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Filiz Gün und Aylin Güllüoglu haben ihr Studium im Januar 2015 an der Hochschule in Darmstadt erfolgreich absolviert. Während Filiz in Darmstadt blieb, zog es Aylin in die Ferne, genauer gesagt nach Istanbul. Heute geben sie uns einen Einblick in ihr Berufsleben und ihre Individuellen Erlebnisse und Erkenntnisse.
Aylin: Auf die gestalterischen Themen habe ich mich gut vorbereitet gefühlt, jedoch nicht auf die Praxis. Das lag aber eher an mir selbst, denn die entsprechenden Vorlesungen habe ich weniger besucht.
Filiz: Bei mir war es ähnlich. Es gibt Studenten, die das Brandschutz-Seminar belegen um den Schein zu bekommen, ich bin stattdessen in Vorlesungen zur Gestaltung gegangen.
Aylin: Nein, das bereue ich gar nicht, im Gegenteil. Das einzige, was ich bereue, ist, dass ich viel mehr Computerkurse hätte belegen sollen. Ich habe im Studium nur Vectorworks gelernt und danach ein Cinema 4D Kurs gemacht. Ich habe mich zu sehr auf Vectorworks verlassen, weil das Programm in Deutschland so verbreitet ist. Allerdings sieht die Welt jenseits der Bundesrepublik ganz anders aus. Kurse, die ich jetzt belegen will, sind generell sehr teuer. Außerdem fehlt mir die Zeit.
Filiz: Ich bereue es auch nicht, denn die technischen Vorlesungen zu belegen ohne Hintergrund, hätte mir nichts gebracht. Ich lerne sie jetzt parallel zur praktischen Umsetzung.
Filiz: Nein. In Hessen ist es ein bisschen komplizierter: Ich muss in allen Leistungsphasen arbeiten und dann noch die Fortbildungsstunden nachweisen. Außerdem ist es schwierig vom Arbeitgeber für die Fortbildungen freigestellt zu werden, bezahlt oder unbezahlt. Es sind zu viele Faktoren, die alle innerhalb eines Büros abzudecken sind.
Filiz: Zwei Jahre Praxis und 80 Fortbildungsstunden. In den zwei Jahren sollte man in allen Leistungsphasen gearbeitet haben, was aber innerhalb dieser Zeitspanne meist nicht machbar ist.
Aylin: In der Türkei ist das System anders. Hier darfst du in die Kammer und dich Architekt nennen, sobald du dein Studium erfolgreich abgeschlossen hast. Das heißt: im Prinzip dürfte ich mich eintragen lassen. Aber dafür muss mein Abschlusszeugnis erst anerkannt werden und das ist ein längerer Prozess.Wenn die Türkei außer dem Abschluss keine weiteren Voraussetzungen für die Eintragung fordert, hört sich das verlockend an. Aber die Qualität leidet doch darunter, oder?
Aylin: Absolut. Sobald du in der Kammer eingetragen bist, darfst du an Wettbewerben teilnehmen und bist bauvorlageberechtigt. Es gibt viele gute Architekten, aber auch so viele schlechte. Mit dem Ergebnis, dass auch schlechte Architektur gebaut wird.Deshalb muss man bei uns erst einmal Berufserfahrungen sammeln, bevor man sich eintragen lassen kann. Es dient der Qualitätssicherung.
Filiz: In Deutschland zu studieren hat seine Vorteile. Jedoch finde ich die ganzen Regelungen und Anforderungen der deutschen Baubehörden in der Praxis sehr einengend.
Aylin: Ich gebe Filiz recht. Was ich hier in der Türkei so liebe, ist, dass alles unkomplizierter geregelt wird. In der Arbeit habe ich immer noch meine Schwierigkeiten, dort sagen sie immer wieder: „Ah, die Deutsche“. Auch wenn ich mich anzupassen versuche, merkt man den Unterschied.
Aylin: Zum Beispiel Muster, etwas ganz Banales. In Deutschland bestellt man die Muster und wartet, bis sie kommen. Hier geht man direkt zum Hersteller und holt sich die Muster. Sagen wir so: Es herrscht eine schnellere Kommunikation. Aber bei allem, was den Bau betrifft, wie Werk- und Detailplanung, kommt nichts über die deutsche Architektur. In der Türkei wird öfters gepfuscht (lacht).
Filiz: Langfristig habe ich schon das Ziel mich selbstständig zu machen. Direkt nach meinem Studium glaubte ich, dass es schneller gehen würde. Doch hat es definitiv einen Sinn, sich erstmal nicht selbständig zu machen um Berufserfahrung zu sammeln. Mit der Selbständigkeit ist sehr viel Verantwortung verbunden. Investitionen sind notwendig, außerdem ist es natürlich auch riskant. Aber wenn man sich selbstständig machen will, darf man einen gewissen Zeitpunkt nicht überschreiten. Ich kann mir vorstellen, dass man ab einem bestimmten Alter nicht mehr auf die Bequemlichkeit und das Abgeben der Verantwortung verzichten will.
Aylin: Ja, ich komme zwar auch erst spät abends raus, jedoch gehe ich dann heim und kann abschließen. Was persönlich momentan blockiert, ist, dass ich seit gerade mal einem Jahr hier bin und der ganze Prozess des Ankommens, Einlebens etc. sowieso seine Zeit braucht. Und für mich selbst brauche ich auch Zeit. Eigentlich wollte ich es nicht erwähnen, aber leider spielt die politische Situation auch eine Rolle. Deshalb möchte ich persönlich gerade nicht in Richtung Selbstständigkeit planen, weil ich nicht weiß, wie lange ich noch in diesem Land leben werde. Leider.
Filiz: (lacht) Ich glaube, ich habe Glück, in einem Büro zu arbeiten, in dem ich sehr an die Hand genommen werde. Dieses Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, hat man automatisch, da man nichts vorweisen kann. Und man muss Ambitionen und Geduld haben. Vor allem ist es nicht falsch, nach dem Studium erstmal in Deutschland zu bleiben. Gleichzeitig ist es aber genauso wenig falsch, so wie Aylin direkt ins Ausland zu gehen und damit den Blick von außen zu bekommen.
Aylin: Ich glaube, es ist eine Persönlichkeitsfrage. Ich finde, jeder sollte mal ins Ausland. Nach dem Studium ist man gerade in dem Alter, in dem man es machen kann. Wenn ich zurückblicke, würde ich es wieder genauso machen. Für mich war es der richtige Zeitpunkt. Denn es muss sich nicht immer alles um die Architektur drehen. Vielmehr geht es mir auch um die Persönlichkeitsentwicklung und Selbstständigkeit. Egal wo man ist: Türkei, USA oder sonst wo. Im Ausland ist man auf sich allein gestellt und muss sich durch vieles durchkämpfen, unabhängig vom Berufsleben. Das ist schon eine sehr wertvolle Erfahrung.
Das IFBau bietet für AiP/SiP ein umfangreiches Seminarprogramm, das nach Inhalt und Art der Themenvermittlung besonders für die Belange von Berufsanfängern geeignet ist.