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"Suffizienz in der Baukultur" lautete das Thema einer Tagung der Architekten-Kammergruppe Main-Tauber-Kreis im Rienecksaal in Grünsfeld anlässlich des alljährlichen bundesweiten "Tag der Architektur". "Suffizienz ist für mich persönlich ein Thema, dass Nachhaltigkeit mit guter Architektur in Verbindung bringt und dabei auch die Menschen als Nutzer der Architektur", meinte zum Auftakt die Vorsitzende der Architektenkammergruppe Main-Tauber-Kreis, Christine Jouaux.
Neben zahlreichen Kammermitgliedern konnten auch einige Ehrengäste begrüßt werden, unter anderem Joachim Markert, Bürgermeister der Stadt Grünsfeld, Kreisbaumeister Michael Schulz, Frank Künzig, Geschäftsführer der Energieagentur Main-Tauber-Kreis, und Christian Dinkel, Leiter Kundengeschäft Baufinanzierung und Immobilien bei der Volksbank Main-Tauber eG.
"Wir müssen danach streben, Natur, Gebäude und Menschen in einer höheren Einheit zusammenzubringen", zitierte Markert den französisch-schweizerischen Architekten, Städteplaner, Möbeldesigner und Künstler Le Corbusier. Als Beispiel für Suffizienz aus der Natur zeigte der Bürgermeister das Bild einer Schnecke. Suffizient sei auch Grünsfelds frühere Siedlungsfläche gewesen, wie Markert anhand eines Bildbeispiels aus dem Jahr 1965 verdeutlichte. Heute gebe es viele Siedlungs- und Baugebiete außerhalb der Kernstadt. „Wir kommen kaum nach, Baugebiete und Gewerbeflächen auszuweisen. Das zeigt, dass die Nachfrage in Grünsfeld trotz des demografischen Wandels und prognostizierten Einwohnerrückgangs weiterhin besteht“, berichtete er. „Grünsfeld und Architektur gehören einfach zusammen“, hob er bezüglich Veranstaltungsortes hervor.
Im Mittelpunkt der Tagung stand ein Vortrag des Gastreferenten Arne Steffen von der „werk.um architekten GbR“ in Darmstadt zu dem Thema „Suffizienz in der Baukultur“. Bei Suffizienz gehe es um die Frage nach dem rechten Maß sowie darum, soviel zu haben, wie es die eigenen Bedürfnisse erfordern – und dabei nicht nur materielle Bedürfnisse vor Augen zu haben. Grundsätzlich sei Suffizienz speziell für Architekten ein kontroverses Thema mit auch inneren Konflikten. „Wir leben vom Bauen und es wird so viel gebaut wie noch nie“, räumte der Referent ein.
„Ich glaube jedoch, Bauen ist nicht die wirkliche Lösung etwa für die Wohnungsnot“, bezog er insbesondere auch zu einem Wahlslogan der „Grünen“ Stellung. „Wir müssen umdenken und glauben auch, dass etwas passiert. Ich bin jedoch überzeugt, dass das, was bisher passiert, nicht reicht“. Bereits etwa Mitte der 90er Jahre habe es eine Wohnungsnot gegeben, die immer noch bestehe, obwohl inzwischen sehr viel gebaut worden sei. Wenn nur jeder zehnte Single mit einem anderen Single eine Wohngemeinschaft eingehen würde, würden beispielsweise alleine in Hamburg rund 40.000 Wohnungen frei. Größere Wohnungsflächen, ein Alterseffekt, die gestiegene Anzahl an Einfamilienhäusern sowie, veränderte familiäre Strukturen seien wesentliche Gründe für die angewachsenen Siedlungsflächen.
Effizienz (z. B. mehr Nutzen, weniger Einsatz), Konsistenz (z. B. eine Kreislaufwirtschaft) und Suffizienz (Maßhaltigkeit) nannte Steffen als drei essentielle Strategien der Nachhaltigkeit. „Wenn wir in der Geschwindigkeit der Effizienz und Konsistenz so weiter machen wie bis jetzt, genügte es dennoch nicht, das erklärte CO2-Einsparziel von 80 Prozent bis zum Jahr 2050 zu erreichen“, mahnte Steffen. Suffizienz sei im Gegensatz zu Effizienz und Konsistent nicht am Objekt, sondern am Nutzer orientiert und somit eine Art von menschlicher Kultur, die jedoch noch wenig offiziell und öffentlich thematisiert werde. Barrieren für Suffizienz seien bislang unter anderem Verlustängste, Statusorientierung, Mehrheitsorientierung, Abgabe der Verantwortung sowie Konsumverleitung durch den Markt.
Kleinflächigeres und flexibleres Wohnen etwa durch schrumpfende Grundrisse und Innenverdichtung, gemeinsames Nutzen und Mehrfachnutzung von Räumlichkeiten und Gebrauchsgegenständen sowie geringerer Einsatz elektrischer Geräte zählte Steffen als Beispiele baulicher und wohnlicher Suffizienz auf.
Parameter für Suffizienz seien unter anderem gut erschlossene Standorte für Wohnen, Arbeit und Infrastrukturen, einhergehend damit kurze Wege, ein reduzierter „Gebäudeimpact“ aufgrund Bedarfsanalyse und –planung, ein flexibles Flächenmanagement etwa in Form von Flächentausch, geringerer Wohnflächenbedarf, anpassbares Komfortniveau, umweltgerechte Mobilität sowie eine hohe und langfristige Nutzungsdichte.
Entsprechende Angebote und Vorteile zu vermitteln wie etwa ein kleineres Haus, um Suffizienz schmackhaft zu machen, bezeichnete der Referent als Handhabungen für Architekten ihren Kunden gegenüber. Motivation und Nutzen für die Konsumenten seien insbesondere nach der Devise „Weniger kostet weniger“ finanzielle Vorteile und Einsparungen. Eine Vereinfachung des Lebens sowie soziale Aspekte und Komponenten durch mehr gemeinschaftlich genutzte Räume seien weitere mögliche Effekt und Vorteile.
Anstelle der Politwerbung „Bauen statt reden“ wünsche er sich vielmehr „Reden vor bauen“, meinte Steffen. „Wir können das Thema um- und einkreisen, jedoch nicht abschließend definieren“, räumte er gleichwohl ein, bevor er und die Teilnehmer gemeinsam diskutierten, welche weiteren Möglichkeiten Architekten in ihrem beruflichen Handlungsfeld hätten, um für mehr Suffizienz beitragen zu können.
Die Veranstaltung nebst einem anschließenden Empfang wurden von dem Saxofon-Duo „Swing Two“ mit Peter Lesch und Klaus Braun musikalisch umrahmt.
Dipl.-Ing. (FH) Christine Jouaux, Architektin
Dipl.-Ing. (FH) Dirk Kohler,Freier Architekt