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Prof. Dr. Werner Sobek wagte bei den 11. Heidenheimer Energiegesprächen den Versuch einer Richtungsbestimmung. Der im vergangenen Herbst mit dem renommierten Fritz-Leonhardt-Preis ausgezeichnete Stuttgarter Architekt und Bauingenieur fordert Rückkehr zur Moral in der Architektur.
Erstmals saß auf dem Podium der von der Architektenkammergruppe Heidenheim alljährlich organisierten und mit etwas mehr als 200 Zuhörern außerordentlich gut besuchten Veranstaltung nicht, wie seit zehn Jahren üblich, eine vierköpfige Gesprächsrunde. Die Vorstandschaft der Heidenheimer Architektenkammergruppe hatte sich für ein neues Format ihrer Traditionsveranstaltung entschieden und damit glänzend reüssiert. Als Leiter des Instituts für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart ist Prof. Sobek nicht nur vorbildgebender Hochschullehrer sondern zugleich auch Chef seiner 280 Mitarbeiter zählenden Werner Sobek Group, die weltweit eine Vielzahl von teils spektakulären Baustellen unterhält und dabei immer wieder Grenzbereiche des Bauens auslotet. Er möchte das Bauen selbst reformieren. Seine Ideen und Vorstellungen von der Suche nach neuen Wegen beim Bauen weiß der gebürtige Schwabe eloquent in Worte zu fassen und mit einer Fülle von Fakten greifbar zu machen. Die zahlreichen Berufskollegen in der Zuhörerschaft folgten im vollbesetzten Lokschuppen über zwei Stunden gespannt seinen Ideen über die Zukunft des Bauens.
Angesichts der aktuellen Ereignisse in punkto Klimawandel und Bevölkerungswachstum sieht Prof. Sobek das Bauen vor enorme Herausforderungen gestellt. Wie von Landrat Thomas Reinhardt, in dessen Händen die Schirmherrschaft für die Veranstaltung lag, zu Beginn des Abends erläuterte, wird angesichts der sich auch regional abzeichnenden Häufungen von Wetterextremen ein Umdenken beim Bauen nötig sein. Vieles was heute als scheinbar Unmöglich erscheint, sei aber technisch schon bald machbar gab sich der Landrat hoffnungsvoll.
So sei beispielsweise seine Vision "Triple-Zero" ein möglicher Weg: Null Energiebedarf, null Kohlendioxidemissionen und null Abfall bei späterem Gebäudeabriss. Er verlangt künftig ein klares Verbot beim Verbrennen fossiler Energieträger. CO2 Emission muss moralisch als verwerflich gebrandmarkt werden. "Wir wissen, dass die Sonnenenergie die auf die Erde einstrahlt bei weitem genügt"
Doch statt diese Quelle zu nutzen und deren Energie intelligent zu speichern, seien 2015 in Deutschland mehr Ölheizungen verkauft worden als je zuvor. Dabei, würde gerade der Verzicht auf fossile Energie hierzulande einen ungeahnten Entwicklungsschub, nicht zuletzt auch in wirtschaftlicher Hinsicht auslösen. Das ist der Punkt, von dem ab Innovation beginnt. Aber warum geschieht all dies nicht bereits schon auf breiter Front?
Für Prof. Sobek selbst heißt die Innovation Leichtbau auf technisch höchstem Niveau. Solche Technologie steckt beispielsweise auch im 246 Meter hohen Fahrstuhltestturm der Fa. Thyssen der derzeit gemeinsam mit dem deutsch-amerikanischen Architekt Helmut Jahn in Rottweil entsteht. Prof. Sobeks Team hat den von einer leichten spiralförmig emporsteigenden Glasfasermembrane umgebenen Turm standsicher gemacht aber auch dafür gesorgt, dass er als einziger Turm der Welt zu Erdbebensimulationszwecken von sich aus schwanken kann.
Die Botschaft gilt aber nicht nur für die High-Tech Produkte seines Büros. Es geht ihm immer ums Minimieren. In einem Gebäude stecke heute in den Baumaterialien bis zu 35mal mehr Energie als es jährlich verbrauchen würde. „Wäre es nicht klüger, hier zehn Prozent weniger Material einzusetzen, statt nachher aufwendig Energie zu sparen?“ Dass materialsparendes und leichtes Bauen möglich ist, beweist er nicht nur immer wieder mit seinen Studenten am Stuttgarter Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren (ILEK) mit weltweit einzigartigen Konstruktionen, auch seine jährlich entwickelten Einfamilienhäuser, an denen von ihm die Grenzen des Machbaren ausgelotet werden sollen belegen, dass „Triple-Zero“ in der Praxis funktioniert.
Das letztes Projekt B10 in der Stuttgarter Weißenhofsiedlung produziert 200 Prozent Energieüberschüsse. Das Energiemanagement ist dabei über Computer so ausgeklügelt, dass dieser, vernetzt mit Daten des Deutschen Wetterdienstes, überschüssig erzeugte Energie an der Leipziger Strombörse verhandelt. Der Aufwand an Ingenieurleistung für solche Häuser ist groß, insbesondere, wenn diese auch noch rückstandsfrei abbaubar sein sollen. „Die Planung ist teuer“ sagt Prof. Sobek, „doch die Häuser sind es nicht“. Auf 1500 Euro je Quadratmeter ist das konzipierte und in Lizenz vertriebene, modular aufgebaute Einfach-Wohnhaus kalkuliert.
Prof. Sobek will aufstacheln, Pioniergeist wecken. Wer sich nur auf gesichertem Terrain bewege, könne nicht weiterkommen und notwendigerweise auch keine Grenzen verlegen. Sein Appell richtet sich dabei auch an Studierende. Er rät, sich ein eigenes Ziel zu formulieren und dieses schriftlich zu fixieren. „Das Beste oder nichts“, und zitiert dabei Gottlieb Daimlers Leitmotiv.
Der seit elf Jahren ebenfalls mitwirkende, ehemalige „SWR1-Leute“ Moderator Stefan Siller, fand sich an diesem Abend gar selbst als beinahe überflüssig. Er verstand es allerdings trotzdem im abschließenden Podiumsgespräch exzellent, das Gespräch über Baukunst mit Fragen der moralischen Verantwortung zu verknüpfen.
Dabei kam Prof. Sobek auch auf die Enzyklika Laudato si‘ des Papstes zu sprechen, in der alle Umweltzerstörungen aufgelistet sind und die ihn tief beeindruckt hätten. Darin fragt der Papst warum man die Lösung all dieser Probleme weiter den Menschen anvertraue, die bisher darin versagt haben? Das, so Prof. Sobek, käme bei genauerem Betrachten einer Revolution gleich. Als schlimmsten Ausspruch der Menschheitsgeschichte geißelt er abschließend den Satz, den sicher nicht nur die Architekten im Publikum schon häufig gehört haben dürften. „Das rechnet sich nicht.“ „Wir müssen heute für unsere Enkel und Urenkel investieren. Das hat eine moralische, aber keine rein kapitalistische Dimension“ so der Referent.
Welche Rolle fällt in diesem Spannungsfeld dem Architekt heute zu? Mit dieser Frage hatte Wolfgang Sanwald Vorsitzender der Heidenheimer Architektenkammergruppe das Publikum in seiner Begrüßungsrede zu dieser hochkarätigen Veranstaltung eingestimmt. Beim Buffet und in den vielen sich anschließenden Gesprächen unter den begeisterten Besuchern wurde darüber bis zur späten Stunde vielfältig diskutiert.