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„Wie weiter bauen?“ ist das Thema der Architekturgespräche der Kammer im Herbst 2022. Es gehe eigentlich darum, das nach vorne zu bringen, was immer schon da war und dabei das Bauen als Position innerhalb eines Geflechts aus sozialen und materiellen Gegebenheiten zu sehen, so Moderator Christian Holl in seiner Begrüßung. Nicht das Erschaffen, sondern das Weiterentwickeln wird die Zukunft der Architektur bestimmen, da waren sich alle Beteiligten einig. 30 Gäste in Präsenz und 160 im Livestream verfolgten die Vorträge und die anschließende Podiumsdiskussion.
Das Bauen und Planen steht vor fundamentalen Herausforderungen: Ohne die Nutzung des Bestandbaus werden die nationalen Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele nicht erreichbar sein. Gleichzeitig werden Baumaterialien immer teuer. Normenregulierung verhindert in Teilen innovatives und schnelles Bauen. Notwendige, die Akzeptanz der jeweiligen Maßnahmen verbessernde, Bürgerbeteiligungen erhöhen den Aufwand weiter.
Sarah Perackis vom Büro Perackis.Architekten aus Berlin zeigte sich in ihrem Vortrag überzeugt, dass die Nutzung der Grauen Energie notwendig sei, um Klimaziele zu erreichen, aber dass man den Bedarf an Wohnraum mit Bestandsbau alleine nicht stillen könne. Erweitern laute das Gebot der Stunde: Aufstockungen und Anbauten, die den Bestand sinnvoll erweitern, sowie Sanierungen und Umnutzungen. Sonst würde zusätzlich zur schon vorhandenen Versiegelung der Stadtkerne auch die Versiegelung der Stadtränder weiter um sich greifen. In ihren vorgestellten Beispielen machte sie deutlich, wie solche Erweiterungen gelingen können. Beispielhaft das sich seit 2021 in der Umsetzung befindliche Großprojekt W21: Das Bestandsgebäude wurde um 1900 errichtet und wird nun saniert, umgebaut und um zwei Geschosse aufgestockt. Die dann 50 Wohnungen werden über vier Treppenhäuser erschlossen. Im Innenhof wird mit einer spielerischen Lösung, trotz wenig Platz, ein Mehrwert insbesondere für Kinder geschaffen.
„Architektur ist heutzutage mit vielen Konflikten behaftet. Klimawandel, Baukosten, Ressourcenmangel. Aus der Architekturdebatte ist teilweise eine reine Nachhaltigkeitsdebatte geworden. Wir müssen all diese Herausforderungen ernst nehmen, aber dennoch einfach weiterbauen“ plädierte Sarah Perackis am Ende ihres Vortrags für einen pragmatischen Ansatz in der Debatte.
Mit Alexandra Schmitz von asdfg Architekten in Hamburg war auch die zweite Referentin des Abends Co-Inhaberin eines eigenen, kleinen Büros, die neben Großvorhaben auch Projekte privater Bauherren betreut. „Die Qualitäten, die im Bestand da sind, sichtbar machen und erklären, das ist unsere Aufgabe. Und verdeutlichen, dass evtl. gewisse Idealvorstellungen in diesem Objekt nicht umsetzbar sind, aber dafür andere Qualitäten da sind. Einen Mehrwert erschaffen, der den Erhalt des Bestandgebäudes rechtfertigt“, so Schmitz zu den speziellen Anforderungen im Bestandsbau.
Die Bestandsnutzung ist bei asdfg Architekten sogar Teil des Bürokonzepts: Das Büro befindet sich im Proberaum Oberhafen: Die ehemalige Lagerhalle ist Coworking Space, Atelier und Experimentierhalle in einem. Im Winter sei es manchmal etwas kalt, dafür biete die Halle richtig viel Platz, um Dinge auch einfach mal auszuprobieren, so Schmitz.
Wie zuvor Perackis zeigte sich auch Schmitz davon überzeugt, dass der Anbau ein wichtiges Instrument im Bestandsbau sei. Er stellt für sie eine elegante Möglichkeit dar, den vorhandenen Raum wertzuschätzen, aber ihm dennoch etwas Neues hinzuzufügen. Ästhetisch herausragend gelungen ist dies bei einem Anbau an ein denkmalgeschütztes Einfamilienhaus in Hamburg. Der Neubau wurde in das Gelände eingegraben, wodurch er in seiner Außenwirkung deutlich im Volumen reduziert wurde. Sichtbar bleibt nur die verglaste Fassade, die sich harmonisch in die Umgebung einpasst.
Was denn nötig sei, wollte Moderator Holl am Ende dann doch nochmal genau wissen, damit das Bauen im Bestand künftig noch besser funktionieren könne?
Die Architektinnen waren sich einig:
„Bestandsgebäude können häufig nicht genau die gleichen Normen erfüllen wie Neubauten. Das muss man, insbesondere die Behörden, begreifen, um zu einem sinnvollen Bestandsbauen zu kommen“, so Sarah Perackis. Und Alexandra Schmitz ergänzte: „Beim Denkmalschutz wird individuell hingeschaut, Bestand wird als schützenswert deklariert. Wenn diese individuelle Betrachtung auch bei anderen Bestandsgebäuden möglich wäre, wäre viel gewonnen.“
Die andere große Schraube, an der gedreht werden müsse, seien die Kosten. Der Preis sei entscheidend. Fördermöglichkeiten, ähnlich wie im Denkmalschutz, könnten helfen. Genauso wie eine verbindliche staatliche Vorgabe, wie im Bestand gebundenes CO2 berechnet werden soll, um zu einer realistischen Folgekostenabschätzung zu gelangen.
Um voranzukommen, sei es notwendig so die beiden Planerinnen, dass sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen, um zu einer tragfähigen Lösung zu gelangen. Architekten, Bauherren, angesprochene Nutzer und die Öffentlichkeit, Fachplanerinnen, Bauamt, Grünflächenamt, Straßen und Tiefbauamt…
Denn am Ende sei „einfach bauen auch einfach gemeinsam weiterbauen“ führte Sarah Perackis aus. „Wenn sich alle zurücknehmen und das annehmen, was da ist, wäre viel gewonnen“, warb auch Alexandra Schmitz für einen gemeinschaftlichen Ansatz in der Frage nach dem „Wie in Zukunft weiter bauen?“
Die nächsten Architekturgespräche finden am 8. Dezember 2022 statt. Zu Gast im Haus der Architektinnen und Architekten sind dann Sophie Reiner von studioeuropa Reiner Chiellino Architekten aus München/Wien und Markus Lüscher von Park Architekten aus Zürich.