Veranstaltungsort für Tagungen, Seminare, Produktpräsentationen oder Pressekonferenzen.
Informationen für private und gewerbliche Bauherrinnen und Bauherren, Städte und Kommunen.
Das Flugfeld Böblingen/Sindelfingen war als Brache die letzte große Flächenreserve zwischen Sindelfingen und Böblingen. Seit 2008 entsteht hier ein hochwertiges Stadtquartier mit einer Mischnutzung aus Gewerbe, Dienstleistung und Wohnen. Die zentrale Achse des Quartiers, geplant von Kienle Plan (Stuttgart) wurde als Grünzug freigelassen und mit dem „Langen See“ als Rückgrat des neuen Stadtquartiers entwickelt.
Kann eine Freifläche Ausgangspunkt einer städtebaulichen Entwicklung sein und dabei die Ansprüche der zukünftigen Nutzer erfüllen? Dies ist eine der Fragen, die am 20. März im 6. Landschaftsarchitektur-Quartett vor gut 180 Zuhörern im Treffpunkt Rotebühlplatz diskutiert wurden.
Nach den Grußworten von Christof Luz (Vorstandsmitglied der Architekten-kammer Baden-Württemberg) an die große Schar der an der Landschafts-architektur Interessierten stellte Michael Glück (Mitglied des Arbeitskreises Landschaftsarchitektur) das erste der zwei Projekte vor: den Grünzug Centro Verde in Mannheim, die zukünftige grüne Mitte eines Stadtviertels im Wandel.
Die diesjährige Runde auf dem Podium, die sich aus den renommierten Landschaftsarchitekten Marianne Mommsen (relais Landschaftsarchitekten, Berlin/ Stuttgart) bzw. Rainer Schmidt (Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, Berlin/ München/Bernburg) sowie Dr. Franz-Georg Rips, dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes, zusammensetzte, diskutierte Fragestellungen des Moderators Dr. Wolfgang Bachmann (Journalist, ehemaliger Chefredakteur des Baumeisters) zum Spektrum und zu den Schnittstellen von Landschafts-architekten und Architekten. Schnell zeigte sich anhand des Grünzuges Centro Verde, wie bedeutend eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien ist, um einer Grünfläche im Zusammenspiel mit der umgebenden Bebauung das Potential zur Identitätsentwicklung eines Quartiers zu geben.
Der Diskussionsverlauf zeigte, wie komplex die Entwicklung dieser Grünanlage ist: Im Ablauf der Quartierserschließung wurde die Bebauung nicht abschließend definiert bzw. geändert und im Vorfeld fehlte die Formulierung konkreter Anforderungen sowie zukünftiger Nutzer. Eine Bewertung der Fläche fällt schwer, da die südliche Bebauung als Platzkante fehle, so Marianne Mommsen. In Frage wurde ebenfalls gestellt, wie erfolgreich ein Entwurf sein kann, wenn zwischen Entwurfserstellung und Realisierung eine lange Zeitspanne liegt und die Möglichkeit einer Anpassung fehlt. Sollte es dann nicht möglich oder besser notwendig sein, auch ein prämiertes Wettbewerbs-konzept nochmals zu überdenken? Daher wurde der Aspekt des Nutzens aufgegriffen: „Was darf ich hier auf dieser Fläche eigentlich?“ fragte Dr. Wolfgang Bachmann. Es folgte die Auseinandersetzung mit den derzeitigen Nutzergruppen: Familien, Studenten und ältere Menschen einer Wohnanlagemit betreutem Wohnen. Bietet der Freiraum für alle genügend Anziehungskraft, um Akzeptanz zu erzeugen und somit die Fläche zu beleben? Dr. Franz-Georg Rips würde das Centro Verde gern in zehn Jahren anschauen, um die Entwicklung bewerten zu können. Es zeigte sich: Auch wenn der Grünzug baulich fertiggestellt wurde, gibt es etliche Faktoren, die sich ausgewirkt haben und weiterhin auswirken werden, wie z.B. die fehlende räumliche Kante, die erst durch nachträgliche Bebauung entstehen wird und somit ein Ablesen eines Ergebnisses derzeit nicht möglich macht.
Nachdem Michael Glück das zweite Projekt – das Flugfeld Böblingen / Sindelfingen – vorgestellt hatte, wurden ähnliche Punkte diskutiert wie beim Centro Verde. Was kann das Flugfeld, mit 80 Hektar um ein vielfaches größer als das Centro Verde, an Attraktivität und Individualität bieten, um Ausgangs- und gleichzeitig Mittelpunkt des momentan entstehenden Wohnquartiers zu sein? Auch in diesem Fall wurde kritisch hinterfragt, ob die potentiellen Nutzer die grüne Mitte annehmen und eine Identifizierung stattfindet. Aufgrund des Namens des Gebietes und des geschichtlichen Aspekts hatte man gestalterisch eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema „Flugfeld“ erwartet. Der neu entstandene See stellt einen spannenden Aspekt dar, doch wird er zu wenig erlebbar empfunden, da die Wasserfläche kaum zugänglich ist: Er erfüllt die Funktion eines Ingenieurbauwerkes zur Niederschlags-speicherung – die Grenze der planerischen Bearbeitungsgebiete zwischen Landschaftsarchitektur und Ingenieurbau lag direkt an der Seekante. Auch anhand dieses Beispielprojektes wurde deutlich, wie relevant und wichtig ein vernetzter Planungsprozess und eine noch engere Zusammenarbeit von Landschaftsarchitekten, Architekten, Ingenieuren und Bauherren sind. Da hier ein größerer Teil Mietwohnungsbau entstanden ist bzw. noch entsteht, wurde die Relevanz der Verknüpfung von den Wohnbereichen mit der grünen Mitte deutlich. Die Anwohner sollen die Freifläche als fast natürlichen, unabdingbaren Bestandteil des Wohnumfeldes empfinden. Ob das gelingt, bleibt ebenfalls offen, denn die baulichen Maßnahmen werden in den nächsten Jahren noch nicht abgeschlossen sein.
Aufgrund der Komplexität, die in der Auseinandersetzung mit den zwei Projekten bewusst wurde, konnte in vielen Punkten in der Diskussion kein Konsens gefunden werden. Rainer Schmidt stellte eine interessante Grundsatzfrage in den Raum: „Welche Qualität von Grün wollen wir uns überhaupt leisten?“ und gibt gleich selbst die Antwort: „Grün ist Kulturgut“. Es seien Parks, die die Identität von Städten bilden, und diese Funktion sollten die beiden Beispielprojekte schließlich erfüllen. Es bleibt weiter zu beobachten, wie sich die Beispielquartiere jeweils entwickeln – im derzeitigen Stadium wäre es verfrüht, ein Ergebnis zu formulieren. Freiflächen und Grünanlagen können nur in einer größeren zeitlichen Spanne „wachsen“, darüber besteht Einigkeit. Spannend dabei ist der Ansatz, ob im Vorfeld die Anpassung einer Grünanlage an den Veränderungsprozess des umliegenden Umfeldes berücksichtigt und eingeplant – also sprichwörtlich in Zeiträumen gedacht werden sollte.
Zwei Parkanlagen, die als Ausgangspunkt für eine städtebauliche Entwicklung angelegt wurden - der Grünzug Centro Verde in Mannheim-Ost und das Flugfeld Böblingen/Sindelfingen – hier finden Sie die Projektbeschreibung.
Landschaftsarchitektur lohnt sich