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Um Annäherungen an den Bestand ging es beim vierten Architekturgespräch 2023 im Haus der Architektinnen und Architekten unter dem Titel „Neu Sehen – Neu Bewerten“. Moderator Christian Holl stieg in den Abend ein mit Claude Levi-Strauss’ These von den zwei gegensätzlichen Typen bei der Aufgabenbewältigung: der rational-planende Ingenieur versus den Bricoleur („Bastler“), der improvisierend mit dem Vorhandenen umgeht.
„Wenn wir immer nur die Dinge als das sehen, wozu sie einmal gemacht worden sind, werden wir irgendwann für das Alte keine Verwendung mehr haben“, so Holl. Seinen zwei Gäste war exakt dieses gemein: die Wertschätzung des Vorhandenen und das genaue, geradezu sinnliche Erspüren des Bestandsgebäudes und seiner Qualitäten, bevor es an die Planung geht. „Umbau ist Weiterbau, Dialog statt Monolog, steter Wandel statt ständiger Neuanfang“, sagt Anton Mang, Und Mang Architektur, München, der sich seit dem ersten Projekt Ende der 1990er Jahre dem Bestandsbau verschrieben hat. Die „Wegwerfmentalität“ habe das Bauen erreicht, klagt er. Ihn empört vor allem die öffentliche Hand, die häufig – ohne jegliche ehrliche Vergleichsberechnung – mit dem untauglichen Argument, Neubau sei billiger als Bestandsertüchtigung, operiere: „Es wird abgerissen wie blöd, schrecklich!“ Mang forderte die Wiedereinführung der Abrissgenehmigung. „Häuser sind keine Autos, die einfach verschrottet werden. Der Gebäudebestand, ob Baudenkmal oder nicht, prägt die Gesellschaft, prägt unser Zusammenleben“, sagt er. Man müsse die Gleichwertigkeit des Alten und Neuen zulassen und nicht „auf Teufel komm raus“, die Gebäude zu etwas anderem machen.
Auch Lina Mentrup, Architekturbüro Mentrup, Kahla, spürt in ihren Projekten die „Beziehungsnetze zwischen uns und den Dingen, die uns umgeben“ auf, wie Holl formulierte. „NEU SEHEN – NEU BEWERTEN bedeutet das Bestehende wahrzunehmen und zu verstehen. Der Ort und das Vorhandene definieren die Grundlage, um Neues zu schaffen.“ Doch während Mang die „erlittenen“ Umbauten mancher Bestandsgebäude bis zur ursprünglichen Substanz freilegt, sagt Mentrup: „Ich maße mir nicht an, die baulichen Veränderungen zu beurteilen. Man muss Toleranz walten lassen.“ Gleichwohl plant sie entlang selbst auferlegter Grundsätze: „Wir verbauen keinen Müll!“ Mentrup beflügeln „Grenzerfahrungen“, etwa wenn sie eine Drainage aus Lehm legt oder aus Geld- und Materialmangel in MacGyver-Manier eine Gebäudehülle aus Kunststoffgranulat – Müll einer Firma – entwickelt.
Eine Generation trennen die beiden Architekt:innen. Vielleicht begründet sich darin der unterschiedliche Optimismus-Grad. Mentrup sieht derzeit „extrem viel in Bewegung“, Mang beklagt den Mangel an Handwerkern oder das Verschwinden von Materialien, das nicht auf „Masse und Akkordquadratmeter fokussiert“. Sensible „Bricoleure“ des Bestehenden sind sie beide.