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Auf welche Weise sich Baukultur vermitteln lässt, war Thema der AKBW-Veranstaltung am 24. Oktober 2012 im Haus der Architekten in Stuttgart
„Wir möchten das Thema Architektur fächerübergreifend für alle bayrischen Schularten nutzbar machen“, formulierte Barbara Shatry das Ziel der Landesarbeitsgemeinschaft „Architektur und Schule“. Die Grund- und Hauptschullehrerin ist im Vorstand des Zusammenschlusses von Lehrern und Architekten, der vor zwölf Jahren seinen Anfang nahm – die Initiative ging seinerzeit vom bayrischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus aus. Wie auch in Baden-Württemberg ist bei unserem Nachbarn das Thema Architektur vielfach im Bildungsplan verankert. Um die Lehrer mit dem nötigen Rüstzeug auszustatten, fanden damals zunächst zwei große Fortbildungen zu den Themenbereichen Partizipation sowie Architekturvermittlung im fächerübergreifenden Unterricht statt.
Offiziell anerkannt ist die Landesarbeitsgemeinschaft seit 2010, seit 2011 verfügt sie über einen eigenen Haushalt. Im gleichen Jahr wurde sie auch vom Architekten-Weltverband UIA mit einem Preis gekürt. Die LAG entwickelt Unterrichtsmodule und evaluiert sie. In Fächern wie Geographie, Mathematik und Deutsch, aber auch in der Bildenden Kunst, lernen die Schüler ihre Wahrnehmung im Bereich Architektur zu schärfen, ein kritisches Bewusstsein zu entwickeln und Instrumente der Raumplanung einzusetzen. Dass außerschulische Experten für die Vermittlung hinzugezogen würden, sei gängig, so Shatry. Für diesen Zweck stünde ein Budget von 6000 Euro bereit. In Zusammenarbeit mit der Bayrischen Architektenkammer – neben dem Staatsministerium ihr wichtigster Kooperationspartner – findet jährlich eine mehrtägige Fortbildung statt. Zum gemeinsamen Programm gehörten auch Ausstellungen.
Vieles habe man schon erreicht, so Shatry am 24. Oktober 2012 im Haus der Architekten in Stuttgart. Gleichwohl warte noch jede Menge Arbeit: Neben der weiteren Durchführung von konkreten Projekten und der Entwicklung von Konzepten geht es in ihren Augen künftig auch ganz besonders um einen intensiveren Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren im Bereich der Architekturvermittlung. Als primäres Ziel benannte sie, „dass noch mehr Architekten bei uns Mitglieder werden, damit wir das Thema miteinander optimieren und kommunizieren können.“ Darüber hinaus verwies sie auf einen internationalen Fachkongress, der für das kommende Jahr im Deutschen Architekturmuseum geplant sei.
Vortragspräsentation von Barbara Shatry
Ebenfalls im Bereich Architekturvermittlung aktiv, jedoch lokal sehr spezialisiert ist der Arbeitskreis Architektur macht Schule – Karlsruhe AMSKA. In der Fächerstadt haben sich im Jahr 2010 fünf Pädagogen und neun Architekten zusammengefunden, „um Kinder und Jugendliche für Architektur zu interessieren und zu begeistern“, so Jeannette Merker vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Fachgebiet Architekturkommunikation. Die ehrenamtlich arbeitende Gruppe möchte Schulen und außerschulische Einrichtungen dazu motivieren, sich mit diesen Themen langfristig auseinanderzusetzen. Dazu bedienen sie sich verschiedener Instrumente, exemplarisch stellt Merker den Schülerfotowettbewerb Pic Your City vor.
„Du bist zwischen 6 und 18 Jahre alt, wohnst in Karlsruhe oder Umgebung, hast eine Digitalkamera, Papas Fotoapparat oder ein Handy mit Kamera und weißt, wo und wie man auf den Auslöser drückt? [...] Gesucht wird ein Foto – dein ganz persönlicher Eindruck von der Stadt: Verschachteltes, Verbautes, Verschnörkeltes oder Verziertes, Kahles oder Wildwuchs, Belebtes oder Einsames [...] typisch Karlsruhe eben!“
Ähnlich anschaulich wie der Auslobungstext war auch Merkers Vortrag. Da wurden nicht glatte Ergebnisse serviert, die scheinbar aus dem Nichts hervorgegangen sind, sondern ganz klar Arbeitssituationen und Vorgehensweisen geschildert, die jedem Zuhörer das engagierte Ringen deutlich vor Augen treten ließ. So hatte AMSKA zunächst ein offizielles Anschreiben an Schulen verschickt, das jedoch keinerlei Resonanz erbrachte: „Ich weiß nicht, was da schief lief“, bekannte Merker offen. Dann wurde nachgehakt: Anfragen über das Regierungspräsidium und der direkte Kontakt mit Kunsterziehern erbrachten schließlich den gewünschten Erfolg, so dass der Schülerfotowettbewerb an mehreren Schulen in die Projektwochen aufgenommen wurde.
