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Das neue Bauvertragsrecht ist immer noch nicht verabschiedet. Eine Zwischenmeldung.
Stellen Sie sich vor, Sie kaufen über das Internet eine neue Spülmaschine, vereinbaren „Lieferung bis vor die Haustür“, schließen dann die Spülmaschine an – und sie funktioniert nicht. Es kommt heraus, dass der Mangel nicht an der Montage, sondern am Gerät lag. Der Verkäufer erklärt sich darauf bereit, Ihnen eine neue Ersatzmaschine zu liefern. Sie verlangen aber zusätzlich, dass er die mangelhafte Maschine aus und die neue Maschine einbaut, zumindest aber die Kosten des Ein- und Ausbaus übernimmt. Er lehnt dies ab. Zu Recht?
Ein anderer Fall: Sie kaufen Bodenfliesen. Nachdem Sie rund zwei Drittel der Fliesen verlegt haben, fallen Ihnen Schattierungen auf der Oberfläche auf. Die Fliesen kosteten rund 1.400 Euro; ein kompletter Austausch würde nun fast 6.000 Euro kosten. Ist ein solcher Austausch noch verhältnismäßig?
Beide Fälle lagen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, der darüber am 16. Juni 2011 urteilte. Er entschied, so heißt es in einer Bundestagsdrucksache zusammenfassend, „dass der Verkäufer einer beweglichen Sache im Rahmen einer Nacherfüllung gegenüber dem Verbraucher verpflichtet sein kann, die bereits in eine andere Sache eingebaute mangelhafte Kaufsache auszubauen und die Ersatzsache einzubauen oder die Kosten für beides zu tragen“. Der Verkäufer schuldet also nicht nur die Lieferung einer neuen Sache oder neuen Materials, sondern er hat zusätzlich gegenüber dem Verbraucher die Ein- und Ausbaukosten zu übernehmen – auch wenn er selbst das Material von einem Händler bezogen hat und gar nicht wusste, dass es mangelhaft war.
Die verbraucherfreundliche Entscheidung des EuGH stieß auf Kritik. Sie sei von „verbraucherschutzrechtlicher Sozialromantik“ geprägt, hieß es in einem Aufsatz in der ansonsten sprachlichnüchternen „Neuen Juristischen Wochenschrift“. Doch bei aller Kritik galt es nun die Folgen der Entscheidung aufzuarbeiten, die Konsequenzen aufzuzeigen und die notwendigen Rückschlüsse daraus zu ziehen. Der Gesetzgeber folgerte daraus, dass durch die EuGH-Rechtsprechung der Verbraucher auch einen Anspruch auf Aus- und Einbau gegenüber dem Handwerker besitzt, der das mangelhafte Material gekauft und dann beim Verbraucher eingebaut habe. Der Handwerker, der also unwissentlich fehlerhaftes Material bei seinem Händler einkaufte und verarbeitete, schuldete deshalb nicht nur neues Material, sondern musste auch den Ausbau des fehlerhaften und den Einbau des neuen Materials übernehmen. Doch gegenüber seinem Händler hatte der Handwerker keinen Anspruch auf Übernahme der Ein- und Ausbaukosten. Denn die Entscheidung des EuGH betraf allein das Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbraucher, nicht aber die Beziehung zwischen zwei Unternehmen. Er blieb also auf den Aus- und Einbaukosten „sitzen“. Der Gesetzgeber wollte dieses Ergebnis reparieren und schlug deshalb vor, dass die Regelungen des EuGH zukünftig auch für Unternehmer untereinander gelten sollten, der Handwerker sich also die Aus- und Einbaukosten vom Händler zurückholen könne.
