobek.
Diskutiert wurde auch über die Tatsache, dass die meisten Frauen – nicht zuletzt aus Sicherheitsbedürfnissen heraus – angestellt tätig seien. Alija Dolo, ebenfalls Vorsitzende des Netzwerks AiP/SiP, regte die Auslobung eines Preises für Angestellte an. Denn: „Wie viele Frauen in einer Angestelltentätigkeit kennen wir denn, die mit einem Projekt präsent waren und publiziert wurden? Das sind immer nur die Inhaberinnen und Inhaber.“ Den Schritt in die Selbstständigkeit wagen immer noch sehr wenige Frauen – obwohl man seine Arbeitszeit hier oft flexibler gestalten könne, so Barbara Friedrich, die die Podiumsdiskussion mit moderierte und im Netzwerk Architektinnen aktiv ist. Doch häufig bestehen Bedenken, wie dann der Beruf und die sogenannte Care-Arbeitszeit – Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen – unter einen Hut zu bringen sind. Dass dieser Punkt auf dem rein weiblich besetzten Podium überhaupt erörtert werden musste, spricht Bände. Unter Männern wäre dies sehr wahrscheinlich kein Thema gewesen.
Abschließend ermunterte Odile Laufner: „Wir müssen unsere Arbeit selbstbewusst in die Öffentlichkeit tragen und uns vernetzen.“ Ersteres soll ab 2023 mit dem Architektinnenpreis AKBW vorangetrieben werden. Und das Vernetzen klappt ganz wunderbar, wenn man sich in den ehrenamtlichen Gremien der Kammer engagiert – ob bei den Architektinnen, bei den AiP/SiP, als Kammergruppenvorsitzende oder an anderer Stelle. Die Arbeit dort fördert das Selbstbewusstsein, setzt aber sicher auch Teamplay voraus. Was das betrifft, hat Hannah Dziobek eine klare Haltung: „Vielleicht sind nicht Frauen zu viel Teamplayer, sondern alle anderen zu wenig.“
Wir bieten Kolleginnen aller Fachrichtungen ein Forum zur Klärung genderspezifischer Fragestellungen innerhalb der Kammerstruktur.