Vor dem Hintergrund, dass sie in diesem Arbeitsbereich zunächst alle als Laien agierten, habe man sich die einzelnen Schritte weniger in einer stringenten Abfolge vorzustellen, sondern immer wieder als „ein Vor und Zurück“. Auch der bürokratische und verwaltungstechnische Aufwand entpuppte sich als ungeahnt groß: Eine Internetseite musste geschaffen werden, „ein Lehrer wurde plötzlich zum Webmaster“; die Katalogisierung der Einreichungen stellte eine ziemliche Herausforderung dar; Spendenbescheinigungen konnten aus rechtlichen Gründen gar keine ausgestellt werden – weshalb man sich übrigens auch überlege, einen Verein zu gründen, erklärte Merker.
Viel Arbeit, aber – und das wurde ganz deutlich – eine Arbeit, die sich gelohnt hat und die zufriedene Akteure hinterließ. 47 Einreichungen gab es 2011, die Ausstellung im Architekturschaufenster erfreute sich eines großen Zulaufs und die Gesamtidee sei sehr gut aufgegangen. Bei der diesjährigen Neuauflage des Wettbewerbs hat sich die Zahl der Beiträge mit 97 mehr als verdoppelt. Abgenommen hat allerdings die Menge der AMSKA-Mitglieder, doch Merker beurteilte das nicht negativ: „Wir sind zu einem harten Kern geschmolzen, die Arbeiten haben das Team gefestigt.“ Auch stießen immer wieder neue Interessenten zumindest probeweise hinzu. Für 2013 liegen Anfragen vom Kulturamt Karlsruhe vor, so dass die vitale Gruppe bereits in neuen Planungen steckt.
Vortragspräsentation von Jeannette Merker
Auch Tobias Elliger vom Hochbauamt Rottenburg am Neckar präsentierte ein konkretes Projekt: Aus einem Führungskräfteseminar heraus entwickelte sich die Idee eines größer angelegten Pilotprojekts zum Thema Architektur und Schule. Betreut von einem vierköpfigen Team wurde zunächst eine Schule in Rottenburg gesucht, bei der ein Sanierungsbedarf bestand, dann ein Lehrer, der bereit war sich auf das unbekannte Terrain zu begeben, und schließlich ein Architekt, der das Ganze als außerschulischer Experte begleitete. Witzig illustriert präsentierte Elliger die schrittweise Annäherung an das Projekt und wie es unter dem Titel Architektur Stadt Schule sehr erfolgreich durchgeführt werden konnte: An die verschiedensten Fächer angedockt – im Mathematik- oder Geschichts-, im Physik- oder Kunstunterricht – lernten die Fünftklässler das Thema Architektur ein Schuljahr lang aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennen. Auch Exkursionen gehörten zum Programm.
Zu dem Pilotprojekt liegt eine umfangreiche Dokumentation vor, zu bestellen unter: tobias.elliger spamgeschützt @ spamgeschützt rottenburg.de. Ebenfalls erhältlich über diese Adresse ist ein anschaulicher Leitfaden, in dem interessierte Städte und Schulen das Procedere im Einzelnen aufgeführt finden. Zu den erhofften Folgeprojekten kam es bislang allerdings noch nicht, mögliche Ursachen dafür stellte Ellinger zur Diskussion.
Immer wieder stellt sich für interessierte Architektinnen und Architekten die Frage, in welchem Rahmen sie Projekte an Schulen anbieten können: Viele haben sich bereits auf der Kooperationspartner-Liste eingetragen und sind damit auffindbar für Lehrer, aber auch für Kollegen, die den Austausch mit Gleichgesinnten suchen. So kam schon manch fruchtbare Zusammenarbeit zustande. Doch gibt es auch immer wieder den Fall, dass keine Anfrage von außen kommt, der Architekturvermittler in spe also selbst die Initiative ergreifen muss. Hier bietet das Jugendbegleiter-Programm gute Rahmenbedingungen. Schon 2006 gehörte die Architektenkammer Baden-Württemberg zu den Unterzeichnern der Rahmenvereinbarung mit insgesamt 80 Verbänden und Vereinen, zwischenzeitlich ist die Initiative den Kinderschuhen entwachsen. Rund 1.600 Schulen im ganzen Land beteiligen sich an dem Programm, zu finden sind sie unter www.jugendbegleiter.de > Jugendbegleiter-Schulen.
