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"Architektur Stadt Schule”, so lautet der Titel eines bundesweit einmaligen Pilotprojektes, das die Stadt Rottenburg am Neckar ins Leben gerufen hat. Fünftklässler einer Hauptschule erhielten ein Jahr lang Schulunterricht im neugeschaffenen Fach Architektur, den Lehrplan entwarf ein Lehrer in Zusammenarbeit mit einem Architekten und der Stadtverwaltung. Im Mittelpunkt des Unterrichts stand ein Gebäude, das eine wichtige Rolle im Leben der Schüler spielt: der Unterrichtspavillon der eigenen Schule.
Der AnfangDer Anstoß für das Projekt kam von der Stadtverwaltung. Im Rahmen einer innerbetrieblichen Fortbildung entwickelten vier Mitarbeiter (Alexander Braun, Roland Bock, Tobias Elliger und Jürgen Klein) die Idee für eine Koordination von Stadt, Schule und niedergelassenen Architekten. Tobias Elliger, Stellvertretender Amtsleiter des Hochbauamtes, erklärt die Grundidee des Projektes so: "Wir Menschen verbringen hierzulande über 90 Prozent unserer Lebenszeit in Gebäuden. Gleichzeitig hat die Qualität der Architektur erhebliche Auswirkungen auf unser Wohlbefinden und unsere Motivation. Da das natürlich auch für Schüler gilt, die zudem die Bauherren von morgen sind, ist es wichtig, gerade in Schulen Wissen über Baukultur zu vermitteln."
Architektur als SchulfachIn Lehrer Michael Ortmann fanden die vier Koordinatoren einen begeisterten Unterstützer und mit Bodo Schanzenberger einen Architekten, der sich mit großem Engagement auf das Projekt einließ. Von ihrem Lehrer lernten die Schüler unter anderem, wie man Zimmer aufmisst, Flächen berechnet und einen Grundriss maßstabsgetreu zeichnet. Michael Ortmann sagt dazu: "Ins Thema Architektur kann ich unterschiedliche Fächer wie Mathematik, Geschichte, Kunst und Physik integrieren. Durch das vernetzte Lernen sehen die Schüler die einzelnen Lerninhalte nicht mehr isoliert, sie können Bezüge herstellen, was das Lernen erleichtert."
Architekt Bodo Schanzenberger erklärte den Zehnjährigen, wie ein Architekt arbeitet und zeigte in Experimenten, was eine gute Wärmedämmung bewirken kann. Der Architekt war begeistert. "Die Kreativität der Schüler ist phänomenal. Dabei gefällt mir das völlig Neue und Unverbrauchte ihrer Ideen. Bei Experimenten sind sie voll dabei und sobald es etwas zu sehen gibt, sind sie konzentriert bei der Sache." Tobias Elliger erläuterte in einem Bildvortrag die Entwicklung des Wohnens von der Felsenhöhle bis zum Dubai-Tower und in Exkursionen erkundeten die Schüler Steinzeit-Pfahlbauten und eine moderne Großbaustelle, das bischöfliche Ordinariat in Rottenburg. Jürgen Klein, Stellvertretender Amtsleiter des Tiefbauamtes, stellte in praktischen Versuchen die Eigenschaften unterschiedlicher Baustoffe vor. Und mit dem Künstler David Baur aus Stuttgart erfuhren die Hauptschüler, was Farbgebung bei einem Bauwerk bewirken kann.
Der PavillonAls Übungsprojekt diente der sanierungsbedürftige Pavillon mit vier Unterrichtsräumen auf dem Schulgelände der Hohenbergschule. Auch wenn der Termin für die Sanierung noch nicht feststeht, planten die Schüler in Arbeitsgruppen diese Räume neu und bezogen ein zentrales Rasenstück mit Baum mit ein. In den Entwürfen der Schüler sind die Wände des Pavillons bunt. Auf dem Boden wächst Rasen, in der Mitte eines Klassenzimmers steht ein alter Zwetschgenbaum und in ein Zimmer führt eine Rutsche statt einer Tür. Damit man genau sehen kann, wie sich die Zehnjährigen das vorstellen, haben sie ein Modell erstellt, maßstabsgetreu und fast professionell aus Modellbauplatten, Acrylglas und Metallblechen.
Idee mit ZukunftDie Idee der Stadtverwaltung ging auf. So berichtete Michael Ortmann nach dem einjährigen Projekt: "Ich habe noch nie Schüler so selbstständig und motiviert arbeiten sehen. Das Interesse für das Thema Architektur und die Tatsache, dass das Gelernte nicht nur graue Theorie, sondern in der Praxis anwendbar war, hat die Schüler enorm beflügelt."
Und Tobias Elliger hat von den Fünftklässlern viele Anregungen für die geplante Sanierung erhalten. "Eins zu Eins können wir die Pläne der Schüler natürlich nicht umsetzen. So haben sie bei ihren Entwürfen immer mal wieder "Details" wie Türen oder Fenster vergessen. Und ein echter Fußballrasen als Bodenbelag im Klassenzimmer ist leider technisch nicht machbar. Aber die Ideen der Schüler, den Innenhof samt Baum als Außenklassenzimmer zu gestalten oder noch mehr als bisher mit Farben zu arbeiten, würden wir gern bei der Sanierung aufgreifen. Das Modell verschwindet auf keinen Fall in der Schublade."
Nicht in der Schublade soll auch das Projekt "Architektur Stadt Schule" verschwinden: Alexander Braun vom Stadtplanungsamt und Roland Bock, Leiter zweier Verwaltungsstellen, verfassten einen umfassenden Bericht über das gesamte Projekt. Ein Leitfaden für Folgeprojekte kann interessierten Städten und Schulen zur Verfügung gestellt werden. Aber auch in Rottenburg soll es künftig weitere Architektur-Projekte in Zusammenarbeit von Schulen und Stadt geben.
Das Projekt wurde im Schuljahr 2010/2011 durchgeführt. Begleitet wurde es von der Architektenkammer Baden-Württemberg, die mit dem Programm "Architektur macht Schule" auf nicht-kommunaler Ebene ähnliche Ziele verfolgt.
Weitere Informationen: tobias.elliger@rottenburg.de
Begleitend zum Projekt wurde ein Leitfaden und eine Dokumentation erstellt. Informationen dazu finden Sie hier.
Überblick über die Initiative der Architektenkammer Baden-Württemberg