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Baugewerblich tätige Architekten nutzen offensichtlich je nach Markterfordernis den gesamten Spielraum, den das Berufsrecht ihnen bietet: von klassisch treuhänderischer Tätigkeit für den einen Bauherrn bis hin zum schlüsselfertigen Angebot für den anderen Auftraggeber – so lautete das wichtigste Fazit beim 1. Tag der baugewerblich tätigen Architekten am 18. Juli 2013 im Haus der Architekten in Stuttgart. Dort stellten vier erfolgreiche Vertreter dieser Tätigkeitsart insbesondere die Chancen und Möglichkeiten der Projektentwicklung für baugewerblich tätige Architektinnen und Architekten vor.
"Ich freue mich, dass die baugewerblich tätigen Architektinnen und Architekten sich heute Abend selbstbewusst präsentieren und den kollegialen Austausch pflegen“, begrüßte Kammerpräsident Wolfgang Riehle die Anwesenden. Noch zu Beginn seiner Amtszeit vor rund 15 Jahren hätte diese Berufsgruppe mehr im Verborgenen agiert. In den letzten Jahren hätte sich jedoch auf allen Kammerebenen eine intensive Diskussion über Chancen und Risiken einer baugewerblichen Betätigung ergeben. Dabei ginge es weniger um den Architekten, der auch eine Bauunternehmung betreibe, sondern viel mehr um das breite Feld der Projektentwicklung. Bemerkenswert sei, dass sich vor allem auf Seiten derjenigen Kolleginnen und Kollegen, die am nächsten an berufspolitischen Diskussionen dran seien, eine signifikante Zahl für die Umtragung von freier zu baugewerblicher Tätigkeit entschlossen hätten. Gab es 1998 noch überhaupt keinen baugewerblich tätigen Kammergruppenvorsitzenden, so gehören heute fünf von 42 Kammergruppenvorsitzenden dieser Tätigkeitsart an. Herr Riehle bedankte sich beim Arbeitskreis und insbesondere bei Klaus Wehrle, Architekt und Projektentwickler aus Gutach-Bleibach, der als Vertreter der baugewerblich tätigen Architekten im Landesvorstand der Architektenkammer Baden-Württemberg auf zahlreichen Veranstaltungen die Möglichkeiten aufzeige, die eine baugewerbliche Betätigung als zweites Standbein neben der klassischen Architektentätigkeit einem Büro biete.
Erster Referent des Nachmittags war Hans Zwimpfer, Architekt BSA/SIA aus Basel, der allerdings streng genommen kein baugewerblich tätiger Architekt ist, da in der Schweiz die Trennung in „freie“ und „baugewerblich tätige“ Architekten gar nicht existiert. Eindrucksvoll belegte der über achtzigjährige Zwimpfer, wie er frei von solch berufsrechtlichen Beschränkungen im In- und Ausland hervorragende Architektur schuf. 1957 legte der Wettbewerbsgewinn für den Neubau der Hochschule St. Gallen den Grundstein für die weitere Entwicklung des gemeinsam mit dem Bildhauer Walter Förderer und dem Architekten Rolf Otte gegründeten Büros.
Neben beispielhaften Projekten im Ausland, z.B. in Saudi Arabien und Mittelamerika, beschrieb Hans Zwimpfer insbesondere seine Projektentwicklungen in der Schweiz mit Volumina von bis zu 120 Mio. „Die Aufgaben kamen, weil sich herumgesprochen hatte, dass der Zwimpfer immer ein Konzept hat, wie man ohne Eigenmittelbauen kann“ – so der Architekt. In den letzten Jahren entwickelte und realisierte Zwimpfer sein patentiertes Konzept „Pile Up“ von „gestapelten“ Eigentumswohnungen als seine Lösung gegen Zersiedelung. „Das Interesse war zwar groß, aber entsprach nicht den kleinkarierten Anlagenormen der großen Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Fonds. Somit musste ich für mein Pilotprojekt Privatgeld organisieren, um die Idee in die Wirklichkeit umzusetzen“. Nach erfolgreichen Projekten in Rheinfelden, Zug und Neuhausen folgte dann das Konzept „Stack Up“ als kostengünstigere Variante für den Mietwohnungsbau.
Auch Peter Schanz, Architekt BDA, wollte mit seinen eigenen Planungen der weiteren Zersiedelung im sehr ländlich geprägten Südschwarzwald etwas entgegensetzen. Dies sei in der „baukulturellen Diaspora“, in der klassische Einfamilienhäuser dominierten, jedoch mangels interessierter Bauherrinnen und Bauherren jedoch nicht möglich gewesen. Schanz machte aus der Not eine Tugend und entwickelte auf schwierigen, bislang nicht genutzten Grundstücken seine eigenen Reihenhäuser. Seine schlüsselfertigen, auf individuelle Wünsche Rücksicht nehmenden Gebäude erwiesen sich als äußerst wettbewerbsfähig.