Anke Sudhoff von der Jugendstiftung Baden-Württemberg, Servicestelle Jugend und Schule, stellte Eckpunkte des Programms vor. Ihre Institution ist für die operativ-praktische Umsetzung zuständig, während die politische und inhaltliche Verantwortung beim Ministerium für Kultus, Jugend und Sport liegt. Das Jugendbegleiter-Programm unterstütze Schulen bei der Entwicklung eines auf die lokalen Bedürfnisse abgestimmten Bildungskonzepts und ermögliche es ihnen durch ein Schuljahresbudget Aufwandsentschädigungen, Sachkosten sowie Fortbildungs- und Koordinierungskosten abzurechnen.
Wer als Jugendbegleiter tätig werden möchte, muss sich verpflichten, ein Schulhalbjahr lang mindestens eine Stunde pro Woche ein Betreuungsangebot durchzuführen. Möglich ist auch die Bildung eines Teams. Das bedeutet: Mitglieder der Architektenkammer Baden-Württemberg können allein oder im Verbund mit Kollegen in einem rechtlich gesicherten Rahmen Projekte zur Architekturvermittlung durchführen. Für diese Tätigkeit gibt es eine kleine Aufwandsentschädigung, die im Einzelfall möglicherweise noch durch Mittel der betreffenden Kommune aufgestockt wird. Hinzu kommen Angebote für eine kostenlose Fortbildung.
Vortragspräsentation von Anke Sudhoff
Wenn auch zunächst eine Bauaufgabe neben zahlreichen anderen, kommt dem Thema Schulbau im Bereich der Architekturvermittlung gleichwohl eine vorrangige Rolle zu. Ist es doch der Ort, an dem die Kinder und Jugendlichen einen Großteil ihrer Zeit verbringen und der wie kein anderer naheliegt, wenn es um das gemeinsame Erforschen und Erleben architektonischer Zusammenhänge geht. Doppelt wichtig scheint deshalb, die vielbeschworenen Beteiligungsprozesse in Schulbaumaßnahmen zu integrieren: Nicht nur kann allein durch sie gewährleistet werden, dass das Gebäude am Ende auch wirklich den konkreten komplexen Nutzungsansprüchen genügt, sondern auch stellen solche Verfahren eine hervorragende Gelegenheit für Schülerinnen und Schüler dar, ihre Raum-Wünsche zu formulieren und architekturrelevante Faktoren kennenzulernen.
Als Experte auf dem Gebiet der integrierten Planung referierte Jochem Schneider. Seit vielen Jahren berät er kommunale Schulträger in Fragen der Entwicklung von Bildungsstandorten. „An der Schnittstelle von Raum und Pädagogik hat sich viel geändert,“ so der freie Planer mit Büro in Stuttgart und Köln. Er ist Mitautor des von zwei Montag Stiftungen herausgegebenen Buches „Schulen planen und bauen“.
Aus diesem stellte er Inhalte zum Thema Beteiligungsprozesse vor. An erster Stelle stünde die Bildung einer Plattform, um die Interessenslagen zu klären: 1. Die pädagogische Bestandsaufnahme, bei der es auch darum gehe, die Nutzer zu befähigen Bauherr zu sein. Denn obschon eine pädagogische Konzeption meist bereits existiere, gelte es sie gleichwohl in Bezug auf die baulichen Erfordernisse zu präzisieren. 2. Die kommunale Bestandsaufnahme: nachdem rein quantitative Erhebungen – die bisherige Schulentwicklung erfolgte auf Basis von Zahlen – so nicht mehr zukunftsfähig seien, müssten die Standorte jeweils individuell bewertet werden. 3. Bestandsaufnahme eines Gebäudes: Hier ginge es um Flächenbilanz, Belegungspläne, eventuelle Defizite, Überhänge etc. In dem erwähnten Handbuch finden sich Vorschläge für Handlungsmodule, wie beispielsweise Workshops zu organisieren und in den Gesamtablauf einzubinden sind. Interessierte können sich bei Bedarf auch gerne direkt mit dem Büro Schneidermeyer in Verbindung setzen: mail spamgeschützt @ spamgeschützt bueroschneidermeyer.de
Das sehr breit angelegte Themenspektrum der Vorträge scheint die Interessenslage des Publikums gut getroffen zu haben. So gaben zahlreiche Teilnehmer äußerst positive Rückmeldungen an die Veranstalter. Und auch die anschließende Runde zum Erfahrungsaustausch war ein Spiegelbild der Diversität der Ansatzpunkte, die jedoch alle ein gemeinsames Ziel vor Augen haben: Architektur und Baukultur als Bildungsaufgabe ernst zu nehmen.
Veranstaltungsprogramm 24. Oktober 2012