Dieser Änderungsvorschlag ist für Architekten deshalb von Interesse, weil er eingebettet ist in der großen Reform des Baurechts. Der Vorschlag stellt also eine von mehreren vorgesehenen Änderungen dar. Der Reformentwurf trägt den Namen „Gesetz zur Reform des Bauvertragsrechts und zur Änderung der kaufrechtlichen Mängelhaftung“ und beinhaltet auch die schon vielerorts zitierten konkreten Änderungen für die Architekten. Im Entwurf gibt es einige wesentliche Änderungen für den Berufsstand: Der „Architektenvertrag“ wird explizit ins BGB aufgenommen, eine Teilabnahme soll es gesetzlich geben, Änderungen zur Gesamtschuld und vieles mehr. Diese, für die Architekten wesentlichen Änderungen, sind aber nur ein Teil der großen Reform. Der aktuelle Gesetzesentwurf der Bundesregierung stammt vom Mai 2016. Seitdem wird über den Entwurf kräftig diskutiert. Die Reform soll als Ganzes verabschiedet werden. Wenn die ganze Reform jetzt wegen der Ein- und Ausbaukosten ruht, sind deshalb auch die geplanten Änderungen im Architektenrecht von der Blockade betroffen, obwohl sie nicht zur Diskussion stehen.
Ein- und Ausbaukosten umstritten
Insbesondere die vorgeschlagenen Regelungen zum Ein- und Ausbau sind umstritten und führten dazu, dass die komplette Reform stockt. Anfang des Jahres berichtete nun die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) darüber, dass dem Handwerk die Reformvorschläge zum Ein- und Ausbau nicht weit genug gingen. Unter anderem kritisiert das Handwerk, dass Materiallieferanten die neuen Regressmöglichkeiten, die der Entwurf dem Handwerker zubilligen will, über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gleich wieder einschränken kann. Deshalb sei mit den Regelungen im Entwurf nicht viel gewonnen, da im Zweifel der Händler eine deutlich mächtigere Position habe als ein kleiner Handwerksbetrieb. Letztlich müsse der Handwerker die Händler-AGBs akzeptieren, sodass die rechtlichen Verbesserungen in der Praxis gar nicht ankämen. Die SPD signalisierte, dem Handwerk hier entgegenzukommen, eine Art „AGB-Schutz“ zu implementieren, die Union lehnt laut FAZ eine AGB-Festigkeit ab. Begründet wird dies von der Union, dass von einer solchen AGB-Festigkeit nicht nur der kleine Handwerksbetrieb profitiere, „sondern auch große, nicht schutzbedürftige Konzerne“.
Handel gegen Handwerk
Nun meldete sich auch der Handelsverband Deutschland (HDE) zu Wort und kritisierte generell, dass die EuGH-Rechtsprechung auf den gewerblichen Bereich übertragen werden soll. „Wer mit dem Ein- und Ausbau professionell Geld verdient, ist nicht so schutzbedürftig wie gewöhnliche Verbraucher“, heißt es in einer Pressemitteilung des HDE. Hier würde „ein typisches unternehmerisches Risiko der Handwerker rücksichtslos auf andere Stufen der Lieferkette abgewälzt“. Dem widerspricht das Handwerk: „Nur ein klares gesetzliches Verbot der Beschneidung der Ansprüche von Handwerkern kann Betriebe davor schützen, langwierige und kostspielige Gerichtsverfahren in Kauf nehmen zu müssen“, wird der Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks zitiert. „Händler gegen Handwerker“, titelte folgerichtig die FAZ in einem weiteren Beitrag zur Problematik.
Diese und noch weitere Fragen beschäftigen die große Koalition und führen dazu, dass der ganze Entwurf derzeit stockt und noch nicht verabschiedet wurde. Der gordische Knoten sollte indes zeitnah durchtrennt werden, denn sonst droht die sogenannte Diskontinuität von Gesetzen: Diese besagt, dass Gesetzesvorhaben, die innerhalb einer laufenden Legislaturperiode nicht verabschiedet wurden, mit deren Beendigung vollständig verfallen. Gerade im Hinblick auf die unstrittigen Reformansätze, die dann ebenso mitverfallen würden, wäre dies kein schönes Ergebnis. Bis zur Bundestagswahl in diesem Jahr ist aber auch noch etwas Zeit.