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Regeln der Technik - was sind sie und was nicht
Jeder Baubeteiligte, jeder Bauschadenssachverständige und jeder Baujurist spricht von "Regeln der Technik", manchmal "allgemein anerkannt - a.a.R.d.T.", manchmal nur "anerkannt - a.R.d.T.". Aber keiner weiß so recht, ob dies ein Unterschied ist und was sich überhaupt hinter diesen Begriffen verbirgt. Wo stammen sie her? Was bedeuten sie bei der Anwendung im Einzelfall? Und welche Relevanz haben sie in der Praxis nun tatsächlich?
Die Verunsicherung rührt von der Tatsache her, dass es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der jeweils für den konkreten Anwendungsfall mit Leben zu füllen ist. Nicht nur verschiedene Berufsgruppen, sondern sogar jeder Einzelne versteht etwas anderes unter dem Begriff der a.R.d.T. Dabei war und bleibt der Begriff der a.R.d.T. als Platzhalter für richtiges Bauen dort notwendig, wo Inhalte nicht umfassend und detailliert beschrieben werden können.
DIN-Normen und andere Regelwerke sind nicht von vorneherein mit anerkannten Regeln der Technik gleichzusetzen, wie dies leider allzuhäufig geschieht. Eine solche kritiklose Adaption ist noch nicht einmal von den Regelsetzern so gewollt und beabsichtigt. 2016 hat der Deutsche Baugerichtstag gefordert: "Die Kluft zwischen (namentlich europäischen) technischen Normen und den allgemein anerkannten Regeln der Technik darf nicht noch größer werden." Einerseits gibt es nicht für alle Fragen des Bauens solche Regeln, andererseits kann aufgrund der nicht mehr überschaubaren Zunahme von Regelwerken des DIN, der Fachverbände sowie der herstellenden Industrie nicht mehr von vornherein vorausgesetzt werden, dass eine Regel auch bekannt ist – eines der wesentlichen Elemente, damit sich eine Regel als anerkannte Regel der Technik etablieren kann.
Gleichzeitig steigen die öffentlich-rechtlichen wie auch die privatrechtlichen Anforderungen und Erwartungen an Bauwerke stetig. Die Änderungen der Bautechnik gehen heute erheblich schneller als früher vonstatten, als sich Bauweisen und -produkte noch über einen längeren Zeitraum bewähren mussten und auch konnten. Einerseits soll neu und leistungsfähig gebaut werden, andererseits sollen die Bauweisen aber auch anerkannt sein und sich damit bereits über längere Zeit praktisch bewährt haben.
Das nun erschienene und hier dringend zur Lektüre empfohlene Heft 8 in der Reihe "Baurechtliche und –technische Themensammlung" behandelt sowohl den sich hieraus ergebenden Konflikt als auch die grundsätzlichen Fragen zu den anerkannten Regeln der Technik. Widersprüchlichen Erwartungen werden an Beispielen aus verschiedenen Bereichen des Bauens verdeutlicht. Die Entstehung des juristischen Konstrukts der anerkannten Regeln der Technik, die Entwicklung innerhalb eines Jahrhunderts, die heutigen Probleme bei der Anwendung und die sich daraus ergebenden Grenzen werden dargestellt. Das Themenheft setzt sich ausführlich mit den unterschiedlichen Aspekten der anerkannten Regeln der Technik auseinander, da diese situationsabhängig unterschiedliche Bedeutung haben. Dabei berücksichtigen die technischen Ausführungen von Prof. Dipl. -Ing. Matthias Zöller gleichwohl rechtliche Aspekte und die juristischen Abschnitte der Rechtsanwältin Prof. Dr. Antje Boldt müssen auch auf technische Sachverhalte eingehen. Die jeweiligen Gebiete sind zwar getrennt und mit "T" oder "R" gekennzeichnet dargestellt, aber abschnittsweise ineinander verzahnt. Auf den ersten Blick mögen so scheinbar Wiederholungen erfolgen. Tatsächlich aber beleuchten die jeweiligen Ausführungen die einzelnen Aspekte aus technischer und rechtlicher Sicht unterschiedlich.
Auch wenn dieser Band der "Arbeitshefte für Baujuristen und Sachverständige" scheinbar nur einen sehr spezifischen Adressatenkreis anspricht, haben hier alle Planer und Baubeteiligte einschließlich Bauherrenvertretern und Juristen eine hervorragende Gelegenheit, sich an der Schnittstelle zwischen Recht und Technik zu informieren, wie sie mit einem für das Bauwesen so wesentlichen Begriff umgehen können
Da sich die Rahmenbedingungen für die Anwendung der anerkannten Regeln der Technik erheblich geändert haben, schließen die Autoren das Themenheft mit einem Vorschlag, um eine für das Bauwesen so wichtige Ergänzung zum Bauvertragsrecht nicht nur zu erhalten, sondern auch gemäß den heutigen Bedingungen sachgerecht fortzuentwickeln. Dabei laden Sie zur Diskussion und konstruktive Kritik ein. Aus Sicht des Rezensenten unbedingt zu begrüßen, wenn ihm auch der Vorschlag längst nicht weit genug geht: nicht zuletzt angesichts der durch stetig steigende, privatrechtlich geschuldete Standards evozierten Kostenexplosion und nicht mehr überschaubarer Haftungsfälle benötigen wir ein grundlegend geändertes Bauvertragsrecht mit einem neu definierten Mangelbegriff.
Anerkannte Regeln der Technik Baurechtliche und -technische Themensammlung Heft 8 Matthias Zöller, Antje Boldt Bundesanzeiger Verlag GmbH, Köln / Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart; 2017; 100 Seiten, 15 Abbildungen, DIN A5 Kartoniert; ISBN 978-3-8167-9949-8 | € 34,80
Selbstverständlich verfolgt die Themensammlung nicht das Ziel, die Aufgabenverteilung zwischen Juristen und Sachverständigen aufzulösen und den Sachverständigen zum juristischen Experten oder den Juristen zum Sachverständigen zu machen. Die gemeinsame Bearbeitung durch eine Juristin und einen Sachverständigen soll aber das Verständnis füreinander und die Kommunikation zwischen Juristen und Techniker verbessern helfen.