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Schulen planen und bauen. Grundlagen und Prozesse
Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Montag Stiftung Urbane Räume (Hrsg.), jovis Verlag Berlin, 2012, Hardcover 19 x 25 cm, 352 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen, ISBN 978-3-86859-124-8 oder Friedrich Verlag Seelze mit ISBN 978-3-7800-4954-4, 34,80 Euro
Da wird man fast ein bisschen neidisch: Schulen mit offenen Raumfolgen, mit Sitzecken zum gemütlichen Austausch oder Nischen zur konzentrierten Einzelarbeit. Von so etwas konnte manch einer von uns Erwachsenen nur träumen. Denn an die eigene Schulzeit erinnern sich viele mit einem Gefühl der Beklemmung: Vorne der Lehrer, in strengen Reihen hintereinander die Schüler. Der nicht enden wollende Vormittag, bei dem man schließlich verzweifelt für jede Minute einen Strich markierte, nach dem 45. dann die erlösende Glocke: Man durfte aufstehen, miteinander sprechen, den Raum verlassen.
Wie hingegen zukunftsfähiger Schulbau bzw. Schulumbau aussehen kann, schildert die Publikation der beiden Montag Stiftungen ‚Jugend und Gesellschaft‘ und ‚Urbane Räume‘. Jenseits bisher üblicher Raumprogramme und abstrakter Quadratmeterzahlen liegt der Fokus auf den konkreten Nutzungsanforderungen. Diese unterscheiden sich im gleichen Maß voneinander wie jede Schule ihr eigenes pädagogisches Profil auf dem Bildungsmarkt präsentiert. Ein passgenaues Organisationsmodell kann deshalb nur dann entstehen, wenn die drei beteiligten Handlungsfelder Pädagogik, Architektur und kommunale Verwaltung in intensiven Austausch treten – und zwar zum richtigen Zeitpunkt, das heißt in der Phase Null.
Spannend zu lesend: das interdisziplinär besetzte Autorenteam beleuchtet in 10 Thesen zunächst gleichermaßen bildungspolitische und entwicklungspsychologische Fragen wie gesellschaftliche und ökonomische Gegebenheiten. Während die Schule historisch gesehen auf der Annahme basierte „es sei nützlich und möglich, Schüler/-innen mit dem gesamten Kosmos des vorhandenen Wissens vertraut zu machen [...], ist das Zeitalter enzyklopädischer Gelehrsamkeit heute jedoch endgültig vorbei: Die Halbwertzeit wissenschaftlicher Erkenntnisse liegt gegenwärtig bei geschätzten 10 Jahren.“ Ähnlich einschneidend geänderte Voraussetzungen für den heutigen Schulbau stellen Themen wie Ganztagsschule, Neue Medien oder Inklusion dar. Welche Räume den teils völlig neuen Lernszenarien entsprechen, gilt es mit den passenden Beteiligungsprozessen zu erarbeiten.
Um Basiswissen rund um den Prozess der integrierten Schulbauplanung zu liefern, werden die Stationen und Akteure der Phase Null beschrieben. Es folgen Handlungsmodule, darunter beispielsweise der Aufbau einer kommunalen Lenkungsgruppe. Beschrieben wird wozu sie dient, wer dazugehört, wann sie zu arbeiten beginnt und wie lange sie bestehen bleibt. Diese Handlungsmodule seien als Angebot zu verstehen, nicht bei jeder Planung müssten alle zum Einsatz kommen. Gleichzeitig geben die Autoren zu bedenken: „Fehler in der Phase Null sind die mit Abstand teuersten und können in späteren Planungsphasen kaum kompensiert werden.“
Witzig illustriert zeigt das Buch die Stellen auf, wo die Welten wohl oftmals aufeinanderprallen. So werden unter dem Titel „Selbst- und Fremdbilder“ Vorurteile und Potenziale der verschiedenen Gruppen einander gegenübergestellt: „Die Schüler/innen haben keinen Bock“, „Die Lehrer/innen sind faul und arbeiten nur halbtags“, „Die Planer/innen fühlen sich als Künstler, wollen sich selbst verwirklichen“. Diesen Klischees, die als humorvolle, aber ernst gemeinte Grundlage für einen geeigneten Diskussionsrahmen gedacht sind, stehen in dem Buch Positivaussagen gegenüber wie: „Die Schüler/innen machen gerne mit, wenn man sie lässt“, „Die Lehrer/innen bringen einen riesigen Wissens- und Erfahrungsschatz mit“, „Die Planer/innen übersetzen Anforderungen der Nutzer/innen in räumliche Arrangements“. Kritik am Rande: politisch mag es korrekt sein, an alle Funktionsbezeichnungen noch die weibliche Form mit „/innen“ anzuhängen, dem Leser und auch der Leserin tut man damit keinen Gefallen.
Aufschlussreich kommentierte Fotos stellen gelungene Beispiele von Lern- und Unterrichtsräumen, Arbeits- und Aufenthaltsräume für Personal sowie von Gemeinschaftsbereichen vor. Außerdem finden sich in Wort und Bild Schulbauten dokumentiert, die „exemplarische Umsetzungen zwischen Städtebau, Architektur und Pädagogik“ vor Augen führen, davon zahlreiche aus dem europäischen Ausland. Durch die interdisziplinäre Herangehensweise bietet das Handbuch profundes Know-how und überzeugende Vorschläge für Leser verschiedensten Herkommens. Und nebenbei kriegt man beinahe Lust, noch einmal in die Schule zu gehen.
Überblick über die Initiative der Architektenkammer Baden-Württemberg