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Wie viele Ideen passen auf 10.000 Quadratmeter? Was lässt sich aus einem Gebäude machen, das streng genommen gar kein Haus ist, sondern ein Dach in einer Parklandschaft? Bei einem Nutzungsworkshop entwickeln Städteplaner, Architekten, Kreative und Künstler auf Initiative der Architektenkammer Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim Ideen für die Zukunft der Multihalle. Und schicken einen Appell an die Landesregierung.
Seine Dächer waren nie bloße Deckel. Und diese Halle ist eigentlich auch gar kein Haus, sondern die größte freitragende Holzgitterschalenkonstruktion der Welt, die Frei Otto 1975 regelrecht auf den Kopf stellte – und Sehgewohnheiten damit veränderte. Bis zu 20 Meter hoch ragt die wabernde Plastikhaut der Mannheimer Multihalle in den Herzogenriedpark. Genauso hoch ist das Gerüst, das die Stadt vor fast zehn Jahren darin installieren ließ – um ein weiteres Absinken zu verhindern.
Wenige Meter von ihm entfernt haben 50 Städteplaner, Architekten, Kreative und Künstler bei einem Nutzungsworkshop der Architektenkammer Baden-Württemberg und der Stadt Mannheim nun ein starkes Statement formuliert: In einem "Letter of Intent" appellieren sie an die Landesregierung und Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Mannheimer Multihalle zu erhalten. "Ein solches Schreiben war eigentlich gar nicht geplant", sagt Carmen Mundorff, die als Geschäftsführerin der Architektenkammer Baden-Württemberg die zweitägige Expertenrunde mit der Stadt organisierte und mit der Kommunikationsexpertin Sally Below (sbca, Berlin) moderierte. Doch dann sei die Begeisterung für diesen Ort und das Engagement, neue Ideen für ihn zu entwickeln, einfach so groß gewesen.
Innovation, Nachhaltigkeit, Demokratie und Integration – für diese Werte stünde die Landesregierung genauso wie Frei Ottos Architektur, sagt Mundorff. Und dennoch ist die stark sanierungsbedürftige Multihalle, die zur Bundesgartenschau 1975 eigentlich nur für einige wenige Jahre in den Herzogenriedpark gebaut wurde, seit Februar 2011 gesperrt. Im vergangenen Sommer hatte der Mannheimer Gemeinderat für ihren Abriss gestimmt, sollten sich keine ausreichenden Sponsorengelder für ihren Erhalt auftreiben lassen. Daraufhin startete die Architektenkammer Baden-Württemberg eine beispiellose Aktion in ihrer Geschichte: Sie stiftete 10.000 Euro als Startkapital, gründete den Verein "Multihalle Mannheim" mit und initiierte nun ein zweitägiges Treffen, um Ideen für die weitere Nutzung zu entwickeln – nicht zuletzt, weil sich erst dann sinnvoll und effektiv weitere Spender finden lassen.
Dafür hatten sich Experten aus dem In- und Ausland zu vier Gremien zusammengefunden – und spontan ein fünftes zum Bereich "Raumklima und Konstruktion" einberufen. Neben Diskussionsrunden zu den Themen "Spiel und Sport", "Experimentarium", "Innovation-Loop" und "Multi-Frei" berieten Akustik-, Klima- und Holzbau-Experten, Bauphysiker und Statiker über die Grenzen und Möglichkeiten neuer Nutzungskonzepte. "Im Sommer ist die Multihalle zu heiß, im Winter zu kalt", erklärte etwa Professor Volkmar Bleicher von Transsolar Energietechnik in Stuttgart eines von vielen Problemen der Multihalle. Wären womöglich Pneus, verschieden große Traglufthallen, in denen man ein eigenes Klima schaffen könnte, die Lösung?
"Aus unserer Sicht sollte die Multihalle in das Konzept der nächsten Bundesgartenschau 2023 einbezogen werden", erläuterte Jens Ludloff, Professor am Institut für Nachhaltigkeit, Baukonstruktion und Entwerfen an der Universität Stuttgart, die Ideen seines Gremiums "Multi-Frei". Bis dato sei es wichtig, die Halle so schnell wie möglich wieder nutzbar zu machen – für Workshops, Kinderevents, Hochzeiten, Wettbewerbe oder "spektakuläre Veranstaltungen mit Signalwirkung" wie den Start der Tour de France. Als "Frei-Raum" für Sport- und Spiel, für Beachvolleyball, Trampoline oder eine Skaterbahn würde unter anderem der Architekt Ludwig Schwöbel sie gern nutzen, der ab 1978 in Carlfried Mutschlers Büro mitgearbeitet, es später übernommen hatte. Mutschler hatte die Multihalle gebaut - gemeinsam mit Frei Otto und Joachim Langner. "Wir würden dafür alle Raumabtrennungen herausnehmen, um den Park sichtbarer zu machen", erklärte Architektin Karin Storch. Selbst das Baugerüst bekäme dann eine neue, eine weitere Aufgabe – als Klettergerüst.
Als "Experimentarium" würden einige Experten die Multihalle gern sehen, als "Internationaler Ort der Begegnung". Verschiedene Hochschulen könnten sie fortan als eine "permanente Summer School" betreiben, so Jan-Philip Possmann, Leiter des Mannheimer Künstlerhauses Zeitraumexit. Als "Labor für Fragen der Zukunft" bliebe sie zudem in öffentlicher Hand. Das wäre im Prinzip auch den Experten wichtig, die sich mit einem Investoren-Modell beschäftigten und schließlich eine Art Wissenschaftsraum entwickelten: Die Multihalle wäre nach ihren Plänen Teil eines neuen Campus-Geländes, auf dem sich – auf einer Achse vom Neuen Messplatz über die Max-Joseph-Straße bis zum Schloss – interdisziplinäre Institute ansiedeln sollten.
"Die Multihalle ist ein architektonisches Juwel und wir wollen und werden uns da nicht aus der Verantwortung ziehen", kündigte Mannheims Baubürgermeister Lothar Quast beim Workshop an. Er will nun in verschiedenen Gremien die Ideen, aber auch die genauen Kosten prüfen. Im Mai steht das Thema Multihalle dann auch wieder auf der Agenda des Gemeinderates, der eine endgültige Entscheidung über einen potenziellen Abriss allerdings inzwischen auf Ende 2018 verschoben hat. Mehr denken und mehr forschen, hatte Frei Otto gefordert. Mehr entwickeln, erfinden und wagen. Ein Anfang ist gemacht.
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