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Innenarchitektentag 2016
Schon bei der Begrüßung durch Diana Wiedemann, Vertreterin der InnenarchitektInnen im Landesvorstand, wurde deutlich: Wohnen geht alle an, schließlich ist jeder betroffen, denn sein ganzen Leben lang wohnt jedermann irgendwie und irgendwo. Bedürfnisse und Anforderungen wandeln sich schneller als in der Vergangenheit, so dass eine flexiblere Wohnraumgestaltung erforderlich ist. Doch wie sehen solche Wohnräume aus? Wie können die Anforderungen im Wohnungsbestand Berücksichtigung finden? Stellt Clusterwohnen eine Lösung dar und wie geht man die Gestaltung an? Diese und andere Fragestellungen sollten im Verlauf des Nachmittages besprochen werden.
Auch Vizepräsident Stephan Weber betonte die Relevanz des Wohnens als Aufgabe der Kammergremien. Er erachtet die Erarbeitung von Handlungsanweisungen für die Politik als wichtig und sieht in der Grundrissbearbeitung, intelligenten Möblierung, Licht- und Farbegestaltung die Kernthemen der Innenarchitektur.
Im ersten Impulsvortrag berichtete Katja Knaus, Partnerin im jungen Büro Yonder – Architektur und Design, vom Wandel in der Gesellschaft und den daraus resultierenden Haushaltstypen. Die verschiedenen Lebensstile, die es gibt, sind vielfältiger, Phasen des Alters sind anders und es kommt zur Individualisierung der Lebensformen. Gemeinsames Leben, Vernetzung und Austausch sind gefragt. Natürlich erfordern auch die demografische Entwicklung, andere Formen von Arbeitsplätzen und die Medialisierung der Gesellschaft eine Reaktion. Lebensräume müssen neu definiert werden. Katja Knaus stellte verschiedene neue Wohnformen vor und warf einen Blick in Richtung Asien. Dort wird in Großstädten wie Tokio bereits das „Boxenmodell“ als gebautes Experiment erprobt. Gleiches gilt für Clusterhäuser. Hier wird das Leben „im Schaufenster“ auf kleinstem Raum gelebt. So auch im Haus N, das im Zwiebelsystem gebaut wurde. Platzsparend werden öffentlich einsehbare Räume rund um einen „intimen Kern“ angelegt. Katja Knaus sprach sich für den Schritt in Richtung nachhaltiger Nutzung aus und ermutigte die Zuhörer, sich den experimentellen Umgang in der Entwicklung von Wohnraum zu trauen.
Unter dem Titel „Wohnformen für eine sich wandelnde Gesellschaft“ legte der Immobilienökonom Frank Talmon l’Armée die Projektentwicklung aus kaufmännischer Sicht dar. Die gesellschaftliche Situation – mit einer „Generation Y“ auf der einen Seite und dem Gegenpol der zunehmenden Gruppe der „Senioren 60 plus“ generiere unterschiedliche Ansprüche an Immobilien. Neubauten sollten sich aus den Wohnansprüchen der jungen Generation entwickeln, jedoch entsprächen diese Produkte nicht den Ansprüchen der älteren Bevölkerung, die wiederum bei Eigentumswohnungen einen Kundenanteil von über 80 Prozent ausmachten. Deutschland benötige eine schnelle Verfügbarkeit von Wohnraum und das bedeute insbesondere für Städte eine enorme Herausforderung, verbunden mit einer großen Chance für urbanes Leben und innovative Mobilitäts- und Wohnkonzepte. Besonders für den Bereich der Singlewohnungen werden dringend pfiffige Konzepte benötigt, die alle Funktionen auf kleiner Fläche möglichst qualitätsvoll und schön gestaltet vereinen.
Gesellschaftliche Veränderungen, soziale und berufliche Mobilität sowie drohende Altersarmut – insbesondere für ältere Damen – hierin sah Christoph Neis, Vorstand der ulmer heimstätten eG, eine erhöhte Nachfrage an kleinen und bezahlbaren Wohnungen, die zudem passabel für die Nutzung in unterschiedlichen Lebensphasen sind. Für die Wohnungswirtschaft ergeben sich daraus zahlreiche Planungsaufgaben, um dem Bedarf von 400.000 Wohnungen gerecht zu werden, der diagnostiziert wurde. Für Neubauten bedeutet dies förderfähige Wohngrundrisse, die flächen-, kosten-, energieoptimiert und barrierefrei gestaltet sind. Ebenfalls müssen besondere Wohnformen berücksichtigt werden, zum Beispiel im Mehrgenerationenhaus oder ambulant betreute Wohnungen. Als Garant für bezahlbaren Wohnraum sah Neis den Bestand – aber auch hier winken spannende Aufgaben für innovative Grundrissänderungen und für moderne Badgestaltung.
Prof. Stephanie Eberding berichtete vom (von der Architektenkammer ausgelobten) Wettbewerb, bei dem Studierende von fünf Hochschulen aus Baden-Württemberg für real bestehende Grundstücke innovative Entwürfe eingereicht haben (s. DAB-BW 10.2016 S.16 ff). Hieraus könnten Städte Ideen herausziehen, da die Arbeiten eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Orten darstellen und von Städtebau, Freiräumen/Platzgestaltung bis zu veränderbaren Wohnungsgrundrissen alle Maßstabsebenen bedienen und neue Trends wie Cluster- und Minimalwohnungen berücksichtigen.
Als „ideale Mischung zwischen Privatsphäre und gemeinschaftlichem Wohnen“ bezeichnete Thomas Sacchi in seinem Kurzvortrag das Clusterwohnen in der Genossenschaft Kalkbreite in Zürich sowohl aus Sicht des Projektleiters, als auch als einer der 256 Bewohner. Dahinter steckt die Idee, eine große Wohnung aufzugeben zugunsten einer kleineren, qualitätsvollen. Günstige Mieten und hohe Flexibilität in der Gebäudestruktur ermöglichen eine vielfältige Nutzung und bunte Durchmischung von verschiedenen Wohnformen, Gewerbe und Kultur.
Prof. Hartmut Raiser berichtete über zwei Bestandsgebäude: einer Lagerhalle und einer Werkstatt, die eine spannende Wandlung zur Wohnnutzung erfuhren. In den anschließenden Werkstattrunden und Diskussionen wurde deutlich: Es gibt viele Handlungsräume, in denen Innenarchitekten aktiv werden können und müssen. Initiative ist gefragt, um die offenen Märkte zu erschließen. Dazu gehört die Vernetzung mit der Wohnungswirtschaft. Ebenfalls wird viel Potential in der Aktivierung von Bestandsflächen, die derzeit nicht genutzt werden, wie Baumarktflächen gesehen.