„Die Bauherren möchten einen Festpreis“, so Peter Schanz, „dafür sind sie gerne bereit zu bezahlen“. Während bei einer klassischen treuhänderischen Betreuung die Honorare im Einfamilienhausbereich oft nicht auskömmlich seien, würden seine Leistungen bei den von ihm baugewerblich erstellten Objekten mit Festpreis adäquat honoriert. Und die Kompetenz seines Büros bei Kosten, Terminen und Ausführungsqualität spreche sich herum: „Ich muss mittlerweile oft aus Kapazitätsgründen Projekte ablehnen“. Mittlerweile entwickelt und realisiert Peter Schanz mit seinem Team Objekte zum Festpreis bis zu einem Volumen von 2,5 Mio. EUR, so ein Wohn- und Ärztehaus mit integrierter Poststelle. Rund die Hälfe des Auftragsvolumens werde trotzdem über klassische Planungsaufgaben abgedeckt. „Interessanterweise sagen manche Bauherren, die mich rein treuhänderisch beauftragen, sie vertrauen gerade deshalb auf die Kompetenz unseres Büros, da wir mit unseren baugewerblich erstellten Objekten unter Beweis gestellt hätten, dass wir kostengünstig planen könnten“.
Die „isin architekten Generalplaner Projekt GmbH“ aus Aalen mit rd. 50 Mitarbeitern und Niederlassungen in Schwäbisch Gmünd und Stuttgart hat andere Schwerpunkte. Cemal Isin, Architekt, und seine Büropartnerin Inge Horn, Stadtplanerin, entwickeln Quartiere mit einem Projektvolumen von bis zu 40 Mio. Euro Aber auch „kleinere“ Einzelobjekte, wie Hotels, Wohn- oder Gewerbeimmobilien gehören zu den Schwerpunkten des Büros. „Gegenüber klassischen Bauträgern müssen wir Architekten immer einen Schritt voraus sein“ umschreibt Cemal Isin seine Philosophie.
Sein Team berät private und öffentliche Auftraggeber bei der Entwicklung von Objekten, Standorten und Quartieren und entwickelt Nachnutzungskonzepte für Brach- und Konversionsflächen. Sein Büro koordiniert die Projektbeteiligten, begleitet Planungs- und Genehmigungsverfahren. Bei Bedarf tritt isin+co auch selbst als Investor auf. Sein baugewerbliches Engagement in Ergänzung zur reinen Planertätigkeit ist für Isin eine wichtige Säule: „Diese ermöglicht uns Unabhängigkeit, eine ausgeglichener Büroauslastung und sichere und gute Arbeitsplätze für unsere Mitarbeiter“.
Hans Klement stellte das Leistungsspektrum seiner Planquadrat Projekt GmbH in Bad Cannstatt vor. Seine Schwerpunkte sind, neben klassischen Architektenaufgaben, Bauträgerleistungen im Geschosswohnungsbau – sowohl im Neubau als auch bei denkmalgeschützten Objekten – sowie die Projektentwicklung. Eindrücklichstes Beispiel war die Entwicklung eines Hochbunkers zu fünf „bombensicheren“ Wohnungen in fantastischer Aussichtslage inmitten von Weinbergen. Zu seiner Motivation befragt, skizziert Klement die typische Situation des freien Architekten:
Ein verbal überzeugender Auftraggeber, Projektentwickler oder Investor kommt mit einer großen Vision, der Architekt stützt sich voll Enthusiasmus in die Arbeit und „wenn’s klappt dann brummt’s – oft aber auch nicht“. Nach diesen Erfahrungen habe er erkannt, mit Eigeninitiative, wachem Auge, Kontakt- und Verhandlungsfreude, Mut, Flexibilität im Denken, Tatkraft und auch ohne Eigenkapital einsetzen zu müssen, könne man als Architekt solche Aufgaben in eigener Federführung stemmen.
Diesem Resümee konnte sich Professor Mark Phillips, Vorsitzender des Arbeitskreises der baugewerblich tätigen Architekten der Architektenkammer, nur anschließen. Die aufgezeigten Beispiele der vier Referenten hätten eindrucksvoll gezeigt, dass sowohl große als auch durchaus auch kleinere Architekturbüros erfolgreich baugewerblich tätig sein können. Dass alle Büros neben der baugewerblichen Betätigung auch klassisch – treuhänderisch – unterwegs seien, zeige beide Tätigkeitsbereiche gemeinsam als Säulen einer stabilen Büroentwicklung und oft, so seine Erkenntnis des Abends, seien die baugewerblichen Kollegen mit ihren eigenen Projekten „freier“ als der eingetragene freie Architekt.